113 II 402
71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Juni 1987 i.S. V. gegen F. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 216 Abs. 2 OR. Umfang des Beurkundungszwanges.
- Sowohl die objektiv wie die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte sind zu beurkunden. Objektive Nebenabreden fallen jedoch nur dann zufolge subjektiver Wesentlichkeit unter den Formzwang, wenn sie ihrer Natur nach unmittelbar den Kaufrechtsvertrag betreffen, d.h. das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung berühren (E. 2a).
- Ein zu marktüblichen Bedingungen gewährtes Darlehen muss nicht öffentlich beurkundet werden, auch wenn dessen Hingabe einen entscheidenden Beweggrund für den Abschluss des Kaufrechtsvertrages gebildet hat (E. 2b).
Regeste (fr):
- Art. 216 al. 2 CO. Portée de l'exigence de la forme authentique.
- Les points essentiels du contrat, tant objectivement que subjectivement, doivent figurer dans l'acte authentique. Des points objectivement secondaires, mais subjectivement essentiels, ne sont soumis à cette exigence que si, de par leur nature, ils concernent immédiatement le pacte d'emption, c'est-à-dire s'ils touchent le rapport entre prestation et contre-prestation (consid. 2a).
- Un prêt consenti aux conditions du marché ne doit pas être passé en la forme authentique, même si l'octroi de ce prêt a constitué un motif décisif pour la conclusion du pacte d'emption (consid. 2b).
Regesto (it):
- Art. 216 cpv. 2 CO. Portata del requisito della forma d'atto pubblico.
- Devono figurare nell'atto pubblico i punti essenziali, sotto il profilo obiettivo e soggettivo, del contratto. I punti obiettivamente secondari ma soggettivamente essenziali soggiacciono alla forma dell'atto pubblico solo se, per la loro natura, concernono direttamente la promessa di vendita, ossia se toccano il rapporto tra prestazione e controprestazione (consid. 2a).
- Un mutuo accordato alle condizioni del mercato non deve rivestire la forma dell'atto pubblico neppure se la sua concessione abbia costituito un motivo decisivo per la conclusione della promessa di vendita (consid. 2b).
Sachverhalt ab Seite 402
BGE 113 II 402 S. 402
A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 1. Juni 1981 räumte F. dem V. ein bis zum 15 März 1986 befristetes Kaufrecht
BGE 113 II 402 S. 403
an einer Liegenschaft ein. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von Fr. 8,5 Mio. verurkundet, zu tilgen durch Übernahme der Grundpfandschulden bei Ausübung des Rechtes und Barzahlung des Restbetrages. Eine weitere Klausel des Kaufrechtsvertrages bestimmte, dass ein allfälliges Darlehen des Berechtigten oder einer ihm nahestehenden Firma an den Verkäufer mit dem Kaufpreis verrechnet werde. Am selben Tag, am gleichen Ort und in Anwesenheit der nämlichen Personen schlossen die Parteien überdies einen schriftlich abgefassten Darlehensvertrag, in welchem sich V. zur Hingabe von Fr. 8 Mio. an F. und dieser zur Verzinsung derselben mit 5 Prozent pro Jahr - dem damals üblichen Hypothekarzinssatz - verpflichtete. Das Darlehen sollte bis zum 15. März 1986 dauern, jedoch vorzeitig endigen, sofern "diese Darlehenssumme unter den Parteien gemäss separatem Vertrag vor Ablauf der vorerwähnten festen Dauer verrechnet werden" könne. Zur Sicherung des Darlehens bestellten die Parteien auf der Liegenschaft des F. eine Grundpfandverschreibung im Nachgang zu den bestehenden Pfändern. Durch die Gewährung dieses Darlehens sollten Differenzen über die Höhe des Kaufpreises bereinigt werden, da F. sich erhoffte, bei günstiger Anlage der Darlehensmittel zusätzliche Einkünfte zu erzielen.
B.- Mit Klage vom 23. November 1984 beantragte F., es sei festzustellen, dass der Kaufrechtsvertrag nichtig und unverbindlich sei. Er machte u.a. Formungültigkeit mangels öffentlicher Beurkundung des Darlehensvertrages geltend. V. widersetzte sich der Klage und übte das Kaufrecht fristgerecht aus. Mit Urteil vom 3. Dezember 1985 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Demgegenüber erkannte das Kantonsgericht im Entscheid vom 3. Dezember 1986 auf Nichtigkeit von Kaufrechts- und Darlehensvertrag mangels umfassender öffentlicher Beurkundung und verwarf gleichzeitig die Einrede des Rechtsmissbrauchs.
