Urteilskopf

113 V 48

8. Urteil vom 26. März 1987 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen G. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 48

BGE 113 V 48 S. 48

A.- Der 1951 geborene spanische Staatsangehörige Camilo G. war als Schaler in einer Bauunternehmung tätig gewesen. Am 26. Oktober 1983 erlitt er einen Betriebsunfall, bei welchem er sich
BGE 113 V 48 S. 49

schwere Verletzungen zuzog. Er lag rund sechs Monate im Koma; am 27. Juli 1985 konnte er das Spital verlassen, um nach Spanien zurückzukehren und dort weiterbehandelt bzw. als Pflegefall betreut zu werden. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die Heilbehandlung auf und sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 4. September 1984 eine Invalidenrente von 100% ab 1. August 1984 zu; gleichzeitig stellte sie fest, der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung könne noch nicht abschliessend beurteilt werden, weshalb der diesbezügliche Entscheid zurückgestellt werden müsse. Eine Einsprache des Versicherten, mit welcher dieser das Aufschieben der Verfügung über den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung beanstandete, wurde von der SUVA mit Entscheid vom 26. November 1984 abgewiesen.
B.- Camilo G. liess gegen diesen Entscheid Beschwerde einreichen mit dem Begehren, die SUVA sei zu verpflichten, ihm eine Integritätsentschädigung von Fr. 69'600.--, nebst Zins von 5% ab 1. August 1984, zu bezahlen. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hiess die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass es die Sache an die SUVA zurückwies, damit sie über das Massliche der dem Beschwerdeführer ab 1. Januar 1984 geschuldeten Integritätsentschädigung befinde. In der Begründung wird ausgeführt, nach dem klaren Wortlaut von Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG seien Rente und Integritätsentschädigung gleichzeitig festzusetzen. Dass es in Einzelfällen wünschbar sein könne, den Entscheid im Interesse einer genaueren Beurteilung aufzuschieben, vermöge kein Abweichen vom Gesetzeswortlaut zu rechtfertigen. Weil die SUVA den Entscheid rechtswidrig aufgeschoben habe, stehe dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Verzugszins zu (Entscheid vom 26. Juni 1985).
C.- Mit Verfügung vom 16. August 1985 sprach die SUVA dem Versicherten eine Integritätsentschädigung im Höchstbetrag von Fr. 69'600.-- sowie eine Hilflosenentschädigung zu.
D.- Mit Eingabe vom 12. September 1985 erhebt die SUVA Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft sei aufzuheben und es sei der Einsprache-Entscheid vom 26. November 1984 zu bestätigen; eventuell sei der vorinstanzliche Entscheid zumindest soweit aufzuheben, als er die SUVA zur Bezahlung eines Verzugszinses verpflichte.
BGE 113 V 48 S. 50

