113 Ib 411
63. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1987 i.S. X. AG gegen Einwohnergemeinde Bürchen und Burgergemeinde Bürchen (beteiligte Parteien) und gegen Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 31 Abs. 1
FPolG, Art. 24
und 26
FPolV.
- Interessenabwägung gemäss Art. 26
FPolV. Verweigerung der Rodungsbewilligung für die Anlage einer neuen Skipiste sowie einer Sesselbahn und eines Skiliftes, die Bestandteil des Ausbaukonzeptes bilden. Besondere Verhältnisse, wie sie im Fall Crans-Montana (BGE 112 Ib 195 ff.) gegeben waren, liegen hier nicht vor.
Regeste (fr):
- Art. 31 al. 1 LFor, art. 24 et 26 OFor.
- Pesée des intérêts selon l'art. 26 OFor. Refus de l'autorisation de défricher pour l'aménagement d'une nouvelle piste de ski et pour l'installation d'un télésiège et d'un téléski qui constituent des éléments du projet d'ensemble. Absence de circonstances particulières analogues à celles qui prévalaient dans la cause Crans-Montana (ATF 112 Ib 195 ss).
Regesto (it):
- Art. 31 cpv. 1 LVPF, art. 24 e 26 OVPF.
- Ponderazione degli interessi secondo l'art. 26 OVPF. Diniego del permesso di dissodamento per l'installazione di una nuova pista di sci e di un impianto di funivia e sciovia, che costituiscono elementi di un progetto globale. Assenza di circostanze particolari, analoghe a quelle esistenti nel caso di Crans-Montana (DTF 112 Ib 195 segg.).
Sachverhalt ab Seite 411
BGE 113 Ib 411 S. 411
Das Skigebiet der Gemeinde Bürchen erstreckt sich vom Raum Zenhäusern bis ins Gebiet Arb. Es umfasst vier Skilifte und einen Kinderschlepplift. Mit Eingabe vom 13. April 1984 stellte die X. AG mit Zustimmung der Burgergemeinde Bürchen als Waldeigentümerin das Gesuch um Rodung einer Fläche von 26980 m2 im Bawald, nämlich für einen im wesentlichen parallel zum oberen Teil des bestehenden Ronalpliftes verlaufenden Skilift 1680 m2, für eine Sesselbahn auf das Plateau der Moosalpe 5600 m2 und für eine von der Sesselbahn bediente, östlich der bestehenden Anlagen geplante Skipiste 19700 m2. Der Staatsrat und das Departement für Umwelt des Kantons Wallis beantragten dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), das ihm überwiesene Gesuch zu bewilligen. Aufgrund einer Abänderung der Linienführung der Sesselbahn wurde die dafür benötigte Rodungsfläche im Laufe des Verfahrens
BGE 113 Ib 411 S. 412
um etwa 700 m2 reduziert, sodass sich die beantragte Rodungsfläche letztlich auf insgesamt 26280 m2 belief. Anstelle einer Ersatzaufforstung wurde ein für Landschaftsschutzmassnahmen vorgesehener Geldersatz beantragt. Zum Rodungsgesuch haben die kantonale Kommission für Natur-, Landschafts- und Heimatschutz, das kantonale Büro für Tourismus, das kantonale Planungsamt, das Kantonsforstamt und das Kreisforstamt eine positive Vormeinung abgegeben. Mit Verfügung vom 23. Juni 1986 wies das EDI das Rodungsgesuch ab. Die X. AG hat mit Eingabe vom 24. Juli 1986 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Sie rügt eine Verletzung von Art. 26

Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid, mit welchem die Rodung von 26280 m2 Wald für die Anlage eines Skiliftes, eines Sesselliftes und einer Skipiste verweigert wurde, verletze Bundesrecht, indem das EDI zu Unrecht angenommen habe, die in Art. 26





