112 IV 121
36. Urteil des Kassationshofes vom 12. Januar 1987 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 23 Abs. 1
ANAG; leichter Fall.
- Bei der Beurteilung, ob ein leichter Fall im Sinne von Art. 23 Abs. 1
ANAG vorliegt, ist das gesamte Spektrum der durch die genannte Bestimmung erfassten Verhaltensweisen zu betrachten, und es ist zu berücksichtigen, dass die Privilegierung sich nicht nur auf "besonders" leichte Fälle bezieht. Die Handlungsweise eines Arbeitgebers, der einen einzelnen Ausländer ohne Bewilligung beschäftigte und beherbergte, kann (auch bei längerer Dauer des rechtswidrigen Zustandes) unter Umständen noch als leicht bezeichnet werden.
Regeste (fr):
- Art. 23 al. 1 LSEE; cas de peu de gravité.
- Pour décider si le cas est de peu de gravité au sens de l'art. 23 al. 1 LSEE, il faut envisager l'ensemble des comportements illicites visés par cette disposition et il faut veiller à ce que le traitement de faveur ne soit pas exclusivement réservé à des cas de "très" peu de gravité. Le comportement d'un employeur qui emploie et héberge un seul et unique étranger sans permis peut encore (même si la situation illicite a duré un temps relativement long) être taxé de peu de gravité, selon les circonstances.
Regesto (it):
- Art. 23 cpv. 1 LDDS; caso poco grave.
- Per decidere se il caso è poco grave ai sensi dell'art. 23 cpv. 1 LDDS, occorre considerare l'insieme dei comportamenti illeciti evocati da questa disposizione e tener conto del fatto che il trattamento di favore non è riservato a casi di "minima" gravità. Il comportamento di un datore di lavoro che occupa e alloggia un solo straniero privo di permesso può, secondo le circostanze, essere ancora ritenuto poco grave (anche se la situazione illecita s'è protratta per un tempo relativamente lungo).
Sachverhalt ab Seite 121
BGE 112 IV 121 S. 121
B. beschäftigte in der Zeit von August 1984 bis März 1986 den Portugiesen L. in seinem Restaurant in X. ohne die erforderliche Arbeitsbewilligung und stellte ihm von Oktober 1985 bis März 1986 ein Zimmer unentgeltlich zur Verfügung.
BGE 112 IV 121 S. 122
Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Landschaft sprach ihn deswegen am 11. Juni 1986 des Erleichterns "von rechtswidrigem Aufenthalt" sowie der Übertretung von Art. 3 Abs. 3
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Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdegegner hat unbestrittenermassen einen Ausländer beherbergt, ohne die gesetzliche Meldepflicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2
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BGE 112 IV 121 S. 123
Überweisungsbehörde und abweichend vom Antrag der Staatsanwaltschaft) von einer Freiheitsstrafe ab.
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Annahme des Obergerichts, es handle sich um einen leichten Fall im Sinne von Art. 23 Abs. 1
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a) Bei der Abgrenzung der leichten Fälle, in denen von der Ausfällung einer Gefängnisstrafe abgesehen werden kann, ist vom gesamten Spektrum der durch Art. 23 Abs. 1
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BGE 112 IV 121 S. 124
"leicht" gezogen. Dem Richter wird damit eine gewisse Wertung, ein Ermessensspielraum zugestanden. Beim pflichtgemässen Gebrauch dieses Ermessens wird er auch stets berücksichtigen, welche Rechtsfolge der Gesetzgeber von der normativen Grenze abhängig gemacht hat: Ein Fall, der nicht mehr als "leicht" erscheint, muss mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Der vorliegende Sachverhalt ist weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht so schwerwiegend, dass die Ausfällung einer Gefängnisstrafe sich als angemessene oder gar zwingende Konsequenz aufdrängen würde. Der Beschwerdegegner handelte aus einer gewissen Notlage heraus, da er einen anderen Küchenburschen ersetzen musste, mit dem er beträchtliche Schwierigkeiten hatte. Da im Gastgewerbe allgemein Mangel an Arbeitskräften herrschte und er sich demnächst aus dem Geschäft zurückziehen wollte, suchte er nicht mehr einen neuen Mitarbeiter, sondern stellte den bei ihm um Arbeit nachfragenden L. ein, der schon früher - mit Bewilligung - bei ihm tätig gewesen war. Dabei wollte sich der Beschwerdegegner nicht finanziell bereichern, da das Arbeitsverhältnis abgesehen von der fehlenden Bewilligung korrekt ausgestaltet und das Zimmer dem Portugiesen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Die Verfehlung des Beschwerdegegners lässt sich mit einer den Umständen und persönlichen Verhältnissen entsprechenden Geldstrafe in durchaus gerechter, der Tatschwere angemessener Weise ahnden. Indem das Obergericht den Fall noch als leicht bezeichnete und von einer Gefängnisstrafe absah, hat es den ihm bei der Anwendung von Art. 23 Abs. 1
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