113 II 381
66. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Oktober 1987 i.S. X. gegen Z. (Berufung)
Regeste (de):
- Adoption eines Unmündigen; Absehen von der Zustimmung eines Elternteils (Art. 265c Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
- Ein Elternteil hat sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert, wenn er an seinem Ergehen keinen Anteil nimmt, die Sorge für das Kind dauernd andern überlässt und nichts unternimmt, um eine lebendige Beziehung zum Kind aufzunehmen oder zu unterhalten. Es kommt nicht darauf an, ob diesem Bemühen ein Erfolg beschieden sei oder nicht und ob das Verhalten des zustimmungsberechtigten Elternteils schuldhaft sei oder nicht.
Regeste (fr):
- Adoption d'un mineur; dispense du consentement d'un des parents (art. 265c ch. 2 CC).
- Un parent ne se soucie pas sérieusement de l'enfant lorsqu'il ne prend aucune part à son bien-être, s'en remet en permanence à d'autres pour les soins dus à l'enfant et n'entreprend rien pour établir ou entretenir une relation vivante avec lui. Peu importe de savoir si les efforts auraient été couronnés de succès et si le comportement du parent habilité à donner son consentement est coupable ou non.
Regesto (it):
- Adozione di un minorenne; astrazione dal consenso di uno dei genitori (art. 265c n. 2 CC).
- Un genitore non si cura seriamente del figlio ove non partecipi al suo benessere, lasci durevolmente ad altri il compito d'occuparsi del figlio e non faccia alcunché per creare o mantenere una relazione autentica con lui. Non è determinante sapere se gli sforzi intrapresi in questo senso sarebbero stati coronati da successo e se il comportamento del genitore legittimato a dare il proprio consenso sia scevro da colpa o no.
Sachverhalt ab Seite 381
BGE 113 II 381 S. 381
A.- Am 24. Juni 1985 stellte M. Z. das Gesuch um Adoption ihres Stiefsohnes Tomas Z., geboren im Jahre 1981. Gleichzeitig beantragte sie, es sei von der Zustimmung der leiblichen Mutter des Kindes, B. X., zur Adoption abzusehen. Da diese auf der Verweigerung ihrer Zustimmung beharrte, verfügte die Justizdirektion des Kantons Bern am 18. November 1985, es werde von der Zustimmung von B. X. zur Adoption ihres Sohnes Tomas durch M. Z. in Anwendung von Art. 265 c Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
B.- Gegen diese Verfügung erhob B. X. bei der Justizdirektion des Kantons Bern Einsprache, die mit Entscheid vom 14. Mai 1986 abgewiesen wurde. Daraufhin reichte B. X. dem Regierungsrat des Kantons Bern eine Beschwerde ein. Dieser wies die Beschwerde am 29. April 1987 ab.
C.- B. X. führt Berufung an das Bundesgericht, mit welcher sie die Aufhebung des Entscheids des Regierungsrates des Kantons Bern beantragt.
BGE 113 II 381 S. 382
M. Z. und der Berner Regierungsrat stellen Antrag auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Berufung ist gestützt auf Art. 44 lit. c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
2. Gemäss Art. 265a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265a - 1 Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
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1 | Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
2 | Die Zustimmung ist bei der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken. |
3 | Sie ist gültig, selbst wenn die adoptionswilligen Personen nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.293 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
BGE 113 II 381 S. 383
nach dem Willen des Gesetzgebers, der in Art. 265a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265a - 1 Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
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1 | Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
2 | Die Zustimmung ist bei der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken. |
3 | Sie ist gültig, selbst wenn die adoptionswilligen Personen nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.293 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265a - 1 Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
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1 | Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes. |
2 | Die Zustimmung ist bei der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken. |
3 | Sie ist gültig, selbst wenn die adoptionswilligen Personen nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.293 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |
BGE 113 II 381 S. 384
ist das Votum des ständerätlichen Kommissionspräsidenten, Ständerat Broger, der in Anlehnung an die Botschaft des Bundesrates ausführte, ein Elternteil habe sich dann nicht ernsthaft um das Kind gekümmert, wenn er am Ergehen des Kindes keinen Anteil nehme, die Sorge dauernd andern überlasse und nichts unternehme, um eine lebendige Beziehung zum Kind aufzunehmen oder zu unterhalten (Amtl. Bull. 1971 St. S. 723). Es ist daher weiterhin im Einzelfall das Verhalten des zustimmungsberechtigten Elternteils zu berücksichtigen, wenn eine Eltern-Kind-Beziehung fehlt. Dabei kommt es entgegen der Meinung von SCHNYDER, ZBJV 123 (1987) S. 107 f., die nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid offenbar von der Vorinstanz geteilt wird, nicht entscheidend darauf an, ob das Verhalten dieses Elternteils schuldhaft sei oder nicht (Botschaft des Bundesrates, BBl 1971 I S. 1228; BGE 109 II 385 f.), sondern vielmehr darauf, ob der betreffende Elternteil sich ernstlich um sein Kind bemüht hat, auch wenn diesem Bemühen kein Erfolg beschieden war, weil es nur einseitig erfolgte und ohne Echo blieb. Dies ist nicht selten der Fall nach einer Scheidung, wenn Kinder in der Obhut des andern Elternteils den Kontakt zum besuchsberechtigten Elternteil verweigern (vgl. BGE 111 II 323 E. 3 c). Unter solchen Umständen sind an das andauernde Bemühen dieses Elternteils um eine lebendige Beziehung zu den Kindern keine allzu grossen Anforderungen zu stellen. Auch sollte eine neue Beziehung des obhutsberechtigten Elternteils nicht allzu rasch zum Verlust des Zustimmungsrechts zur Stiefkindadoption des andern Elternteils führen. Ein gänzlicher Verzicht auf den Nachweis aktiver Bemühungen um den persönlichen Kontakt zum eigenen Kind und einer sich nach aussen manifestierenden Anteilnahme an dessen Schicksal steht indessen nicht zur Diskussion (BGE 111 II 317 ff.). Ist ein hinreichendes Bemühen um echte Beziehungen zum Kind nachgewiesen, auch wenn es keinen Erfolg hatte, so kann von einem "Sich-nicht-Kümmern" nicht gesprochen werden. Hingegen ist ein "Sich-nicht-Kümmern" zu bejahen, wenn es an einem solchen Nachweis fehlt, aus welchen Gründen dies - verschuldet oder nicht verschuldet - auch immer der Fall sein mag.
