113 II 353
2. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Juni 1987 i.S. H. gegen Zürich Versicherungs-Gesellschaft (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Motorfahrzeughaftpflicht: Gerichtsstand für Zivilklagen.
- 1. Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 84
- 2. Offengelassen insbesondere, ob der ordentliche Gerichtsstand des Unfallortes einem subsidiären stets vorgeht, wenn ein Geschädigter sich dafür entscheidet (E. 3).
Regeste (fr):
- Responsabilité de l'automobiliste: for des actions civiles.
- 1. Art. 84 LCR. Cette disposition légale a pour objet de créer un for unique pour toutes les prétentions de responsabilité civile dérivant d'un accident; un tel for peut être constitué également par accord entre toutes les personnes lésées qui n'ont pas encore obtenu réparation du dommage (c. 2).
- 2. Demeure indécise notamment la question de savoir si le for ordinaire du lieu de l'accident l'emporte toujours sur un for subsidiaire lorsqu'une personne lésée se décide pour le for ordinaire (c. 3).
Regesto (it):
- Responsabilità del detentore di un veicolo a motore: foro delle azioni civili.
- 1. Art. 84 LCS. Questa disposizione intende creare un unico foro per tutte le pretese fondate sulla responsabilità civile in caso d'infortunio; tale foro può essere creato anche mediante accordo di tutte le parti lese che non sono state ancora risarcite (consid. 2).
- 2. Rimane indeciso, in particolare, se il foro ordinario del luogo dell'infortunio prevalga sempre su di un foro sussidiario quando una parte lesa opti per il foro ordinario (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 354
BGE 113 II 353 S. 354
A.- Am 26. November 1983 stiess auf einer Strassenverzweigung in Wettingen (AG) der Personenwagen des H. mit dem Wagen des A. zusammen, wobei beide Fahrzeuge beschädigt und einige Insassen leicht verletzt wurden. A. war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft, H. bei der Winterthur-Unfall für die Halterhaftpflicht versichert. Beide Fahrer wurden von der Kantonspolizei Aargau wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften verzeigt. Am 23. Mai 1985 klagte H. beim Bezirksgericht Zürich gegen die Zürich Versicherungs-Gesellschaft auf Zahlung von Fr. 3'000.-- nebst Zins. Er verlangte damit Ersatz für den an seinem Wagen entstandenen Schaden. Die Beklagte bestritt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Mit Entscheid vom 9. Dezember 1986 wies der Einzelrichter in Zivilsachen des Bezirksgerichts Zürich die Klage von der Hand. Er hielt dem Kläger entgegen, dass er gemäss Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
B.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 ff
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
BGE 113 II 353 S. 355
Vorliegend ist streitig, wer von der gesetzlichen Wendung "alle Geschädigten, die noch nicht abgefunden sind", erfasst wird. Einzelrichter und Beschwerdegegnerin sind der Auffassung, Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
BGE 113 II 353 S. 356
OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 1. Aufl. Bd. II S. 967/68). Bereits aus der Botschaft des Bundesrates vom 24. Juni 1955 zum Gesetzesentwurf (BBl 1955 II S. 1 ff.) erhellt, dass mit der Beschränkung auf den Unfallort nach der neuen Bestimmung die Nachteile beseitigt werden sollten, die sich aus der bisherigen Möglichkeit ergaben, über den gleichen Unfall an verschiedenen Orten Prozesse zu führen (S. 59). Die Bestimmung des Entwurfes (Art. 78) wurde von den eidgenössischen Räten wörtlich übernommen. Im Nationalrat wurde sie nur beiläufig erwähnt (Sten.Bull. NR 1957 S. 259/60), im Ständerat dagegen als "starke Abweichung vom bisherigen Recht" hervorgehoben und mit der Notwendigkeit einer zweckmässigen Vereinfachung begründet (Sten.Bull. StR 1958 S. 129). Mit dem einheitlichen Gerichtsstand des Unfallortes soll demnach erreicht werden, möglichst alle zivilrechtlichen Streitigkeiten, die ihren direkten Grund im Unfallgeschehen haben und nach haftpflichtrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen sind, in einem Verfahren zu erfassen (BGE 109 II 75 mit Zitaten). Der Halter des Fahrzeuges und sein Versicherer sind deshalb in der Regel an diesem Gerichtsstand zu belangen; das gilt auch für den Lenker, wenn er nicht mit dem Halter identisch ist (BGE 94 II 135/36). b) Eine andere Frage ist, wie es sich mit dem Sinn und Zweck der subsidiären Gerichtsstände gemäss Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
