112 IV 34
10. Urteil des Kassationshofes vom 7. Januar 1986 i.S. Sch. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 262 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
1 Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, 2 Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. - Wegnahme eines künstlichen Teils (Goldzahnbrücke) eines Leichnams ohne Einwilligung des Berechtigten.
Regeste (fr):
- Art. 262 ch. 2 CP. Atteinte à la paix des morts.
- Soustraction sans l'assentiment des ayants droit d'une prothèse dentaire en or (bridge) sur un cadavre.
Regesto (it):
- Art. 262 n. 2 CP. Turbamento della pace dei defunti.
- Sottrazione senza il consenso degli aventi diritto di una protesi dentaria d'oro (ponte) da un cadavere.
Sachverhalt ab Seite 35
BGE 112 IV 34 S. 35
A.- Sch. ist seit 15 Jahren am Pathologischen Institut der Universität Bern als Präparator angestellt. Seine Hauptaufgabe besteht darin, autopsierte Leichen auf möglichst ästhetische Weise wiederherzustellen und zur Übergabe an die Angehörigen vorzubereiten. Ungefähr 1980/81 nahm er von einer Leiche eine Goldzahnbrücke weg und bewahrte dieses Objekt in der folgenden Zeit in seinem Büro auf. Sein Verhalten erklärte er damit, dass die herausragende Zahnbrücke, die er beim Präparieren der Leiche habe in den Mund zurückschieben wollen, abgebrochen sei. Er habe das Objekt dann aus wissenschaftlichem Interesse an sich genommen.
B.- Sch. wurde am 5. September 1984 durch den Gerichtspräsidenten VII von Bern von der Anschuldigung des Diebstahls und der Störung des Totenfriedens freigesprochen. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft wurde er vom Obergericht des Kantons Bern (2. Strafkammer) am 9. Juli 1985 der Störung des Totenfriedens im Sinne von Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 58 - 1 ...56 |
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1 | ...56 |
2 | Die therapeutischen Einrichtungen im Sinne der Artikel 59-61 sind vom Strafvollzug getrennt zu führen. |
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts führt Sch. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wer Teile eines Leichnams wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird gemäss Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 112 IV 34 S. 36
entzogen und in den Gewahrsam des Beschwerdeführers verbracht. Dass er die alleinige Verfügungsmöglichkeit erhalte, war der Zweck des Vorgehens des Täters. c) Sch. war zu dieser Wegnahme nicht berechtigt und handelte ohne die Zustimmung des Berechtigten. Da sich nicht eruieren lässt, von welcher Leiche die Goldzahnbrücke weggenommen wurde, muss offenbleiben, wer als Berechtigter in Frage kam. Für die strafrechtliche Subsumtion genügt die Feststellung, dass eine Einwilligung des Berechtigten, wer das auch immer gewesen sein mochte, nicht vorlag. Wider den Willen des Berechtigten erfolgt jede Wegnahme, die ohne Zustimmung der Personen erfolgt, denen die Bewahrung und die Obhut über den Leichnam zusteht (HAFTER, BT II, S. 473). Die zivilrechtliche Natur der "Berechtigten" braucht hier nicht abgeklärt zu werden. Ob eine sachenrechtliche oder eher eine persönlichkeitsrechtliche, allenfalls auch eine öffentlichrechtliche Betrachtungsweise zutrifft (vgl. hiezu BGE 98 Ia 521 ff., BGE 101 II 177), ist für die Anwendung von Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2. Die Tatbestandselemente, welche Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 112 IV 34 S. 37
Leichnam und die Asche des Toten gegen irgendwelche Zugriffe nicht berechtigter Personen. Die Wegnahme eines Leichnams oder eines Teils eines Leichnams oder der Asche ist unabhängig vom Motiv des Täters unter Strafe gestellt. Auch wenn Anhänger des Verstorbenen den Leichnam oder die Asche des Verstorbenen wider den Willen der Berechtigten (Angehörigen) wegnehmen, um die irdischen Überreste zum Gegenstand besonderer Verehrung machen zu können, so wäre dadurch der Straftatbestand des Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3. Der Beschwerdeführer hat durch die Wegnahme der Goldzahnbrücke als Unbefugter einen - wenn auch kleinen und unwesentlichen - Teil eines Leichnams weggenommen und damit den Tatbestand von Art. 262 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
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1 | Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt, |
2 | Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |