BGE-113-IB-114
Urteilskopf
113 Ib 114
20. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Februar 1987 i.S. N. gegen Steuerverwaltung Baselland und Steuerrekurskommission Baselland (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 22bis lit. c
BdBSt; Weiterbildungskosten unselbständig Erwerbender.
- Begriff der für die Berufsausübung erforderlichen Weiterbildung. (Hier: Kosten eines im Ausland absolvierten Sprachkurses.)
Regeste (fr):
- Art. 22bis lettre c AIFD; frais nécessités par le perfectionnement de la formation d'un travailleur salarié.
- Notion de perfectionnement de la formation que requiert l'activité professionnelle. (Ici: frais d'un cours de langue effectué à l'étranger.)
Regesto (it):
- Art. 22bis lett. c DIFD; spese per il perfezionamento della formazione di una persona esercitante un'attività lucrativa dipendente.
- Nozione di perfezionamento della formazione richiesta dall'esercizio dell'attività professionale. (Nella fattispecie: spese per un corso di lingua effettuato all'estero.)
Sachverhalt ab Seite 114
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Der 1946 geborene N. besitzt einen kaufmännischen Lehrabschluss sowie das eidgenössische Buchhalterdiplom. Bis 30. April 1981 war er als Abteilungsleiter des Finanz- und Rechnungswesens der Firma Z. tätig. In dieser Eigenschaft unterstanden ihm ca. fünf bis sieben Mitarbeiter. Er verdiente zuletzt rund Fr. 74'000.-- (brutto) pro Jahr. Auf Verlangen der Arbeitgeberfirma musste er seine Stelle per Ende April 1981 aufgeben. Vom 6. Juli bis zum 26. September 1981 besuchte er daraufhin einen Französischkurs beim Eurozentrum Paris mit Kurs- und Unterkunftskosten im Betrag von Fr. 4'788.--. Nach der Rückkehr aus Paris fand er eine Stelle als Buchhalter bei der Treuhandfirma H., die er am 19. Oktober 1981
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antreten konnte. In dieser Firma, in der neben dem Chef und ihm zwei weitere Buchhalter, eine Halbtagssekretärin und zwei Lehrlinge tätig waren, rückte er nach einem Jahr zum Stellvertreter des Chefs auf. Im Jahre 1982 erzielte er ein jährliches Gehalt von Fr. 72'600.-- (brutto). In seiner Steuererklärung für die direkte Bundessteuer 1983/84 zog N. die Kosten des Französischkurses von Fr. 4'788.-- als Weiterbildungskosten von seinem Roheinkommen ab. Die zuständigen Steuerbehörden liessen diese Kosten im Veranlagungs- und Einspracheverfahren indessen nicht zum Abzug zu. Mit Entscheid vom 22. März 1985 wies die Steuerrekurskommission Baselland eine Beschwerde von N. gegen den Einsprache-Entscheid ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben die neue Stelle erst nach seinem Sprachaufenthalt gefunden, was zeige, dass er sich im Hinblick auf eine künftige Anstellung, die im Zeitpunkt des Sprachkurses noch gar nicht feststand, besondere Kenntnisse angeeignet habe; damit aber fehle der unmittelbare Zusammenhang zwischen Kosten und Erwerb, weshalb nicht Gewinnungskosten im Sinne von Art. 22bis Abs. 1

Erwägungen
Erwägungen:
1. a) Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. a

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Wohn- und Arbeitsort (Art. 22bis Abs. 1 lit. a








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sich nur kantonale Verwaltungsgerichte und Rekurskommissionen befasst zu haben (ASA 22, 386 ff., 23, 31 ff. und 164 ff. zu Art. 22 Abs. 1 lit. a



