111 IV 134
35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. August 1985 i.S. St. c. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 - Wer durch Checkkarte garantierte Checks (Eurochecks) trotz Fehlens einer Deckung verwendet, erfüllt den Tatbestand des Betrugs nicht (E. 5a-d). Der Tatbestand der Veruntreuung ist ebenfalls nicht erfüllt (E. 5f). Betrug kann aber dann vorliegen, wenn der Täter bereits bei der Eröffnung des Lohnkontos bzw. bei der Entgegennahme des Checkhefts den Willen hatte, die garantierten Checks missbräuchlich zu verwenden (E. 5h).
Regeste (fr):
- Art. 148 CP; usage abusif de cartes de garantie.
- Celui qui émet des chèques sans provision en faisant usage d'une carte de garantie (Eurochèques) ne se rend pas coupable d'escroquerie (consid. 5a à d). Il ne commet pas non plus un abus de confiance (consid. 5f). Il peut toutefois y avoir escroquerie, lorsque l'auteur, en ouvrant son compte salaire, soit en recevant le carnet de chèques, avait la volonté d'employer abusivement les chèques faisant l'objet de la garantie (consid. 5h).
Regesto (it):
- Art. 148 CPL; uso abusivo di carte di garanzia.
- Chi emette assegni senza provvigione facendo uso di una carta di garanzia (Eurochèques) non si rende colpevole di truffa (consid. 5a-d) né di appropriazione indebita (consid. 5f). Una truffa è tuttavia ravvisabile laddove l'agente, al momento di aprire il suo conto salario o di ricevere il libretto degli assegni, avesse l'intenzione di servirsi abusivamente degli assegni oggetto della garanzia (consid. 5h).
Erwägungen ab Seite 135
BGE 111 IV 134 S. 135
Aus den Erwägungen:
5. a) Am 5. Juni 1979 eröffnete der Beschwerdeführer bei der St. Gallischen Creditanstalt, St. Gallen, ein Lohnkonto, indem er Fr. 5.-- einlegte. Gleichzeitig liess er sich ein Eurocheckheft aushändigen. In der Folge verzeichnete das Konto am 29. Oktober 1979 eine Einlage von Fr. 2933.20, die aber vom Kontoinhaber bereits am 30. Oktober 1979 wieder bezogen wurde. Obwohl nun auf dem Konto lediglich noch ein Habensaldo von Fr. 5.-- bestand, stellte der Beschwerdeführer in der Zeit vom 20. März bis zum 21. Mai 1980 sieben Eurochecks über insgesamt Fr. 2044.20 aus. Trotz Mahnung der Bank deckte er den entstandenen Sollsaldo nicht ab. Im nachfolgenden Betreibungsverfahren erhielt die Bank einen Pfändungsverlustschein. Der Beschwerdeführer macht gegen seine Verurteilung wegen Betrugs geltend, die Bank habe die minimalsten Vorkehren zur Überprüfung seiner Zahlungsfähigkeit und seines Zahlungswillens unterlassen; eine Kontrolle sei umso eher geboten gewesen, als ein Lohnkonto mit einem Betrag von lediglich Fr. 5.-- eröffnet wurde; im übrigen sei das Überziehen derartiger Konti geschäftsüblich. Nach den Ausführungen des Kantonsgerichts stellen Abhebungen von einem ungedeckten Konto im Eurochecksystem "gemäss Praxis" eine arglistige Täuschung dar und sind auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des Betrugs erfüllt. Das Gericht verweist zur Begründung auf ein Urteil der II. Strafkammer des Zürcher Obergerichts vom 29. April 1980 (ZR 1980 Nr. 97), dessen
BGE 111 IV 134 S. 136
Erwägungen es teilweise wiedergibt, und es beruft sich zudem auf BGE 99 IV 75 ff. (Vorlage eines ungedeckten Postchecks zur Auszahlung).