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regionalen Verteilung zu erhalten. Das Gebot der Walderhaltung gilt ohne Rücksicht auf Zustand, Wert und Funktion des konkreten Waldes (Urteil des Bundesgerichts vom 18. Februar 1987 in ZBl 88/1987 S. 501 E. 3b; s. auch BGE 112 Ib 559 f. E. 3). Es bezieht sich auch auf kleine oder vernachlässigte Waldgrundstücke. Dementsprechend kann es nicht entscheidend sein, ob nur für eine kleine Fläche eines grösseren Waldes eine Rodung verlangt wird, sonst könnte in kleinen Stücken nach und nach Wald in erheblichem Ausmass seinem Zweck entfremdet werden (HANS DUBS, Rechtsfragen der Waldrodung in der Praxis des Bundesgerichts, Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, 1974, S. 285). Rodungen dürfen somit nur mit Bewilligung der zuständigen eidgenössischen oder kantonalen Behörde vorgenommen werden. Art. 26




bb) Der Rodung dürfen sodann keine polizeilichen Gründe - wie Gewässerschutz, Lawinen-, Erdrutsch- und Steinschlaggefahr - entgegenstehen (Art. 26 Abs. 2


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b) Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob die Vorinstanz die Interessenabwägung richtig vorgenommen hat (Art. 104 lit. a



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(BGE 112 Ib 202 E. 2d; BGE 108 Ib 174 E. 5b). Dieselbe Zurückhaltung hat das Bundesgericht in zwei Fällen aus dem Kanton Wallis geübt, wo es sich darum handelte, breite Schneisen in einen geschlossenen Wald zu schlagen, um für einen zwar bestehenden Kurort eine einzige Skipiste abseits der voraussehbaren baulichen Entwicklung des Ortes mit einer Skiliftanlage zu erschliessen (nicht publ. Urteil Visperterminen vom 6. Mai 1981), und wo im Hinblick auf die Erstellung von Anlagen für den Wintersport bereits früher umfangreiche Rodungen hatten vorgenommen werden müssen (Grächen, BGE 106 Ib 136 ff.).
3. Das EDI hat die Verweigerung der Rodungsbewilligung für die von der Beschwerdeführerin vorgesehene Skipiste nur mit dem kurzen Hinweis auf die Rodungsfläche und die von ihm dargelegte Bewilligungspraxis für Rodungen im Zusammenhang mit dem Ausbau von Wintersportanlagen begründet und die weiteren Rodungsvorhaben wegen des Zusammenhangs der Gesuche abgelehnt. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber ein überwiegendes Bedürfnis für die Rodung geltend, wie sie auch die übrigen Voraussetzungen für eine Rodungsbewilligung als gegeben erachtet. Mit dem Bau einer Sesselbahn und einer neuen Skipiste will die Beschwerdeführerin das Plateau der Moosalpe für Ski- und Nichtskifahrer als Erholungsgebiet besser zugänglich machen und eine neue, schneesichere Abfahrt über ein bisher nicht erschlossenes, östlich der bestehenden Anlagen befindliches Gebiet anlegen. Mit einem Schlepplift parallel zum oberen Teil des bestehenden Ronalpliftes I soll die heutige Anlage entlastet und zur Nutzung des Skipistenangebotes in den oberen Regionen im Frühling beigetragen werden. Gemäss Darstellung der Beschwerdeführerin dient das vorgesehene Projekt der Lösung der in den letzten Jahren festgestellten Unzulänglichkeiten, welche sich in der Hochsaison mit Wartezeiten von bis zu 30 Minuten und in schneearmen Wintern mit zu wenig Schnee im unteren Trasseebereich und einem Engpass in der bestehenden Abfahrt ausgedrückt hätten. Die Beschwerdeführerin hält dafür, dass das Projekt einer auf die Bedürfnisse der Region ausgerichteten touristischen Entwicklung entspreche. Polizeiliche Gründe, aus welchen die Rodungsbewilligung verweigert werden müsste, bestünden nicht; die Transportanlage und die neue Skipiste seien auf den nachgesuchten Standort angewiesen, und die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes würden berücksichtigt.