C.- Mit Berufung beantragt V. dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss Art. 216 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
|
1 | Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76 |
3 | Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77 |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76 |
3 | Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77 |
BGE 113 II 402 S. 404
Der Begriff der öffentlichen Beurkundung ist jedoch ein solcher des Bundesrechts, welches auch den Umfang des Formzwanges bestimmt (BGE 106 II 147; GAUCH, in: Baurecht 1986, S. 81). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes und der herrschenden Lehre fallen dabei sowohl die objektiv als auch die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte unter die Formvorschrift des Grundstückkaufvertrages (BGE 106 II 148; BGE 95 II 310; MEIER-HAYOZ, N 84 ff. zu Art. 657
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 11 - 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
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1 | Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
2 | Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 11 - 1 Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
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1 | Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. |
2 | Ist über Bedeutung und Wirkung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht etwas anderes bestimmt, so hängt von deren Beobachtung die Gültigkeit des Vertrages ab. |
BGE 113 II 402 S. 405
stehen (SCHMIDLIN, a.a.O.). Entscheidend ist die Einheit des Vertrages, welche sich allein nach dem Vertragsinhalt beurteilt und äussere Umstände und Abhängigkeiten unberücksichtigt lässt. Sie wird nicht dadurch begründet, dass das eine Geschäft für den Abschluss des anderen kausal gewesen ist oder beide gleichzeitig vereinbart worden sind. (WEISS, Die Rechtsverhältnisse beim gemischten Vertrag nach schweizerischem Obligationenrecht, S. 30). b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bejahte den Formzwang für vertragliche Parzellierungs- und Überbauungsvorschriften, welche das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussten (BGE 68 II 232 ff.), oder für eine Bauverpflichtung auf dem Kaufgegenstand (BGE 90 II 37 ff.), verneinte ihn dagegen für selbständige Provisionsversprechen (BGE 78 II 437 ff.), für die Vergütung eines Kaufauftrages (BGE 86 II 36 ff.), für die unentgeltliche Zuwendungskomponente im Rahmen einer gemischten Schenkung (BGE 101 II 60 ff.) oder für werkvertragliche Absprachen, sofern sie nicht in den Rahmen des Kaufvertrages fallen (BGE 107 II 216 Nr. 29). Im gleichen Sinne verneinte die kantonale Praxis den Beurkundungszwang für einen Kaufvertrag über Geschäftsinventar, obwohl dieser in engem Zusammenhang mit einem Grundstückkaufvertrag stand (ZBGR 57/1976 S. 16 ff.). c) Im vorliegenden Fall hat das Darlehen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des bedingten Kaufvertrages nicht berührt. Insbesondere ist es zu marktüblichen Bedingungen gewährt worden, was die Annahme ausschliesst, der Darleiher habe durch einen tiefen Zinssatz eine zusätzliche Leistung im Rahmen des Kaufvertrages erbracht. Die Hoffnung des Borgers, gegebenenfalls durch geschickte Geldanlage seinerseits einen höheren Zins zu erwirtschaften, berührt die Gegenleistung des Käufers nicht, da sie ausserhalb jeder kaufrechtlichen Zuwendung steht. Die beiden Verträge sind zudem nicht in dem Sinn gegenseitig voneinander abhängig gemacht worden, dass der eine ohne den andern nicht gelten sollte. Dass der Abschluss des einen Beweggrund für den andern gewesen ist, genügt nach dem Gesagten nicht, beide dem Beurkundungszwang zu unterstellen. Ebensowenig reicht hiefür die Verrechnungsmöglichkeit der Darlehensschuld mit der Kaufpreisforderung aus. Schliesslich sind Formvorschriften (in favorem negotii) eng auszulegen (BGE 89 II 191; GAUCH, a.a.O., S. 82). Dadurch soll im Interesse der Rechtssicherheit eine zweckwidrige Ausdehnung des Formzwanges vermieden werden.
BGE 113 II 402 S. 406
Würde im vorliegenden Falle der Formzwang auf den Darlehensvertrag ausgedehnt, hätte dies für eine Reihe vergleichbarer Vertragskoppelungen entsprechende Auswirkungen. Übernimmt beispielsweise der Grundstückskäufer die bestehenden Mietverträge (Art. 259 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 259 - Der Mieter muss Mängel, die durch kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, nach Ortsgebrauch auf eigene Kosten beseitigen. |