114 Ia 73
11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. Mai 1988 i.S. Gemeinde Klosters-Serneus gegen X. und acht Mitbeteiligte sowie Y. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Gemeindeautonomie; Ersatzbeiträge an Schutzraumplätze und Parkplätze.
- 1. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; Anforderungen an die Begründung der Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 2a, b).
- 2. Art. 104 lit. a OG; Bundesgesetz über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Begriff des Bundesrechts. Unzulässigkeit der selbständigen Erhebung der Gemeindeautonomierüge mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2c).
- 3. Anfechtung von Zwischenentscheiden mit staatsrechtlicher Beschwerde. Anwendungsbereich von Art. 87 OG (E. 3).
- 4. Inhalt der Gemeindeautonomie. Auslegung und Anwendung von Art. 162
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 162 - Die Ehegatten bestimmen gemeinsam die eheliche Wohnung.
Regeste (fr):
- Autonomie communale; contributions de remplacement pour les places protégées dans les abris et les places de parc.
- 1. Art. 90 al. 1 lettre b OJ; exigences de motivation d'un recours pour violation de l'autonomie communale (consid. 2a, b).
- 2. Art. 104 lettre a OJ: loi fédérale sur les constructions de protection civile. Admissibilité du recours de droit administratif. Notion de droit fédéral. Il n'est pas admissible de soulever, de manière indépendante, les griefs de violation de l'autonomie communale dans un recours de droit administratif (consid. 2c).
- 3. Possibilité d'attaquer des décisions incidentes par la voie du recours de droit public. Champ d'application de l'art. 87 OJ (consid. 3).
- 4. Contenu de l'autonomie communale. Interprétation et application de l'art. 162 de la loi grisonne d'introduction au code civil (droit de gage légal sur des contributions de remplacement pour des abris de protection civile et des places de parc; consid. 4).
Regesto (it):
- Autonomia comunale; contributi sostitutivi di posti protetti nei rifugi e di posteggi.
- 1. Art. 90 cpv. 1 lett. b OG; esigenze di motivazione in un ricorso per violazione dell'autonomia comunale (consid. 2a, b).
- 2. Art. 104 lett. a OG: legge federale sull'edilizia di protezione civile. Ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo. Nozione di diritto federale. È inammissibile sollevare in modo indipendente la censura riferita all'autonomia comunale nel ricorso di diritto amministrativo (consid. 2c).
- 3. Impugnazione di decisioni incidentali mediante il ricorso di diritto pubblico. Campo d'applicazione dell'art. 87 OG (consid. 3).
- 4. Contenuto dell'autonomia comunale. Interpretazione e applicazione dell'art. 162 della legge grigionese d'introduzione al codice civile (diritto di pegno legale per contributi sostitutivi di rifugi della protezione civile e di posteggi; consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 74
BGE 114 Ia 73 S. 74
Im Streit um die Abgaben für die Überbauung A., ein von X. erstelltes Apparthotel in Klosters-Serneus, erliess der Gemeindevorstand Klosters-Serneus am 11. Mai 1987 folgenden Beschluss: "1. X. wird verpflichtet, der Gemeinde Klosters-Serneus im Zusammenhang mit der Hotelüberbauung A. folgende Abgaben zu entrichten: 1.1. Beteiligungsbeitrag für 245 Schutzplätze im Betrage von Fr. 85'750.-- zuzüglich 5% Zins auf dem Betrag von Fr. 40'000.-- ab 4. Jan. 1985, für welchen der Rechtsöffnungsentscheid seit 9. Jan. 1987 bereits vorliegt, und 5% Zins auf dem Betrag von Fr. 45'750.-- ab 20. Dez. 1986. 1.2 Ersatzabgabe für 72 Autoabstellplätze im Betrage von Fr. 432'000.-- zuzüglich 5% auf dem Betrag von Fr. 300'000.-- ab 4. Jan. 1985 und 5% Zins auf dem Betrag von Fr. 132'000.-- ab 20. Dez. 1986. 1.3 (...)
2. Es wird festgestellt, dass folgende Stockwerkeigentümer-Einheiten mit einem gesetzlichen, allen anderen Pfandrechten vorgehenden Pfandrecht
BGE 114 Ia 73 S. 75
belastet sind:
2.1 Für den unter Ziff. 1.1 erwähnten Beteiligungsbeitrag für Schutzplätze von Fr. 85'750.-- (...)
2.2 Für die unter Ziff. 1.2 erwähnte Ersatzabgabe für Autoabstellplätze von Fr. 432'000.-- (...)
2.3 (...)"
Gegen diesen Beschluss rekurrierten der Bauherr und acht Stockwerkeigentümer (Rekurs 253/87) sowie Y., ebenfalls als betroffener Stockwerkeigentümer (Rekurs 251/87), beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses erkannte in seinem Entscheid vom 18. August 1987 wie folgt: "1. Der Rekurs Nr. 253/87 wird dahingehend gutgeheissen, dass die Ziffern 1.1, 1.2, 2.1 und 2.2 des angefochtenen Beschlusses des Gemeindevorstandes Klosters vom 11./14. Mai 1987 aufgehoben und zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. 2. Der Rekurs Nr. 251/87 wird teilweise gutgeheissen, und die Ziffern 2.1 und 2.2 des angefochtenen Vorstandsbeschlusses werden aufgehoben. 3. Im übrigen werden die Rekurse abgewiesen.
4. Die Gerichtskosten ... (von insgesamt Fr. 2'378.--) gehen zur Hälfte zu Lasten der Gemeinde Klosters-Serneus und zu einem Viertel an X. und Mitbeteiligte, unter solidarischer Haftung derselben, sowie zu einem Viertel an Y. (...). 5. (...)