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a) Umstritten ist vorab, ob das für die neue Skipiste und die zudienende Sesselbahn sprechende Interesse gegenüber dem Interesse an der Walderhaltung überwiege. Diese einander gegenüberstehenden Interessen sind nicht direkt vergleichbar, sondern sie müssen aufgrund selbständiger Gewichtung gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass im vorliegenden Fall für die Walderhaltung nicht besondere forstpolizeiliche Gründe wie Lawinen-, Rutsch- und Windwurfgefahr von Bedeutung sind. Nebstdem trägt die beabsichtigte Anlage dem Landschaftsbild Rechnung, indem Rodungen grundsätzlich schräg zum Hang erfolgen sollen und so vom Dorf Bürchen aus gesehen nicht als vertikale Schneisen in Erscheinung treten würden. Der Standort der Skipiste kann aus allen diesen Gründen in topographischer Hinsicht nicht als ungünstig bezeichnet werden, wie dies auch der von der bundesgerichtlichen Delegation vorgenommene Augenschein gezeigt hat. Mit dieser Beurteilung ist ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis aber noch nicht ausgewiesen. Denn dass einem Gelände eine Eignung als Standort für eine touristische Anlage nicht abgesprochen werden kann und keine unmittelbar forstpolizeilichen Gründe einer Rodung entgegenstehen, könnte letztlich in so vielen ähnlichen Fällen geltend gemacht werden, dass die Rodung nicht mehr nur ausnahmsweise zu bewilligen wäre, sondern der Schutzgedanke von Art. 31 Abs. 1

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genügen, so müsste jede vernünftig geplante Rodung in einer waldreichen, stark besuchten Ortschaft des Wintertourismus bewilligt werden. Das aber wäre mit dem Sinn der heute geltenden Forstpolizeigesetzgebung nicht verträglich (s. vorstehende E. 2c; BGE 112 Ib 201 f. E. 2c und d; BGE 108 Ib 174 E. 5b). Die Beschwerdeführerin behauptet im übrigen - zu Recht - nicht, dass die Gemeinde Bürchen oder allenfalls die gesamte Region Bürchen-Eischoll durch eine Verweigerung der Rodungsbewilligung in ihrer Existenzgrundlage gefährdet würde (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 112 Ib 558 E. 2b). Dazu kommt, dass nach dem Gesuch der Beschwerdeführerin nicht nur eine kleinräumige Verbesserung einer bestehenden Abfahrt oder Verbindung innerhalb eines Skigebietes geschaffen, sondern eine neue Skipiste in einem bisher nicht erschlossenen Gebiet angelegt werden soll. Die Erteilung einer Rodungsbewilligung widerspräche deshalb der vom Bundesgericht bei neuen Skiabfahrten geübten Zurückhaltung (BGE 112 Ib 202 E. 2d; BGE 108 Ib 174 E. 5b). Das Bundesgericht hat denn auch im Fall Crans-Montana Gewicht auf den Verzicht auf die Anlage einer neuen Piste gelegt (BGE 112 Ib 202 f. E. 3). Im übrigen hat es damals eine Rodungsbewilligung nur aufgrund der durch die Skiweltmeisterschaften und die besonderen Verhältnisse bedingten Ausnahmesituation bestätigt. Derart besondere Verhältnisse, wie sie im Einzelfall Crans-Montana gegeben waren, liegen hier aber nicht vor, so dass sich dieser Fall nicht mit dem vorliegenden vergleichen lässt und die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag. Weder lassen sich besondere Gründe für die Schneesicherheit im unteren Bereich der vom bestehenden Skilift Ronalp I aus zu befahrenden Piste namhaft machen, noch geht es darum, dass mit Anpassungen und Verbesserungen von bestehenden Skipisten der aussergewöhnlichen Entwicklung einer ganzen Skiregion und den Interessen mehrerer Gemeinden ein für allemal Rechnung getragen werden kann. Festzustellen ist auch, dass die vorgesehene neue Skipiste in ihrem unteren Bereich auf dem oberhalb des Dorfes Bürchen gelegenen offenen Hang über mehrere hundert Meter wie die alte Piste verläuft und deshalb zumindest in diesem Bereich bei schlechten Schneeverhältnissen ebenfalls beeinträchtigt ist. Die Überbrückung der bestehenden Piste könnte im übrigen mit dem Ersatz des bestehenden Ronalpliftes I durch eine Sesselbahn erreicht werden. Das EDI hat unter diesen Umständen ein das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis für die Rodung zugunsten
