112 Ib 176
31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Juni 1986 i.S. R. und M. gegen Eidgenössisches Militärdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Eigentumsgarantie, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. - Behauptet jemand, es werde durch übermässige, von einem öffentlichen Werk ausgehende Immissionen in seine nachbarlichen Abwehrrechte eingegriffen und ihm hiefür eine Enteignungsentschädigung geschuldet, so ist ihm aufgrund der Eigentumsgarantie und von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
Regeste (fr):
- Garantie de la propriété, art. 6 par. 1 CEDH; droit à un juge, ouverture de la procédure d'expropriation.
- En vertu de la garantie de la propriété et de l'art. 6 par. 1 CEDH, l'accès à un juge et donc, en cas d'expropriation de droit fédéral, à la Commission fédérale d'estimation doit être offert à celui qui prétend être lésé dans ses droits de voisin par des immissions excessives résultant d'un ouvrage public et avoir dès lors droit à une indemnité d'expropriation (consid. 3a-c). Exceptions (consid. 3b).
Regesto (it):
- Garanzia della proprietà, art. 6 n. 1 CEDU; diritto di adire un giudice, apertura della procedura d'espropriazione.
- In virtù della garanzia della proprietà e dell'art. 6 n. 1 CEDU, dev'essere data la possibilità di adire un giudice, e pertanto, in caso di espropriazione, la Commissione federale di stima, a chi pretende d'essere leso nei suoi diritti di vicino da immissioni eccessive risultanti da un'opera pubblica e di poter quindi esigere un'indennità per espropriazione (consid. 3a-c). Eccezioni (consid. 3b).
Sachverhalt ab Seite 176
BGE 112 Ib 176 S. 176
Frau R. und die Eheleute M. wandten sich im März 1984 als Eigentümer bzw. Mieter zweier Grundstücke in Rothenthurm an das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) und ersuchten dieses um Einleitung eines Verfahrens zur Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte. Sie machten geltend, seit einiger Zeit würden in
BGE 112 Ib 176 S. 177
nächster Nähe ihrer Liegenschaften in zunehmendem Masse Schiessübungen, insbesondere auch Nachtschiessen, durchgeführt, die zivilrechtlich nicht geduldet werden müssten. Hierauf teilte das EMD den Gesuchstellern mit, dass es nicht bereit sei, ein Enteignungsverfahren einleiten zu lassen, da nichts für die Annahme übermässiger Immissionen spreche. Soweit es überhaupt Beeinträchtigungen gebe - während des bereits seit zwanzig Jahren dauernden Schiessbetriebes seien nämlich nie Reklamationen eingegangen - seien diese nicht übermässig und daher von den Betroffenen entschädigungslos zu dulden.
Frau R. und die Eheleute M. haben die Weigerung des Departementes, bei der Eidgenössischen Schätzungskommission um Verfahrenseröffnung zu ersuchen, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten, welche vom Bundesgericht gutgeheissen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. In der Sache selbst machen die Beschwerdeführer als Grundeigentümer bzw. Mieter geltend, sie seien übermässigen Immissionen - verursacht durch den Schiessbetrieb auf dem Schiessplatz Cholmattli - ausgesetzt und würden dadurch in ihren Nachbarrechten verletzt. Das EMD bestreitet, dass in nachbarliche Abwehransprüche eingegriffen werde, stellt jedoch nicht in Abrede, dass es für die Gesuchsteller ausgeschlossen sei, diesen Streitpunkt gestützt auf Art. 679
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 679 - 1 Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen. |
|
1 | Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen. |
2 | Entzieht eine Baute oder eine Einrichtung einem Nachbargrundstück bestimmte Eigenschaften, so bestehen die vorstehend genannten Ansprüche nur, wenn bei der Erstellung der Baute oder Einrichtung die damals geltenden Vorschriften nicht eingehalten wurden.597 |
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 684 - 1 Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
|
1 | Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. |
2 | Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.610 |
BGE 112 Ib 176 S. 178
BGE 81 I 347 ff.; vgl. auch BGE 101 Ib 283, BGE 98 Ia 33). Der Weg zum Richter muss in gleicher Weise gewährleistet sein, wenn eine formelle Expropriation in Frage steht. Da wie dargelegt das Enteignungsverfahren nur auf Begehren des Enteigners eingeleitet werden kann, ist dieser verpflichtet, seinerseits die Voraussetzungen zur Verfahrenseröffnung durch die Eidgenössische Schätzungskommission zu schaffen, und zwar im Falle angeblicher Nachbarrechtsverletzungen auch dann, wenn er den Eingriff bestreitet, weil die Schätzungskommission nicht nur über die Höhe der allfälligen Entschädigung, sondern auch darüber zu entscheiden hat, ob überhaupt nachbarliche Abwehransprüche bestünden und in sie eingegriffen worden sei (BGE 108 Ib 494, BGE 101 Ib 58, 289, BGE 94 I 299). Übrigens findet heute der Anspruch des Bürgers, Entschädigungsbegehren für Eingriffe des Enteigners in Nachbar- und andere Rechte einem Gericht unterbreiten zu können, eine weitere Grundlage in Art. 6
![](media/link.gif)
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
![](media/link.gif)
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
BGE 112 Ib 176 S. 179
Bundesgericht auf Beschwerde des Gesuchstellers über diese Rechtsfragen mit voller Kognition aussprechen kann und damit der Rechtsweg garantiert bleibt (BGE 110 Ib 379 mit Hinweisen auf weitere Urteile); das gleiche gilt für den Fall, dass sofort feststeht, dass die Schätzungskommission von der Sache her für die Beurteilung der gestellten Begehren nicht zuständig sein kann (BGE 112 Ib 126 E. 3). c) Das EMD gibt schliesslich zu bedenken, ein allzu leichter Zugang zu den Schätzungskommissionen könnte zu unzähligen, zum Teil missbräuchlich eingeleiteten Verfahren führen. Diese Befürchtung ist vielleicht nicht vollständig unbegründet, für den Ausgang des Verfahrens jedoch unerheblich. Übrigens liegt im Umstand, dass das EMD hier als Enteigner das Seine für die Verfahrenseröffnung zu unternehmen hat, damit die Gesuchsteller ihre Forderungen dem Richter unterbreiten können, keinerlei Anerkennung dieser Begehren. In diesem Zusammenhang kann auch daran erinnert werden, dass in Fällen wie dem vorliegenden das Verfahren im Interesse der Enteigneten eingeleitet und deshalb zu prüfen sein wird, ob und inwieweit die Regel, wonach grundsätzlich der Enteigner die Verfahrenskosten zu tragen hat, ebenfalls anzuwenden ist (vgl. BGE 111 Ib 98 f.).