b) Der Kassationshof hatte sich bis heute noch nie mit der strafrechtlichen Qualifikation der Verwendung von ungedeckten, durch Checkkarte garantierten Checks - um solche handelt es sich vorliegend - zu befassen. Das Zürcher Obergericht hat im bereits erwähnten Urteil (ZR 1980 Nr. 79) abweichend von der 1. Instanz Betrug angenommen. Die schweizerischen Autoren, die sich zur Frage äusserten, verneinen das Vorliegen von Betrug im wesentlichen mit der Begründung, dass den Checknehmer die Frage der Deckung nicht interessiere, da der Check (bis zum Betrag von Fr. 300.--) von der Bank garantiert ist, dass der Checknehmer sich mithin keine Vorstellungen über das Vorliegen oder das Fehlen einer Deckung mache und sich daher diesbezüglich nicht in einem Irrtum befinden könne (vgl. SCHUBARTH, Vom Vermögensstrafrecht zum Wirtschaftsstrafrecht, SJZ 75/1979 S. 187, NIKLAUS SCHMID, Missbräuche im modernen Zahlungs- und Kreditverkehr, Bankwirtschaftliche Forschungen Bd. 73, 1982, S. 59). In der BRD ist die Frage zwischen Rechtsprechung und Lehre kontrovers. Der Bundesgerichtshof qualifizierte in einem Urteil vom 26. Juli 1972 die Zahlung mit einem durch Checkkarte garantierten, ungedeckten Check als Betrug (nicht Untreue) (NJW 1973 63, NJW 1972 1904). Gleich entschied etwa das Oberlandesgericht Köln in einem Urteil vom 22. November 1977 (NJW 1978 713 f.). Die herrschende deutsche Lehre lehnt dagegen die Annahme von Betrug ab im wesentlichen mit der Begründung, dass der Checknehmer angesichts der Garantie der Bank sich nicht um die Deckung kümmern müsse, daher diesbezüglich keine bestimmten Vorstellungen habe und sich deshalb nicht in einem Irrtum befinde (LEIPZIGER KOMMENTAR (Lackner), N. 89, 321 zu § 263 (dt.)StGB; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, Kommentar, N. 50 zu § 263 (dt.)StGB; DREHER/TRÖNDLE, Kurzkommentar, N. 19 und N. 39 zu § 263 (dt.)StGB; RUDOLPHI/HORN/SAMSON, Kommentar, N. 61 zu § 263 (dt.)StGB; alle mit zahlreichen Hinweisen). c) In BGE 99 IV 75 ff. wurde die arglistige Täuschung damit begründet, dass, wie der Täter wusste, der Postbeamte gemäss allgemeiner Anordnung Auszahlungen aus dem Konto des ihm bekannten Kunden ohne Rückfrage beim Postcheckamt nach dem Umfang der Deckung vornimmt, falls es sich um Beträge von weniger als Fr. 2000.-- (heute Fr. 4000.--) handelt (S. 78). Wer
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als Kunde der Post wissentlich einen ungedeckten Postcheck vorlegt, nützt diese ihm bekannte Tatsache aus und verhält sich arglistig (S. 79). d) Der Eurochecknehmer ist im Unterschied zum Postbeamten, der in Vertretung der Post den Postcheck entgegennimmt, nicht daran interessiert zu wissen, ob der Eurocheck (bis zum garantierten Betrag von Fr. 300.--) gedeckt sei; denn er erhält das Geld von der bezogenen Bank auch bei Fehlen einer Deckung. Der Sinn der von der Bank gegebenen Garantie besteht gerade darin, den Checknehmer von der Sorge um das Vorhandensein der Deckung zu befreien. Der Checknehmer braucht sich um die Deckung nicht zu kümmern, und er muss diesbezüglich keine Abklärungen vornehmen. Die Bank sichert dem Checknehmer nicht nur Zahlung für den Fall zu, dass er auch bei Anwendung von Sorgfalt das Fehlen der Deckung nicht erkennen konnte, sondern sie befreit ihn von der Aufgabe, sich überhaupt irgendwelche Gedanken über die Deckung machen zu müssen. Denn nur dadurch wird das angestrebte Ziel, nämlich die Erleichterung der Zahlung mittels Eurochecks, erreicht. Der Checknehmer weiss nicht, ob eine Deckung vorhanden sei oder nicht, und er kann sich daher auch nicht in einem Irrtum befinden. Gewiss darf und wird er den Check nicht entgegennehmen, wenn er weiss, dass die Deckung fehlt. Daraus lässt sich indessen nach der zutreffenden Auffassung der herrschenden Lehre und entgegen den Meinungsäusserungen in Gerichtsentscheiden nicht der Schluss ziehen, wer den Eurocheck entgegennehme, vertraue darauf, dass der Check gedeckt sei. Aus der Tatsache, dass der Checknehmer den Check entgegennimmt, lässt sich nur ableiten, dass er um das Fehlen der Deckung nicht weiss, nicht aber, dass er positiv das Vorhandensein einer Deckung annimmt. e) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs kann auch nicht mit dem Verhältnis zwischen ihm und der bezogenen Bank im Zeitpunkt der Verwendung der Checks begründet werden. ... f) Auch der Tatbestand der Veruntreuung (Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
BGE 111 IV 134 S. 138
zu übertragen. Dass der Kontoinhaber, der über Eurochecks verfügt, die Möglichkeit hat, die Bank zur Zahlung von sein Guthaben übersteigenden Beträgen zu verpflichten, bedeutet nicht, dass die Bank dem Kontoinhaber mit der Aushändigung der Checks diesen Differenzbetrag anvertraut habe. Die faktisch bestehende Möglichkeit, die bezogene Bank in einem die Deckung übersteigenden Betrag zu verpflichten, ist kein "anvertrautes Gut" im Sinne von Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
BGE 111 IV 134 S. 139
- soweit dies nach dem kantonalen Verfahrensrecht zulässig ist - auch zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer allenfalls bei der Eröffnung des Lohnkontos bzw. beim Bezug der Eurochecks den Tatbestand des Betruges erfüllte.