114 Ia 466
73. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. November 1988 i.S. Einwohnergemeinde Luterbach gegen Einwohnergemeinde Deitingen, Vigier Cement AG und Regierungsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 88
OG; Legitimation der Gemeinde zur Anfechtung der Genehmigung der Nutzungsplanung der Nachbargemeinde.
- Die Genehmigung der Nutzungsplanung einer Gemeinde durch den Regierungsrat präjudiziert aufgrund des Planabstimmungsgebots (Art. 2 Abs. 1
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 2 Planungspflicht - 1 Bund, Kantone und Gemeinden erarbeiten die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab.
1 Bund, Kantone und Gemeinden erarbeiten die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab. 2 Sie berücksichtigen die räumlichen Auswirkungen ihrer übrigen Tätigkeit. 3 Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten darauf, den ihnen nachgeordneten Behörden den zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötigen Ermessensspielraum zu lassen.
Regeste (fr):
- Art. 88 OJ; qualité pour agir d'une commune contre l'approbation du plan d'affectation d'une commune voisine.
- L'approbation par le Conseil d'Etat du plan d'affectation d'une commune préjuge dans une certaine mesure du plan d'affectation de la commune voisine, en raison de l'obligation de coordonner les plans (art. 2 al. 1 LAT); elle la touche ainsi dans ses compétences en matière de planification; la commune voisine a par conséquent qualité pour agir en invoquant la violation de son autonomie (consid. 1).
Regesto (it):
- Art. 88
OG; legittimazione di un comune ad impugnare l'approvazione di un piano di utilizzazione di un comune vicino.
- L'approvazione da parte del Consiglio di Stato del piano di utilizzazione di un comune predetermina in certa misura il piano di utilizzazione del comune vicino, stante l'obbligo di coordinare la pianificazione (art. 2 cpv. 1 LPT); essa lo tocca quindi nella propria competenza in materia pianificatoria. Il comune vicino è pertanto legittimato a ricorrere invocando la violazione della propria autonomia (consid. 1).
Sachverhalt ab Seite 466
BGE 114 Ia 466 S. 466
Einige Kilometer vom Kerngebiet der Solothurner Gemeinde Deitingen entfernt liegt im Schnittpunkt der drei solothurnischen Gemeinden Deitingen, Luterbach und Riedholz am rechten Aareufer auf Deitinger Boden das Gebiet "Wilihof". Dort ist seit dem vergangenen Jahrhundert die Vigier Cement AG angesiedelt. Damals entstand in Anlehnung an einen schon bestehenden Herrensitz eine Industrieanlage, in der die Vigier Cement AG während Jahrzehnten ein Zementwerk betrieb. Nach der Verlegung der Zementproduktion nach Reuchenette verblieb im "Wilihof" ein Gewerbe mit Lagerung und Umschlag von Futtermitteln, die Verwaltung sowie ein Zwischenlager für Baumaterialien einer Tochtergesellschaft. An den "Wilihof" grenzt am rechten Aareufer auf dem Gebiet der benachbarten Gemeinde Luterbach eine
BGE 114 Ia 466 S. 467
ausgedehnte Industriezone. Etwa 500 m flussaufwärts liegt auf dem linken Aareufer die Industriezone der Gemeinde Riedholz. Im Rahmen einer umfassenden Revision der Ortsplanung der Einwohnergemeinde Deitingen legte der Gemeinderat Deitingen die Pläne sowie das neue Bau- und Zonenreglement vom 28. Februar bis 29. März 1985 öffentlich auf. Der Teilzonen- und Gestaltungsplan "Wilihof" enthält die Einzonung des ungefähr 3 ha umfassenden Gebietes in Industriezonen A, B und C. Gegen den Teilzonen- und Gestaltungsplan "Wilihof" erhob die benachbarte Einwohnergemeinde Luterbach Einsprache, die der Gemeinderat Deitingen am 26. Februar 1986 abwies. Gegen den Einspracheentscheid gelangte die Gemeinde Luterbach mit Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Solothurn. Im Zuge des Beschwerde- und Genehmigungsverfahrens wurden verschiedene Verbesserungen am Gestaltungsplan angebracht. Am 27. Oktober 1987 genehmigte der Regierungsrat den Teilzonen- und Gestaltungsplan in der Fassung vom 21. Januar 1985/13. Februar 1986/7. Januar 1987 und wies gleichzeitig die Beschwerde der Gemeinde Luterbach ab. Eine von der Gemeinde Luterbach gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es auf sie eintreten kann.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Zunächst ist zu klären, ob die Beschwerdeführerin zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist. Diese Frage prüft das Bundesgericht frei und von Amtes wegen (BGE 113 Ia 238 E. 2a, 249 E. 2, je mit Hinweisen). a) Die Legitimation von Gemeinden zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung immer dann zu bejahen, wenn eine Gemeinde durch den angefochtenen Entscheid in ihren hoheitlichen Befugnissen berührt wird. Ob sie im betreffenden Bereich auch tatsächlich Autonomie geniesst, ist nicht mehr eine Frage des Eintretens, sondern eine solche der materiellen Beurteilung (BGE 114 Ia 76 E. 1 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall wäre somit auf die Beschwerde ohne weiteres einzutreten, wenn die Beschwerdeführerin sich mit ihr gegen einen Entscheid des Regierungsrats über ihre eigene Ortsplanung zur Wehr setzte. Die Beschwerdeführerin wendet sich indessen mit
BGE 114 Ia 466 S. 468
ihrer staatsrechtlichen Beschwerde nicht gegen einen ihre eigene Ortsplanung betreffenden Genehmigungsbeschluss des Regierungsrats, sondern gegen einen die Ortsplanung ihrer Nachbargemeinde betreffenden Genehmigungsbeschluss. Es erhebt sich daher die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid in ihren eigenen hoheitlichen Befugnissen berührt ist. b) Gemäss § 9 Abs. 1 des Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember 1978 (BauG) ist die Ortsplanung Aufgabe der Gemeinden. Die Beschwerdeführerin ist demnach zur Ausarbeitung einer Ortsplanung sowohl berechtigt als auch verpflichtet; sie ist für den Sachbereich der Ortsplanung Trägerin der staatlichen Planungshoheit. Art. 2 Abs. 1
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SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz RPG Art. 2 Planungspflicht - 1 Bund, Kantone und Gemeinden erarbeiten die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab. |
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1 | Bund, Kantone und Gemeinden erarbeiten die für ihre raumwirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinander ab. |
2 | Sie berücksichtigen die räumlichen Auswirkungen ihrer übrigen Tätigkeit. |
3 | Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten darauf, den ihnen nachgeordneten Behörden den zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötigen Ermessensspielraum zu lassen. |