BGE 113 II 353 S. 357
prozessieren möchten (Sten.Bull. StR 1958 S. 129). Von diesem Beispiel zu einem subsidiären Gerichtsstand ist auch bei OFTINGER (3. Aufl. Bd. II/2 S. 692) die Rede. Entgegen BUSSY (SJK 921 Rz. 21 und 30) lässt sich deshalb nicht sagen, dass ein Geschädigter gemäss Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor. |
|
1 | Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor. |
2 | Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. |
3 | Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen. |
4 | Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls. |
5 | Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor. |
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1 | Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor. |
2 | Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. |
3 | Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen. |
4 | Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls. |
5 | Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes. |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
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BGE 113 II 353 S. 358
Gerichtsstand einigen; kommt eine Vereinbarung zustande, muss er sich nach Treu und Glauben aber bei seiner Zustimmung behaften lassen, sich folglich an den gleichen Gerichtsstand halten, gleichviel ob er nur Geschädigter oder auch Haftpflichtiger ist. OFTINGER (3. Aufl. Bd. II/2 S. 692) spricht bei den subsidiären Gerichtsständen denn auch von solchen, "die kraft Vereinbarung vorgesehen werden können (Satz 2)". Andernfalls ergäbe sich gerade im wohl häufigsten Fall, wo bei einem Zusammenstoss beide Fahrzeuge beschädigt werden und jeder Fahrer den andern dafür verantwortlich machen will, stets die Möglichkeit von zwei verschiedenen Gerichtsständen, was dem Grundgedanken der Neuerung aber zuwiderliefe. Wer als tatsächlich oder vermeintlich Geschädigter unbekümmert um die Zustimmung anderer Geschädigter an einem subsidiären Gerichtsstand klagt, tut dies daher auf eigenes Risiko. c) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass A. gegen die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers in Baden und damit am ordentlichen Gerichtsstand des Unfallortes auf Schadenersatz geklagt, der Beschwerdeführer sich dagegen ohne Rücksicht darauf für den subsidiären Gerichtsstand am Sitz der Versicherung entschieden hat, die für seinen Schaden aufzukommen hätte. Was der Beschwerdeführer mit dem Einwand, dass es keine Mehrheit von Geschädigten gebe, wenn wie hier zwei Fahrer einander gegenseitig schädigten, zur Verteidigung seiner Rechtsauffassung vorbringt, ist daher gegenstandslos. Sein Vorbehalt für Geschädigte, die zugleich als Haftpflichtige anzusehen seien, könnte höchstens dann von Bedeutung sein, wenn der Gerichtsstand am Wohnsitz eines Haftpflichtigen streitig wäre, ein Geschädigter dem andern also diesen Gerichtsstand aufzuzwingen suchte. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Streitig ist bloss, ob der Beschwerdeführer unbekümmert um den am ordentlichen Gerichtsstand hängigen Prozess am Sitz der Versicherung klagen durfte. Diese Frage durfte der Einzelrichter nach dem Gesagten verneinen, ohne Bundesrecht zu verletzen. Dass die Beschwerdegegnerin die örtliche Zuständigkeit nicht sogleich bestritten hat, hilft dem Beschwerdeführer nicht; ob dies noch in der Hauptverhandlung zulässig war, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts, dessen Anwendung das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht zu überprüfen hat.
3. Bei diesem Ergebnis braucht nicht entschieden zu werden, ob der ordentliche Gerichtsstand (Art. 84
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 84 |
BGE 113 II 353 S. 359
subsidiären nach Satz 2 überhaupt ausschliesst oder jedenfalls einem davon stets vorgeht, wenn aus dem Unfall bereits Klage am Unfallort erhoben worden ist. Offenbleiben kann ferner, ob ein subsidiärer Gerichtsstand auch durch Einlassung eines Haftpflichtigen begründet werden kann und wie es sich damit insbesondere verhält, wenn mehrere Haftpflichtige mit verschiedenen Wohn- oder Geschäftssitzen in Frage kommen.