2. a) Nach dem Ingress von Art. 22bis Abs. 1





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Rz. 52; ZEHNDER, Die Behandlung der Kosten für Ausbildung und berufliche Weiterbildung im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Zürich 1985, S. 37 ff.; vgl. ebenso ASA 22, 386 ff.). b) Was unter erforderlichen Weiterbildungskosten zu verstehen ist, lässt sich dem Bundessteuerbeschluss nicht direkt entnehmen. In der Praxis der Rekurskommissionen und Verwaltungsgerichte zu den kantonalen und eidgenössischen Einkommenssteuern lässt sich zur Frage der erforderlichen Weiterbildung eine strengere und eine weitherzigere Auffassung feststellen. Nach der engeren Auffassung gelten nur diejenigen Weiterbildungskosten als erforderlich, deren Vermeidung den Steuerpflichtigen um seine bisherige berufliche Stellung bringen würde. Die weitherzigere Auffassung stützt sich auf die Tatsache, dass die Steuerbehörde nur schwer beurteilen kann, was zur Erhaltung der Berufsstellung an Weiterbildung absolut unerlässlich ist. Zu prüfen ist danach nur, ob die Weiterbildung objektiv mit dem gegenwärtigen Beruf im Zusammenhang steht (vgl. dazu HÖHN, a.a.O., S. 219 Rz. 54-56) bzw. ob deren Vermeidung dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, weil sonst die Erzielung des Einkommens allenfalls erschwert oder beeinträchtigt oder die Erhaltung der Einkommensquelle gefährdet worden wäre (Entscheide der Steuerrekurskommission des Kantons Zürich vom 4. Juli 1986, E. 1a, in StE 1987 B 27.6 Nr. 2, zum kantonalen Recht, und vom 18. Juni 1954, in ASA 23, 167 E. III, zur Wehrsteuer; vgl. auch ZEHNDER, a.a.O., S. 54 ff.). c) Die Frage, wann Weiterbildung im Sinne von Art. 22bis Abs. 1 lit. c



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Rolle, ob ein Betrieb auch ohne den in Frage stehenden Aufwand ausgekommen wäre und ob dieser Aufwand im Sinne einer rationellen und gewinnorientierten Betriebsführung zweckmässig war (vgl. dazu BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl., S. 212/3; GRÜNINGER/STUDER, Kommentar zum Basler Steuergesetz, Basel 1970, S. 461). Besteuert wird, was der Pflichtige an Einkommen erzielt hat, und nicht, was er bei einem wirtschaftlich richtigen Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Mittel hätte erzielen können (KÄNZIG, a.a.O., 2. Aufl., N. 5 zu Art. 22





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entsprechenden Besteuerung von Pflichtigen, die ihre Weiterbildungskosten selber zu tragen haben, und von anderen Berufstätigen, bei denen diese Kosten vom Arbeitgeber bezahlt, aber regelmässig auch dann nicht als Lohnbestandteil (Naturallohn) besteuert werden, wenn ihre Notwendigkeit diskutabel und die Pflicht des Arbeitgebers zur Bezahlung nach Art. 327a

SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 327a - 1 L'employeur rembourse au travailleur tous les frais imposés par l'exécution du travail et, lorsque le travailleur est occupé en dehors de son lieu de travail, les dépenses nécessaires pour son entretien. |

3. Die weitherzigere Auslegung des Begriffes der für die Berufsausübung erforderlichen Weiterbildung hat verschiedene Konsequenzen: a) Weiterbildung umfasst nicht nur Anstrengungen, den Stand bereits erworbener Fähigkeiten zu erhalten, sondern vor allem auch den Erwerb verbesserter Kenntnisse für die Ausübung des gleichen Berufs. Das war schon dem Gesetzgeber beim Erlass von Art. 22bis

Dies ist in der Lehre an sich unbestritten (HÖHN, a.a.O., S. 218 Rz. 53; ZEHNDER, a.a.O., S. 40 und vor allem S. 66). Allerdings wird zum Teil verlangt, von den Kosten der Weiterbildung seien sogenannte Berufsaufstiegskosten zu unterscheiden und nicht zum Abzug zuzulassen (MASSHARDT, a.a.O., 2. Aufl. 1985, N. 8d zu Art. 22bis