Camilo G. lässt sich mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt die Auffassung, die Integritätsentschädigung sei stets zusammen mit der Invalidenrente festzusetzen, enthält sich jedoch eines Antrags hinsichtlich der Verzugszinspflicht.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Im vorinstanzlichen Verfahren liess der heutige Beschwerdegegner beantragen, es sei ihm eine Integritätsentschädigung von Fr. 69'600.-- zuzusprechen und es sei die SUVA zur Bezahlung eines Verzugszinses von 5% ab 1. August 1984 zu verpflichten. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde bejahte die Vorinstanz den Anspruch auf die Integritätsentschädigung einschliesslich Verzugszins, wies die Sache jedoch an die SUVA zurück, damit sie über die Höhe der Integritätsentschädigung befinde. Nachdem die SUVA dem Beschwerdegegner mit Verfügung vom 16. August 1985 eine Integritätsentschädigung im gesetzlichen Höchstbetrag von Fr. 69'600.-- zugesprochen hat, ist der vorinstanzliche Entscheid, soweit er diesbezüglich die Rückweisung verfügte, gegenstandslos geworden. Soweit die SUVA mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides auch in diesem Punkt beantragt, kann darauf nicht eingetreten werden, weil mit der Verfügung vom 16. August 1985 hierüber rechtskräftig entschieden worden ist. Streitig und im folgenden zu prüfen ist lediglich noch, ob die SUVA dem Beschwerdegegner Verzugszins schuldet, weil sie über die Integritätsentschädigung nicht bereits im Zeitpunkt der Rentenverfügung (4. September 1984), sondern erst am 16. August 1985 verfügt hat.
2. a) Nach ständiger Rechtsprechung werden im Bereich der Sozialversicherung grundsätzlich keine Verzugszinsen geschuldet, sofern sie nicht gesetzlich vorgesehen sind (BGE 108 V 15 Erw. 2a, BGE 101 V 117 Erw. 3). Dieser Grundsatz gilt indessen nicht ausnahmslos. So hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt Verzugszinsen zugesprochen, wenn "besondere Umstände" vorlagen. Solche Umstände erachtete das Gericht als gegeben bei widerrechtlichen oder trölerischen Machenschaften der Verwaltungsorgane (BGE 101 V 118). In BGE 108 V 19 Erw. 4b hat es diese Praxis bestätigt und ergänzend festgestellt, für die ausnahmsweise Verzugszinspflicht bedürfe es neben der Rechtswidrigkeit auch eines schuldhaften

BGE 113 V 48 S. 51

Verhaltens der Verwaltung (oder der Rekursbehörde). Dabei hat das Gericht es abgelehnt, die Verzugszinspflicht generell für bestimmte Gruppen von Fällen (etwa gerichtlich festgestellte Rechtsverzögerungen) zu bejahen. Wegleitend dafür war die Überlegung, dass die Auferlegung von Verzugszinsen im Sozialversicherungsrecht nur ausnahmsweise und in Einzelfällen gerechtfertigt ist, bei denen das Rechtsempfinden in besonderer Weise tangiert ist. b) Der SUVA ist darin beizupflichten, dass die nach der Rechtsprechung für die ausnahmsweise Zusprechung eines Verzugszinses geltenden Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Selbst wenn sich die Auslegung und Anwendung von Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG durch die SUVA als unrichtig herausstellen sollte, was noch zu prüfen ist, kann von "widerrechtlichen oder trölerischen Machenschaften" bzw. von einem schuldhaften Verhalten nicht die Rede sein. Die Vorinstanz räumt denn auch ein, der SUVA könne kaum ein Schuldvorwurf gemacht werden; sie vertritt indessen die Auffassung, die Weigerung der SUVA, die Integritätsentschädigung gleichzeitig mit der Rente festzusetzen, stehe in klarem Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, so dass jedenfalls die Rechtswidrigkeit gegeben sei. Wo aber eine objektive Rechtsverzögerung vorliege, könne selbst dann, wenn es an einem subjektiven Schuldvorwurf fehle, nicht von einer sorgfältigen Aufgabenerfüllung gesprochen werden, weshalb die Verzugszinspflicht zu bejahen sei. Dieser Auffassung kann im Lichte der bisherigen Praxis, an welcher festzuhalten ist, nicht zugestimmt werden. Danach vermag eine objektive Rechtsverzögerung für sich allein noch keine Verzugszinspflicht zu begründen; der Anspruch auf Verzugszins setzt vielmehr auch ein schuldhaftes Verhalten der Behörde voraus. Mangels eines solchen Verhaltens ist im vorliegenden Fall kein Verzugszins geschuldet, und es kann sich lediglich die Frage stellen, ob die SUVA den streitigen Zins unter einem andern Rechtstitel zu bezahlen hat.
3. a) Nach Art. 24 Abs. 1
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG hat der Versicherte Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung, wenn er durch einen versicherten Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleidet. Gemäss Abs. 2 der Bestimmung wird die Entschädigung mit der Invalidenrente festgesetzt ("fixée en même temps que la rente d'invalidité", "determinata simultaneamente alla rendita d'invalidità") oder,
BGE 113 V 48 S. 52

falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche oder geistige Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird (Art. 36 Abs. 1
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 36 - 1 Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
1    Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
2    Für die Bemessung der Integritätsentschädigung gelten die Richtlinien des Anhangs 3.
3    Fallen mehrere körperliche, geistige oder psychische Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen zusammen, so wird die Integritätsentschädigung nach der gesamten Beeinträchtigung festgesetzt.82 Die Gesamtentschädigung darf den Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen. Bereits nach dem Gesetz bezogene Entschädigungen werden prozentual angerechnet.
4    Voraussehbare Verschlimmerungen des Integritätsschadens werden angemessen berücksichtigt. Revisionen sind nur im Ausnahmefall möglich, wenn die Verschlimmerung von grosser Tragweite ist und nicht voraussehbar war.83
5    Bei Berufskrankheiten, bei denen die betroffene Person an einem Mesotheliom oder anderen Tumoren mit prognostisch ähnlich kurzer Überlebenszeit leidet, entsteht der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung mit dem Ausbruch der Krankheit.84
UVV). b) Aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG ergibt sich klar, dass die Integritätsentschädigung gleichzeitig mit der Invalidenrente festzusetzen ist, falls ein Rentenanspruch besteht. Ausnahmen von dieser Regel sieht das Gesetz nicht vor. Es liegt entgegen der von der SUVA im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren vertretenen Auffassung auch keine blosse Ordnungsvorschrift vor. Bei der Anwendung von Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG kann indessen nicht unbeachtet bleiben, dass die Voraussetzungen für die Zusprechung der Invalidenrente (Art. 19 Abs. 1
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 19 Beginn und Ende des Anspruchs - 1 Der Rentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind. Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Taggeldleistungen dahin. ...52
1    Der Rentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind. Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Taggeldleistungen dahin. ...52
2    Der Anspruch erlischt mit der gänzlichen Abfindung, mit dem Auskauf der Rente oder dem Tod des Versicherten. ...53
3    Der Bundesrat erlässt nähere Vorschriften über die Entstehung des Rentenanspruchs, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr zu erwarten ist, der Entscheid der IV über die berufliche Eingliederung jedoch erst später gefällt wird.
UVG) anders geregelt sind als diejenigen für die Integritätsentschädigung (Art. 36
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 36 - 1 Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
1    Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
2    Für die Bemessung der Integritätsentschädigung gelten die Richtlinien des Anhangs 3.
3    Fallen mehrere körperliche, geistige oder psychische Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen zusammen, so wird die Integritätsentschädigung nach der gesamten Beeinträchtigung festgesetzt.82 Die Gesamtentschädigung darf den Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen. Bereits nach dem Gesetz bezogene Entschädigungen werden prozentual angerechnet.
4    Voraussehbare Verschlimmerungen des Integritätsschadens werden angemessen berücksichtigt. Revisionen sind nur im Ausnahmefall möglich, wenn die Verschlimmerung von grosser Tragweite ist und nicht voraussehbar war.83