6. Die aussergerichtlichen Kosten werden wettgeschlagen."
Es erwog im wesentlichen: Indem die Gemeinde bei der Berechnung der Ersatzbeiträge für die Schutzraumplätze von 245 Plätzen ausgegangen sei, habe sie die im ursprünglichen Baubescheid auf 136 festgesetzte Zahl erhöht. Sie hätte deshalb eine neue Verfügung des kantonalen Militärdepartementes einholen müssen, was sie unterlassen habe. Hinsichtlich der Ersatzabgabe für die Autoabstellplätze liege ebenfalls ein den ursprünglichen Baubescheid abändernder Beschluss des Gemeindevorstandes vor, indem die ursprünglich 50 Parkplätze auf 72 erhöht worden seien. Diesbezüglich hätten die betroffenen Stockwerkeigentümer vor Erlass des streitigen Beschlusses angehört werden müssen. Art. 162 Abs. 1 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 162 - Die Ehegatten bestimmen gemeinsam die eheliche Wohnung. |
BGE 114 Ia 73 S. 76
Gegen diesen Entscheid führt die Gemeinde Klosters-Serneus staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Dispositiv Ziff. 1, 2, 4 und 6 aufzuheben. Sie rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung der Gemeindeautonomie sowie (sinngemäss) von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts, der ihren Beschluss vom 11. Mai 1987 aufhebt, in ihren hoheitlichen Befugnissen betroffen. Sie ist daher grundsätzlich befugt, wegen Verletzung ihrer Gemeindeautonomie staatsrechtliche Beschwerde zu führen. Ob ihr im betreffenden Bereich tatsächlich Autonomie zukommt, ist demgegenüber keine Frage des Eintretens, sondern eine solche der materiellen Beurteilung (BGE 113 Ia 202 E. 1a, BGE 112 Ia 62 f. E. 2, 269 E. 1a).
2. Die Beschwerdeführerin beanstandet unter Berufung auf die Gemeindeautonomie in erster Linie, dass das Verwaltungsgericht ihren Beschluss hinsichtlich der Ersatzbeiträge für die Schutzräume aufgehoben habe. a) Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, "welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind". Die Zuerkennung eines geschützten Autonomiebereichs setzt voraus, dass das massgebende kantonale Verfassungs- und Gesetzesrecht im betreffenden Sachbereich keine abschliessende Ordnung trifft, sondern ihn ganz oder teilweise den Gemeinden zur Regelung überlässt und ihnen dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 113 Ia 205 E. 2a, 213 E. 3; BGE 112 Ia 63 E. 3a, 270 E. 2a, 282 E. 3a, 342 E. 2). Soll auf die Beschwerde eingetreten werden, hat deshalb die Gemeinde zu begründen, inwiefern das kantonale Recht ihr im betreffenden Sachbereich eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit
BGE 114 Ia 73 S. 77
einräumt, und sodann darzulegen, weshalb der angefochtene Hoheitsakt ihre Autonomie verletzt. b) Inwiefern das kantonale Recht den Bündner Gemeinden im hier fraglichen Sachbereich (d.h. bei der Festsetzung und Erhebung von Ersatzbeiträgen an Zivilschutzbauten) eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt, legt die Beschwerdeführerin mit keinem Wort dar. Sie zeigt auch nicht auf, inwiefern ihre Autonomie durch den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts in unzulässiger Weise beschränkt sein soll. Auf die nicht weiter begründete Rüge ist deshalb nicht einzutreten. c) Entscheide über Ersatzbeiträge von Grundeigentümern an Zivilschutzbauten stützen sich materiell auf öffentliches Recht des Bundes (Bundesgesetz über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz, SR 520.2, insbesondere Art. 2 Abs. 3), und kantonal letztinstanzliche Entscheide über solche Beiträge können nach den allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Art. 97 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Diese Frage ist zu verneinen. Die Beschwerdeführerin rügt keine Bundesrechtsverletzung. Auch macht sie nicht geltend, kantonales Verfahrensrecht sei bei einer Verfügung gestützt auf Bundesrecht
BGE 114 Ia 73 S. 78
willkürlich oder sonst in einer gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Die Gemeinde rügt sodann, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid ihren Beschluss hinsichtlich der Ersatzbeiträge für die Autoabstellplätze aufgehoben hat. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Gemeindeautonomie und (zumindest sinngemäss) auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 114 Ia 73 S. 79
gegenüber der Gemeinde eine Gehörsverweigerung begangen hat, bestimmt sich indessen nach Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
4. Der letzte Vorwurf der Gemeinde betrifft das gesetzliche Pfandrecht für die Ersatzbeiträge. Sie macht unter Berufung auf die Gemeindeautonomie geltend, indem das Verwaltungsgericht ein gesetzliches Pfandrecht der Gemeinde für die Ersatzbeiträge verneint habe, habe es Art. 162
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
b) Gemäss Art. 162 Abs. 1 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 162 - Die Ehegatten bestimmen gemeinsam die eheliche Wohnung. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Ob den bündnerischen Gemeinden im hier fraglichen Sachbereich nach dem massgeblichen kantonalen Recht Autonomie zukommt, kann offenbleiben. Jedenfalls erscheinen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Entscheid, soweit
BGE 114 Ia 73 S. 80
es ein gesetzliches Pfandrecht für Ersatzbeiträge für Schutzräume und Autoabstellplätze nach Art. 162
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |