112 II 433
70. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1986 i.S. W. Inkasso AG gegen A. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 27 Abs. 2 ZGB, 20 Abs. 2 OR. Nichtige Globalzession.
- 1. Tragweite des Bestimmtheitserfordernisses als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Globalzession künftiger Forderungen. Frage offengelassen (E. 2).
- 2. Eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Sicherungsabtretung im Rahmen einer Automiete verstösst gegen Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. 2 Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. - 3. Die aus der umfassenden Abtretung aller denkbaren Forderungen folgende Nichtigkeit schliesst eine auf bestimmte Forderungen beschränkte Teilnichtigkeit aus (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 27 al. 2 CC, 20 al. 2 CO. Cession globale entachée de nullité.
- 1. Portée de l'exigence du caractère déterminable des créances cédées en tant que condition d'admissibilité d'une cession de toutes les créances futures. Question laissée ouverte (consid. 2).
- 2. Une cession à fin de sûreté, faite dans le cadre d'une location de voiture, et qui n'est limitée ni dans le temps ni quant à son objet, contrevient à l'art. 27 al. 2 CC, ce qui entraîne sa nullité (consid. 3).
- 3. La nullité résultant de la cession portant sur toutes les créances éventuelles exclut une nullité partielle, restreinte à certaines créances (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 27 cpv. 2 CC, 20 cpv. 2 CO. Cessione globale nulla.
- 1. Portata del requisito del carattere determinabile dei crediti ceduti quale presupposto della validità di una cessione globale di crediti futuri. Questione lasciata indecisa (consid. 2).
- 2. Una cessione a scopo di garanzia, effettuata nel quadro della locazione di un'autovettura e non limitata nel tempo né per quanto concerne il suo oggetto, contrasta con l'art. 27 cpv. 2 CC ed è quindi nulla (consid. 3).
- 3. La nullità risultante dalla cessione di tutti i crediti eventuali esclude una nullità parziale limitata a determinati crediti (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 433
BGE 112 II 433 S. 433
A.- Von 1978 bis 5. März 1980 mietete S. von der P. AG drei Personenautos. Als Sicherheit zedierte er ihr seine sämtlichen gegenwärtigen und künftigen Guthaben und Forderungen. Im Januar 1980 wurde über S. der Konkurs eröffnet, wobei die P. AG zu
BGE 112 II 433 S. 434
Verlust kam. Diese trat in der Folge ihre Forderung samt Nebenrechten an die W. Inkasso AG ab. Am 7. Februar 1983 wandte sich die W. Inkasso AG an A. als Arbeitgeber von S.; sie gab ihm von der Lohnzession Kenntnis und forderte ihn auf, den das Existenzminimum von S. übersteigenden Betrag, einstweilen Fr. 1'400.-- monatlich, an die W. Inkasso AG abzuliefern. Auf deren Wunsch setzte das zuständige Betreibungsamt den Notbedarf der Familie S. auf Fr. 3'410.-- fest.
B.- Im November 1983 klagte die W. Inkasso AG beim Bezirksgericht Zürich gegen A. auf Zahlung von Fr. 13'464.05, entsprechend der Restschuld von S. aus Automiete. Das Bezirksgericht hat die Klage am 19. September 1984 abgewiesen, ebenso am 14. März 1986 das Obergericht des Kantons Zürich. Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ist erfolglos geblieben.
C.- Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung an das Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihre Klage gutzuheissen. Der Beklagte ersucht, die Berufung abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1. Für das Obergericht ist entscheidend, ob die eingeklagte Forderung seinerzeit rechtswirksam von S. an die P. AG abgetreten worden sei. Es geht im Grundsatz davon aus, dass auch künftige Forderungen abgetreten werden können. Mit der Abtretung aller künftigen Forderungen auf unbestimmte Zeit werde aber die wirtschaftliche Freiheit über Gebühr beschränkt und damit die Persönlichkeit verletzt. Auch mit der Berufung auf blosse Teilnichtigkeit könne die Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht durchdringen. Schliesslich sei die Zession mit der Konkurseröffnung über S. dahingefallen; die Miete habe nur etwa anderthalb Monate über diesen Zeitpunkt hinaus gedauert. Daraus folgt für die Vorinstanz die Abweisung der Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin. Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass Lehre und Rechtsprechung eine derartige Abtretung künftiger Forderungen durchaus zuliessen, dass allenfalls eine blosse Teilnichtigkeit anzunehmen wäre und dass die Zession auch die Konkurseröffnung überdauert habe.
2. Das Obergericht legt unter einlässlicher Prüfung von Lehre und Rechtsprechung dar, dass die Abtretung einer Forderung, die
BGE 112 II 433 S. 435
erst in der Zukunft entsteht, zulässig ist, wenn sie hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist und überdies der Zedent durch die Abtretung nicht übermässig in seiner wirtschaftlichen Freiheit und damit in seiner Persönlichkeit eingeschränkt wird (Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 112 II 433 S. 436
3. Wie schon für das Obergericht erübrigt es sich auch für das Bundesgericht, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, wenn sich die Zession schon aufgrund der Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 325 - 1 Zur Sicherung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungspflichten kann der Arbeitnehmer künftige Lohnforderungen so weit abtreten oder verpfänden, als sie pfändbar sind; auf Ansuchen eines Beteiligten setzt das Betreibungsamt am Wohnsitz des Arbeitnehmers den nach Artikel 93 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889118 unpfändbaren Betrag fest. |
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1 | Zur Sicherung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungspflichten kann der Arbeitnehmer künftige Lohnforderungen so weit abtreten oder verpfänden, als sie pfändbar sind; auf Ansuchen eines Beteiligten setzt das Betreibungsamt am Wohnsitz des Arbeitnehmers den nach Artikel 93 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889118 unpfändbaren Betrag fest. |
2 | Die Abtretung und die Verpfändung künftiger Lohnforderungen zur Sicherung anderer Verbindlichkeiten sind nichtig. |
BGE 112 II 433 S. 437
Angewandt auf den vorliegenden Fall ergibt sich daher die Nichtigkeit der streitigen Abtretungserklärung wegen Verstosses gegen Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
4. Für die Klägerin steht denn auch das Argument im Vordergrund, dass der Verstoss gegen Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
BGE 112 II 433 S. 438
usw.) beziehe (zum Umfang der Lohnabtretung auch STAEHELIN, N. 10 zu Art. 325
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 325 - 1 Zur Sicherung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungspflichten kann der Arbeitnehmer künftige Lohnforderungen so weit abtreten oder verpfänden, als sie pfändbar sind; auf Ansuchen eines Beteiligten setzt das Betreibungsamt am Wohnsitz des Arbeitnehmers den nach Artikel 93 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889118 unpfändbaren Betrag fest. |
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1 | Zur Sicherung familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungspflichten kann der Arbeitnehmer künftige Lohnforderungen so weit abtreten oder verpfänden, als sie pfändbar sind; auf Ansuchen eines Beteiligten setzt das Betreibungsamt am Wohnsitz des Arbeitnehmers den nach Artikel 93 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889118 unpfändbaren Betrag fest. |
2 | Die Abtretung und die Verpfändung künftiger Lohnforderungen zur Sicherung anderer Verbindlichkeiten sind nichtig. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
5. Bei diesem Ausgang kann offenbleiben, ob die Klage auch deshalb abzuweisen wäre, weil die Klägerin ihre Ansprüche aus der Zession erst etwa drei Jahre nach Ablauf der Mietverträge und nach dem Konkurs von S. geltend gemacht hat.