5    Bei Berufskrankheiten, bei denen die betroffene Person an einem Mesotheliom oder anderen Tumoren mit prognostisch ähnlich kurzer Überlebenszeit leidet, entsteht der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung mit dem Ausbruch der Krankheit.84
UVV). Beim Rentenanspruch besteht die Möglichkeit nachträglicher Änderungen, indem die Rente revidiert werden kann, wenn sich der Invaliditätsgrad erheblich geändert hat (Art. 22
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 22 Revision der Rente - In Abweichung von Artikel 17 Absatz 1 ATSG63 kann die Rente ab dem Monat, in dem die berechtigte Person eine ganze AHV-Rente nach Artikel 40 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194664 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vorbezieht, spätestens jedoch ab Erreichen des Referenzalters nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG nicht mehr revidiert werden.
UVG). Demgegenüber muss bei der Integritätsentschädigung ein für allemal feststehen, dass die Beeinträchtigung erheblich und dauernd ist und in welchem Umfang sie besteht (Art. 24 Abs. 1
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG, Art. 36 Abs. 1
SR 832.202 Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV)
UVV Art. 36 - 1 Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
1    Ein Integritätsschaden gilt als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht. Er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird.81
2    Für die Bemessung der Integritätsentschädigung gelten die Richtlinien des Anhangs 3.
3    Fallen mehrere körperliche, geistige oder psychische Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen zusammen, so wird die Integritätsentschädigung nach der gesamten Beeinträchtigung festgesetzt.82 Die Gesamtentschädigung darf den Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen. Bereits nach dem Gesetz bezogene Entschädigungen werden prozentual angerechnet.
4    Voraussehbare Verschlimmerungen des Integritätsschadens werden angemessen berücksichtigt. Revisionen sind nur im Ausnahmefall möglich, wenn die Verschlimmerung von grosser Tragweite ist und nicht voraussehbar war.83
5    Bei Berufskrankheiten, bei denen die betroffene Person an einem Mesotheliom oder anderen Tumoren mit prognostisch ähnlich kurzer Überlebenszeit leidet, entsteht der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung mit dem Ausbruch der Krankheit.84
UVV). Dabei sind voraussehbare Verschlimmerungen des Integritätsschadens angemessen zu berücksichtigen; revisionsweise Neubeurteilungen sind dagegen ausgeschlossen (UVV Anhang 3 Ziff. 3). Diese Unterschiede können dazu führen, dass der Anspruch auf die Integritätsentschädigung nicht zur gleichen Zeit beurteilt werden kann wie derjenige auf die Invalidenrente. Die Regel von Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG, wonach die Integritätsentschädigung gleichzeitig mit der Invalidenrente festzusetzen ist, darf aber weder dazu führen, dass der Entscheid über die Invalidenrente aufgeschoben wird, noch darf sie zur Folge haben, dass der Versicherte vom Anspruch auf die Integritätsentschädigung ausgeschlossen wird, weil in einem Zeitpunkt darüber zu entscheiden ist, in dem die Dauerhaftigkeit und das Ausmass der Beeinträchtigung noch nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beurteilt werden können. Der Grundsatz der Gleichzeitigkeit gemäss Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG kann mithin nur Anwendung finden, soweit auch die Bedingungen für die Zusprechung der Invalidenrente und der Integritätsentschädigung gleichzeitig erfüllt sind. Dies dürfte in der Regel
BGE 113 V 48 S. 53