3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Regierungsrates beantragte die Berufungsklägerin nach der Geburt ihres Sohnes Tomas, dass ihr die elterliche Gewalt entzogen und für das Kind eine Vormundschaft errichtet werde. Statt unter Vormundschaft wurde Tomas indessen mit Beschluss
BGE 113 II 381 S. 385
der Vormundschaftskommission der Stadt Bern vom 3. August 1982 unter die elterliche Gewalt seines Vaters, E. Z., gestellt. Am 15. Februar 1983 wurde sodann Tomas X. eine Namensänderung in Z. bewilligt, ohne dass die Berufungsklägerin dieser widersprochen hätte. Ein Besuchsrecht hat sie nie verlangt und auch nie ausgeübt. Nach einem gescheiterten Versuch der Berufungsklägerin und E. Z., das Zusammenleben wieder aufzunehmen, unterblieb jeder weitere Kontakt. Dies entsprach dem Willen des Vaters von Tomas, der dessen Mutter jeglichen Besuch untersagte. Insgesamt ist die Berufungsklägerin seit der Geburt ihres Sohnes mit diesem nur zweimal in Kontakt getreten, wobei die näheren Umstände nicht bekannt sind. Dieses Verhalten steht in offenkundigem Gegensatz zu den Beziehungen, die B. X. zu ihrer älteren Tochter aus ihrer Ehe mit B. X. zu pflegen in der Lage war und nach wie vor pflegt. Ein psychiatrisches Gutachten hat denn auch ergeben, dass die Berufungsklägerin zwar zeitweise an schwerer Depression und Manie leidet und in solchen, allerdings seltenen Phasen ihren Mutterpflichten nicht zu genügen vermag, dass sie aber im allgemeinen von der unmittelbaren Betreuung ihrer Tochter in keiner Weise abgehalten wurde und somit auch in der Lage gewesen wäre, eine aktive Beziehung zu ihrem Sohn Tomas aufzubauen. Nach Auffassung des Regierungsrates hat die Berufungsklägerin diese Möglichkeit aus eigenem Willen nicht genutzt. Gemäss seiner Beurteilung der Verhältnisse bestehe auch keine begründete Aussicht, dass sich diese in Zukunft wesentlich verändern könnten. Das Interesse, das die Mutter von Tomas diesem gegenüber nun doch noch bekunde, entspringe nicht einem echten Zuwendungsbedürfnis, sondern blossen Schuldgefühlen, weil sie sich ihrem Sohn gegenüber bisher tatsächlich interesselos verhalten habe. Darin könne aber kaum eine tragfähige Basis für den Aufbau einer lebendigen Beziehung erblickt werden.
4. Die Berufungsklägerin bestreitet nicht, dass es ihr während Jahren nicht gelungen ist, zu ihrem Sohn Tomas eine lebendige Beziehung aufzubauen und zu unterhalten. Sie rügt indessen, der Regierungsrat habe einen zu strengen Massstab an ihr Bemühen um eine solche Beziehung angelegt. Dieses Bemühen sei einerseits durch die kategorische Ablehnung durch den Vater von Tomas, anderseits aber auch durch ihr eigenes krankheitsbedingtes Unvermögen, ihre Rechte als Mutter beharrlich zu beanspruchen, vereitelt worden. Um ihr krankheitsbedingtes Unvermögen darzutun, beruft sich die Berufungsklägerin allerdings auf tatsächliche Feststellungen,
BGE 113 II 381 S. 386
die dem regierungsrätlichen Entscheid nicht zugrunde liegen. Die Vorinstanz hat zwar bei der Berufungsklägerin psychische Störungen nicht in Abrede gestellt, indessen hat sie diese als nur zeitlich begrenzt bezeichnet, so dass B. X. lange Zeitspannen ohne jede Beeinträchtigung durchlebt habe. Solche Zeitspannen hätten es ihr denn auch ermöglicht, ihre mütterlichen Rechte und Pflichten ihrer Tochter gegenüber wahrzunehmen. Abgesehen von dieser unzulässigen Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist. |