Urteilskopf

114 Ia 29

6. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Juni 1988 i.S. B. gegen Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 30

BGE 114 Ia 29 S. 30

B. ist seit Sommer 1987 in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert. Ihr Ehemann ersuchte Ende August 1987 beim Friedensrichteramt Uster um Durchführung des Sühnverfahrens betreffend Ehescheidung. Die Sühnverhandlung wurde auf den 14. Dezember 1987 angesetzt. Mit Eingabe vom 11. Dezember 1987 stellte B. beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich das Gesuch, es sei ihr mit Wirkung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage ein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bestellen. Mit Verfügung vom 15. Dezember 1987 wies der Obergerichtspräsident das Gesuch ab. Gegen diese Verfügung erhob B. staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. § 88 ZPO/ZH macht die unentgeltliche Verbeiständung vor Prozessbeginn von den gleichen Voraussetzungen abhängig, wie sie auch für die Verbeiständung während des Prozesses gelten. Eine Partei hat somit auch vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit nur dann Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter, wenn sie eines solchen für die gehörige Wahrung ihrer Interessen bedarf. Es kann nun keinesfalls als willkürlich bezeichnet werden, wenn der Obergerichtspräsident diese Frage im vorliegenden Fall verneinte. Im Sühnverfahren sind die Parteien in der Regel nicht auf den Beistand eines rechtskundigen Vertreters angewiesen. Der Zweck dieses Verfahrens besteht darin, die Parteien vor Einleitung des eigentlichen Prozesses zu versöhnen und sie davon abzuhalten, offenbar unbegründete Klagen zu erheben oder begründete Rechtsbegehren zu bestreiten (vgl. § 97 Abs. 1 ZPO/ZH). Dafür benötigen die Parteien keinen Anwalt. In § 31 Abs. 1 ZPO/ZH wird die Parteivertretung im Verfahren vor dem Friedensrichter sogar als unzulässig erklärt, es sei denn, die Partei wohne nicht im Bezirk oder sei durch Krankheit, Militärdienst oder aus andern wichtigen Gründen am persönlichen Erscheinen verhindert. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, bei einer persönlichen Aussprache der Parteien sei eine Aussöhnung eher zu erwarten (STRÄULI/MESSMER, N. 1 zu § 31 ZPO). Das dürfte im Fall einer Scheidungsklage erst recht gelten. Da im Scheidungsprozess Anerkennung und Vergleich nicht möglich sind, bedarf die
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beklagte Partei im Hinblick darauf auch keiner rechtlichen Beratung. Das einzige, was von ihr verlangt wird, ist eine Stellungnahme zum klägerischen Scheidungsbegehren (vgl. § 100 Ziff. 4 ZPO/ZH). Anträge zu den Nebenfolgen der Scheidung sind im Sühnverfahren noch nicht zu stellen (STRÄULI/MESSMER, N. 5 zu § 100 ZPO), und eine allfällige Widerklage kann noch mit der Klageantwort erhoben werden (§ 117 ZPO/ZH). Die Entscheidung darüber, ob sich eine Partei einer gegen sie gerichteten Scheidungsklage widersetzen will, kann ihr aber ein Rechtsbeistand nicht abnehmen. Abgesehen davon besteht im Scheidungsprozess ohnehin keine Bindung an die vor dem Friedensrichter abgegebene Stellungnahme. Es ist daher nicht ersichtlich, welchen Nachteil ein rechtsunkundiger Scheidungsbeklagter im Sühnverfahren erleiden könnte. Freilich war die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall aus gesundheitlichen Gründen überhaupt verhindert, an der Sühnverhandlung teilzunehmen. Auch dadurch war sie indessen nicht benachteiligt, denn selbst ein unentschuldigtes Ausbleiben an der Verhandlung hätte nur zur Folge gehabt, dass dem Kläger die Weisung hätte ausgestellt werden müssen (§ 99 Abs. 2 ZPO/ZH). Wenn der Kläger zur Scheidung entschlossen ist, lässt sich ein gerichtliches Verfahren so oder anders nicht vermeiden. Im übrigen hätte sich die Beschwerdeführerin damit begnügen können, dem Friedensrichter schriftlich mitzuteilen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen an der Sühnverhandlung nicht teilnehmen könne und dass sie sich der Scheidungsklage widersetze. Wenn sie auch dazu nicht in der Lage gewesen wäre, hätte die Anstalt oder der bereits ernannte Beistand für sie eine entsprechende Mitteilung machen können. Ein Rechtsanwalt war dafür nicht erforderlich. Es erscheint somit zumindest als vertretbar, wenn der Obergerichtspräsident der Beschwerdeführerin für das Sühnverfahren die unentgeltliche Rechtsverbeiständung verweigerte. § 88 ZPO/ZH wird dadurch keineswegs seines Gehalts beraubt. Diese Bestimmung will es einem Unbemittelten vor allem ermöglichen, die Erfolgsaussichten einer Klage durch eine rechtskundige Person prüfen zu lassen und die vor Klageerhebung erforderlichen Abklärungen zu treffen (STRÄULI/MESSMER, zu § 88 ZPO). Einer solchen Hilfe bedarf der Beklagte im Sühnverfahren, zumal im Scheidungsprozess, nicht. Für ihn genügt es, wenn er nach Eingang der Klage beim Gericht vertreten ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 114 IA 29
Datum : 01. Juni 1988
Publiziert : 31. Dezember 1988
Quelle : Bundesgericht
Status : 114 IA 29
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Unentgeltliche Rechtsverbeiständung; § 88 ZPO/ZH. Es ist nicht willkürlich, einem Scheidungsbeklagten die unentgeltliche


BGE Register
114-IA-29
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