der Fall sein; besondere Umstände können indessen zu Ausnahmen führen, so wenn der Arzt erst in einem späteren Zeitpunkt eine zuverlässige Prognose hinsichtlich der Dauerhaftigkeit und Erheblichkeit der Beeinträchtigung sowie allfälliger späterer Verschlimmerungen im Sinne von Anhang 3 Ziff. 3 zur UVV stellen kann. Der SUVA ist grundsätzlich somit darin beizupflichten, dass die Integritätsentschädigung zwar im Regelfall gleichzeitig mit der Invalidenrente festzusetzen ist, dass der Entscheid über die Integritätsentschädigung ausnahmsweise jedoch in einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann, wenn sich die materiellen Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Rentenverfügung noch nicht zuverlässig beurteilen lassen (vgl. auch GILG/ZOLLINGER, Die Integritätsentschädigung nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung, S. 71 ff., und MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 415 f.).

4. Werden im genannten Sinn Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichzeitigkeit gemäss Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG zugelassen, so wird dem Willen des Gesetzgebers nicht Rechnung getragen, demgemäss der Versicherte im Zeitpunkt, in dem die Invalidenrente zugesprochen wird, über die Entschädigung für die Beeinträchtigung der Integrität soll verfügen können. Es rechtfertigt sich daher, den Versicherten in solchen Fällen leistungsmässig in den Stand zu setzen, in dem er sich befände, wenn über die Integritätsentschädigung zusammen mit der Invalidenrente entschieden worden wäre. Dies kann nur in der Weise geschehen, dass ihm für die Zeit, während welcher der Entscheid über die Integritätsentschädigung aufgeschoben werden muss, ein Zinsanspruch eingeräumt wird. Dabei handelt es sich nicht um einen Verzugszins aufgrund eines schuldhaften Verhaltens der Verwaltung (BGE 108 V 13 ff.), sondern um einen unmittelbar aus dem Gesetz abgeleiteten Ausgleichszins ähnlich dem Schadenszins bei der zivilrechtlichen Genugtuung gemäss Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
/49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR (vgl. BGE 81 II 519 Erw. 6; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. I, 4. Aufl., S. 174/75).
Dem Einwand der SUVA, wonach bei Bejahung des Zinsanspruchs im vorliegenden Fall eine Zinspflicht praktisch immer gegeben sei, wenn die Sozialversicherung zu geringe oder verspätete Versicherungsleistungen erbringe, ist entgegenzuhalten, dass der Versicherte eine Verspätung in der Auszahlung (z.B. infolge langwieriger Abklärungen) in der Regel in Kauf zu nehmen hat. Art. 24 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 24 Anspruch - 1 Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
1    Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.65
2    Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Der Bundesrat kann für die Entstehung des Anspruchs in Sonderfällen einen anderen Zeitpunkt bestimmen, namentlich bei Gesundheitsschädigungen durch das Einatmen von Asbestfasern.66
UVG stellt demgegenüber insofern eine besondere Regelung dar, als damit nicht nur der materielle Anspruchsbeginn,
BGE 113 V 48 S. 54

sondern auch der Zeitpunkt, in dem verfügt werden muss, bestimmt wird, wobei die Verfügung auch die Auszahlung der Integritätsentschädigung umfasst. Das Gesetz bestimmt mithin den Zeitpunkt, in welchem der Versicherte die Leistung erhalten soll; erhält er sie ausnahmsweise erst in einem späteren Zeitpunkt, ist ihm ein Ausgleich in Form eines Zinses zu gewähren.
5. Nach dem Gesagten steht dem Beschwerdegegner für die Zeit vom 4. September 1984 bis 16. August 1985 ein Zinsanspruch auf der ihm mit Verfügung vom 16. August 1985 gewährten Integritätsentschädigung zu. Es wird Sache der SUVA sein, den Anspruch betraglich festzulegen, wobei von einem Zinssatz von 5% auszugehen ist (vgl. BGE 101 V 120 oben sowie Art. 73 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 73 - 1 Geht die Schuldpflicht auf Zahlung von Zinsen und ist deren Höhe weder durch Vertrag noch durch Gesetz oder Übung bestimmt, so sind Zinse zu fünf vom Hundert für das Jahr zu bezahlen.
1    Geht die Schuldpflicht auf Zahlung von Zinsen und ist deren Höhe weder durch Vertrag noch durch Gesetz oder Übung bestimmt, so sind Zinse zu fünf vom Hundert für das Jahr zu bezahlen.
2    Dem öffentlichen Rechte bleibt es vorbehalten, Bestimmungen gegen Missbräuche im Zinswesen aufzustellen.
OR).
Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt wird im Sinne der Erwägungen verpflichtet, dem Beschwerdegegner auf der Integritätsentschädigung von Fr. 69'600.-- einen Zins von 5% zu bezahlen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 113 V 48
Date : 26. März 1987
Published : 31. Dezember 1987
Source : Bundesgericht
Status : 113 V 48
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 24 Abs. 2 UVG. - Die Regelung von Art. 24 Abs. 2 UVG, wonach die Integritätsentschädigung gleichzeitig mit einer allfälligen


Legislation register
OR: 47  49  73
UVG: 19  22  24
UVV: 36
BGE-register
101-V-114 • 101-V-120 • 108-V-13 • 113-V-48 • 81-II-512
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