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einer neuen Skipiste zu Recht verneint. Dass - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - die Vegetation im allgemeinen und das Waldareal im besonderen in den letzten 30 Jahren in wesentlichem Umfang zugenommen habe, ist aufgrund der Bedeutung, die die Forstgesetzgebung dem Wald beimisst (s. vorstehende E. 2a), unerheblich. Verhält es sich aber so, so kann die Ablehnung des Rodungsgesuches auch dann nicht in Frage gestellt werden, wenn keine polizeilichen Gründe gegen die Rodung sprechen und dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes an sich gebührend Rechnung getragen werden könnte.
b) Sowohl das seinerzeitige Rodungsgesuch als auch die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde bringen zum Ausdruck, dass es der Beschwerdeführerin bei den dem Gesuch zugrundeliegenden verschiedenen Anlagen um ein einheitliches Konzept geht. Als ein wesentlicher Zweck der Sesselbahn erscheint danach die Zudienung zur geplanten neuen Skipiste. Kann diese aber nach den vorstehenden Erwägungen nicht realisiert werden, so ist ebenfalls der Sinn für den Bau der Sesselbahn in Frage gestellt, wie das EDI zutreffend ausgeführt hat und was denn auch von seiten der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird. Auch mit Bezug auf den Bau der Sesselbahn hat das EDI dem Rodungsgesuch somit zu Recht nicht stattgegeben. c) Wie der im angefochtenen Entscheid zitierten Stellungnahme des Bundesamtes für Verkehr zu entnehmen ist, wäre als mögliche Erschliessungsalternative der Bau einer Sesselbahn als Ersatz des bestehenden Skiliftes Ronalp I und der Bau einer zusätzlichen Beschäftigungsanlage oberhalb der Waldgrenze denkbar. Da der Parallel-Skilift Teil des Ausbaukonzeptes bildet und dieses aufgrund der Ablehnung der Rodungen für Skilift und Sesselbahn neu zu überdenken ist, wobei auch die erwähnte Erschliessungsalternative zu prüfen sein dürfte, hat das EDI die Rodungsbewilligung für den Bau des Parallel-Skiliftes zumindest als im jetzigen Zeitpunkt verfrüht bezeichnet und ebenfalls abgelehnt. Gegen die betreffenden vorinstanzlichen Erwägungen werden von der Beschwerdeführerin zu Recht keine Gründe namhaft gemacht, welche eine teilweise Bewilligung des Rodungsgesuches, bezogen nur auf den Parallel-Skilift, zu rechtfertigen vermöchten. Inwieweit die vom Bundesamt für Verkehr ins Spiel gebrachte Erschliessungsalternative den finanziellen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin entspricht oder ein mit grösseren Rodungen verbundenes Projekt finanziell günstiger zu stehen käme, braucht vom Bundesgericht hier nicht geprüft zu
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werden, kann doch den finanziellen Interessen bei der Frage, ob an einer Rodung ein überwiegendes Bedürfnis besteht, von vornherein kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden (s. vorstehende E. 2a/aa; BGE 108 Ib 176). Die Ablehnung des Rodungsgesuches ist somit auch bezüglich des Schleppliftes in jeder Hinsicht zu Recht erfolgt.