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baldigen Aufstieg absolviert, nicht jedoch wenn er Kurse (z.B. Fachkurse; vgl. schon Sten.Bull. NR 1954 S. 379) besucht, um bloss den bisherigen Beruf besser ausüben zu können oder darin allenfalls vom gelernten Fachmann zum Vorarbeiter bzw. Vorgesetzten einiger weniger (eventuell angelernter) Berufskollegen und Hilfskräfte befördert zu werden. b) Der unmittelbare ursächliche Zusammenhang mit einem ausgeübten Beruf besteht nur, wenn die Weiterbildung sich auf Kenntnisse bezieht, die bei der Berufsausübung verwendet werden. Das heisst indessen nicht, dass nur die Kosten für die Wahrung und Erweiterung spezifischer Berufs- und Fachkenntnisse abgezogen werden könnten. Sprachkenntnisse sind für die Berufsausübung in zahlreichen Bereichen wichtig. Sie aufzufrischen und zu verbessern kann für jeden, der sie in seinem Beruf verwendet, als notwendige Weiterbildung betrachtet werden, selbst wenn damit die Chance einer Lohnerhöhung oder einer Beförderung verbunden ist. Ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang mit der Berufsausübung fehlt jedoch dann, wenn Sprachkenntnisse nur für die persönliche Bereicherung - im Sinne kultureller Weiterbildung - erworben oder verbessert werden. c) Der unmittelbare ursächliche Zusammenhang der Weiterbildung mit der Berufstätigkeit muss auch in zeitlicher Hinsicht bestehen (ZEHNDER, a.a.O., S. 58). Weiterbildungskosten müssen daher für die Erzielung des Erwerbseinkommens in dem in der Berechnungsperiode ausgeübten Beruf an sich in der gleichen Berechnungsperiode aufgewendet worden sein, wobei aber der Zusammenhang mit der Berufstätigkeit in der unmittelbar vorangehenden oder anschliessenden Berechnungsperiode nicht unbeachtet bleiben darf. Der Steuerpflichtige, der seine Berufstätigkeit für einen Weiterbildungskurs unterbricht und sie nachher im gleichen Beruf wieder aufnimmt, muss auf jeden Fall die in der Berechnungsperiode angefallenen Kurskosten vom Erwerbseinkommen in derselben Berechnungsperiode abziehen können. Denn für eine Unterscheidung zwischen Weiterbildung, die neben der Erwerbstätigkeit berufsbegleitend stattfindet (Abendkurse, Wochenendkurse, Ferienkurse), und Weiterbildung, für die der steuerpflichtige Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub nimmt oder die er in der Zeit zwischen zwei Anstellungen im gleichen Beruf absolviert, bestehen weder sachliche Gründe noch eine gesetzliche Grundlage.
4. a) Die Steuerrekurskommission Baselland geht im angefochtenen Entscheid - entsprechend der im kantonalen Steuerrecht
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entwickelten Praxis (vgl. die in E. 1c zitierten Urteile) - von einem eng verstandenen Begriff der für die Berufsausübung erforderlichen Weiterbildung aus. Für das Bundesrecht ist diese Auffassung jedoch abzulehnen. Dies hätte allerdings nicht die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Folge, wenn der angefochtene Entscheid wenigstens im Ergebnis bundesrechtskonform wäre. b) Im Rahmen der weitherzigeren Auslegung von Art. 22bis Abs. 1 lit. c



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wird daher noch zu entscheiden haben, ob die verbesserten Französischkenntnisse (die man entgegen der in jenem Entscheid vertretenen Auffassung in der mehrsprachigen Schweiz nicht als "besondere Kenntnisse" von der beruflichen Weiterbildung ausnehmen kann) dem Beschwerdeführer bei der Ausübung seines Berufs dienlich sein konnten; ferner, ob es ihm allenfalls zumutbar war, auf das Auffrischen dieser Sprachkenntnisse zu verzichten, weil er nicht der Auffassung sein konnte, dass sonst die Erzielung des Einkommens in seinem Beruf in Zukunft erschwert oder beeinträchtigt sein könnte. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne dieser Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Répertoire des lois
AIN 22AIN 22bis
CO 327a
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat CO Art. 327a - 1 L'employeur rembourse au travailleur tous les frais imposés par l'exécution du travail et, lorsque le travailleur est occupé en dehors de son lieu de travail, les dépenses nécessaires pour son entretien. |
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