111 V 329
62. Urteil vom 16. September 1985 i.S. Güttinger gegen OSKA-Krankenversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Rückforderung von Krankenkassenleistungen. Rechtskräftig verfügte Geldleistungen können auch auf dem Gebiet der sozialen Krankenversicherung nur unter den Voraussetzungen zurückgefordert werden, wie sie für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen gelten. Das gilt auch dann, wenn die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen formlos verfügt worden sind (Erw. 1).
- Art. 14 Abs. 4
und 6
KUVG: Krankengeld bei Mutterschaft.
- - Eine Krankenkasse darf nur dann ohne Einwilligung des Mitgliedes die Krankengeldversicherung aufheben oder die Deckung vermindern, wenn dieses am Fortbestand oder am bisherigen Mass der Versicherung vernünftigerweise kein Interesse mehr haben kann (Erw. 2b).
- - Für die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 4
KUVG ist die Absicht einer endgültigen Erwerbsaufgabe oder einer definitiven Verminderung der Erwerbstätigkeit vorauszusetzen (Erw. 2b).
- - Ist die Einhaltung des Vierwochentermins gemäss Art. 14 Abs. 4
KUVG streitig, so ist für die Berechnung vom ärztlich prospektiv ermittelten Geburtstermin auszugehen; es ist nicht vom tatsächlichen Geburtstermin an zurückzurechnen (Erw. 3a).
- - Die Versicherte kommt auch dann in den Genuss der Vorzugsbehandlung, wenn sie die Vierwochenfrist gemäss Art. 14 Abs. 4
KUVG krankheitshalber nicht einhalten kann (Erw. 3b).
Regeste (fr):
- Restitution de prestations allouées par des caisses-maladie. Dans le domaine de l'assurance-maladie sociale également, la restitution de prestations en espèces accordées en vertu d'une décision entrée en force ne peut être exigée qu'aux conditions applicables à la reconsidération de décisions formellement passées en force. Cela vaut aussi lorsque les prestations à restituer n'ont pas été allouées par une décision formelle (consid. 1).
- Art. 14 al. 4 et 6 LAMA: Indemnité journalière en cas de maternité.
- - Une caisse-maladie n'a le droit de supprimer ou de réduire la couverture de l'assurance d'une indemnité journalière, sans le consentement de l'assurée, que lorsque cette dernière ne peut raisonnablement plus avoir d'intérêt au maintien de l'assurance ou de la couverture dont elle bénéficiait jusqu'alors (consid. 2b).
- - L'application de l'art. 14 al. 4 LAMA présuppose l'intention de cesser ou de réduire, définitivement, l'exercice d'une activité lucrative (consid. 2b).
- - En cas de contestation sur l'observation du délai de quatre semaines institué par l'art. 14 al. 4 LAMA, il faut opérer un calcul à partir de la date prévisible de la naissance qui a été déterminée par le médecin; on ne doit pas procéder à un calcul rétrospectif depuis le jour effectif de la naissance (consid. 3a).
- - L'assurée bénéficie également du droit préférentiel lorsqu'elle ne peut, pour raison de maladie, observer le délai de quatre semaines prévu à l'art. 14 al. 4 LAMA (consid. 3b).
Regesto (it):
- Restituzione di prestazioni delle casse-malati. Prestazioni in denaro accordate in virtù di decisioni passate in giudicato possono essere pretese in restituzione anche nel settore dell'assicurazione sociale contro le malattie quando sono dati i presupposti del riesame di decisioni cresciute in forza formale di giudicato. Ciò vale anche se le prestazioni oggetto di restituzione non sono state erogate per decisione formale (consid. 1).
- Art. 14 cpv. 4 e 6 LAMI: Indennità giornaliera in caso di maternità.
- - Una cassa-malati ha la facoltà di ridurre la copertura dell'assicurazione dell'indennità giornaliera, senza il consenso dell'assicurata, solo quando quest'ultima non ha un ragionevole interesse al mantenimento di tale assicurazione o alla copertura di cui fruiva in precedenza (consid. 2b).
- - L'applicazione dell'art. 14 cpv. 4 LAMI presuppone l'intenzione di cessare o di ridurre in modo definitivo l'esercizio di un'attività lucrativa (consid. 2b).
- - In caso di contestazione sul rispetto del termine di quattro settimane stabilito dall'art. 14 cpv. 4 LAMI, si deve eseguire il calcolo partendo dalla data della nascita come determinata dalle previsioni del medico; non si può procedere al calcolo a ritroso dal momento effettivo della nascita (consid. 3a).
- - L'assicurata beneficia ugualmente del diritto preferenziale quando per ragioni di malattia non può rispettare il termine di quattro settimane previsto dall'art. 14 cpv. 4 LAMI (consid. 3b).
Sachverhalt ab Seite 330
BGE 111 V 329 S. 330
A.- Regula Güttinger war bei der OSKA-Krankenkasse für ein Krankengeld von Fr. 50.-- versichert. Sie führt ein kleines
BGE 111 V 329 S. 331
Wollwarengeschäft. Auf anfangs Oktober 1982 legte sie im Hinblick auf die bevorstehende Geburt die Arbeit im Verkauf nieder. Die Geburt fand am 9. November 1982 statt. Auf Anfrage der Kasse teilte Regula Güttinger am 21. Dezember 1982 mit, dass sie seit dem 1. Oktober 1982 "keine bezahlte Arbeit verrichte" (vorgedruckter Formularteil). In der Folge richtete die Kasse insgesamt 70 Taggelder zu Fr. 50.-- aus (Art. 14 Abs. 6
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B.- Hiegegen erhob Regula Güttinger Beschwerde und beantragte sinngemäss die Aufhebung der Verfügung vom 11. August 1983. In der Begründung machte sie unter anderem geltend, sie habe ihre Arbeit aus medizinischen Gründen bereits auf Ende September 1982 niedergelegt. Sie betreibe sodann nach wie vor ihr eigenes Wollwarengeschäft und habe ab Oktober 1982 bezahlte Aushilfskräfte beigezogen. Mit Entscheid vom 1. November 1983 wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
C.- Regula Güttinger lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, "die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 11. August 1983 sowie das angefochtene Urteil seien aufzuheben und es sei die Taggeldversicherung per 1. Februar 1983 von Fr. 50.-- auf Fr. 5.-- zu reduzieren ... und von der Rückerstattung der ab 1. Oktober 1982 ausgerichteten Taggelder im Betrage von Fr. 3150.-- abzusehen..."
BGE 111 V 329 S. 332
Die Kasse beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Gutheissung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 43 der Statuten der Krankenkasse OSKA und konstanter Rechtsprechung (BGE 103 V 153, BGE 102 V 99 Erw. 1; RSKV 1982 Nr. 490 S. 131 Erw. 1b und 1981 Nr. 439 S. 48 Erw. 4 mit Hinweisen) sind unrechtmässig bezogene Kassenleistungen vom Mitglied zurückzuerstatten. Dabei ist zu beachten, dass auch auf dem Gebiet der sozialen Krankenversicherung eine rechtskräftig verfügte Geldleistung nur unter den Voraussetzungen zurückgefordert werden kann, wie sie für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen gelten (RKUV 1984 Nr. K 578 S. 109 Erw. 2a). Die Verwaltung kann eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand einer materiellen gerichtlichen Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 110 V 178 Erw. 2a mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen formlos verfügt worden sind (BGE 107 V 181 Erw. 2a, BGE 102 V 17 Erw. 3a; RKUV 1984 Nr. K 578 S. 109 Erw. 2a; RSKV 1982 Nr. 514 S. 276 Erw. 5).
2. a) Nach Art. 14 Abs. 1
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BGE 111 V 329 S. 333
Taggeldanspruchs verlustig geht, obwohl möglicherweise jahrelang verhältnismässig hohe Krankengeldprämien bezahlt worden waren (BBl 1961 I 1437). b) Art. 14 Abs. 4
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BGE 111 V 329 S. 334
1982 fest, dass die Beschwerdeführerin nach vorübergehender gänzlicher Arbeitsniederlegung ihre frühere Tätigkeit inskünftig nur noch in geringem Umfange ausüben würde. Als Ersatz sollte Verkaufspersonal eingestellt werden. Um diesen veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, stufte die Kasse das Krankengeld auf Fr. 5.-- herab, was an sich durchaus folgerichtig war, nachdem die Beschwerdeführerin die in der neuen erwerblichen Lage benötigte Versicherung mit diesem Betrag angegeben hatte. Das war indessen nur zulässig, wenn die Beschwerdeführerin den Vierwochentermin gemäss Art. 14 Abs. 4
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3. a) Die Beschwerdeführerin hat im Kassenverfahren eingewendet, sie habe die Arbeit deswegen bereits am 1. Oktober 1982 aufgegeben, weil ihr Arzt den Zeitpunkt der Niederkunft rechnerisch auf anfangs November 1982 festgelegt habe. Tatsächlich ist die Vierwochenfrist erfüllt, wenn auf den vorausberechneten Geburtstermin abgestellt wird. Gemäss ärztlicher Schwangerschaftstabelle hätte die Niederkunft termingerecht am 1. November 1982 erfolgen sollen. Zwar gab die Beschwerdeführerin den Zeitpunkt der Erwerbsaufgabe verschiedentlich mit dem 1. Oktober 1982 (Freitag) an. Doch wollte sie damit, wie aus ihrem Schreiben an die Kasse vom 8. März 1983 zu schliessen ist, zum Ausdruck bringen, dass die Berufsarbeit auf das erste Wochenende im Oktober eingestellt worden sei. Damit verblieben bis Ende Oktober genau vier Wochen. Die Kasse ist auf dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht näher eingegangen, weil sie offenbar der Meinung war, dass nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 4
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BGE 111 V 329 S. 335
lässt sich keine einleuchtende und vernünftige Begründung finden. Von einer Versicherten kann auch nicht verlangt werden, dass sie über den aufgrund der ärztlichen Schätzungen ermittelten Vierwochentermin hinaus arbeite, um damit sicherheitshalber allfälligen Verzögerungen der Niederkunft Rechnung zu tragen. Nach Art. 14 Abs. 4
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BGE 111 V 329 S. 336
Massgeblichkeit des Zeitpunkts vier Wochen vor der tatsächlichen Niederkunft für den Leistungsbeginn gemäss Art. 14 Abs. 6
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4. Das Bestehen einer bestimmten Versicherungsdeckung beim Krankengeld bedeutet nicht, dass in einem Schadenfall ohne weiteres auch die entsprechenden Leistungen ausgerichtet werden. Weitere Voraussetzung ist vielmehr das Vorliegen einer abzugeltenden Einkommens- oder Vermögenseinbusse. Sonst läge mit der Gewährung des versicherten Krankengeldes eine nach Art. 26 Abs. 1
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Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. November 1983 und die Verfügung der OSKA-Krankenkasse vom 11. August 1983 aufgehoben.