111 II 72
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Mai 1985 i.S. A. gegen X. und Z. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 394 und 398 OR. Haftung des Architekten und des Bauingenieurs.
- 1. Art. 43 Abs. 4
und 63 Abs. 2
OG. Annahmen des kantonalen Richters über die Voraussehbarkeit oder Erkennbarkeit eines schädigenden Ereignisses; Tat- und Rechtsfragen (E. 3a).
- 2. Pflicht des Architekten, den Bauherrn auf die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung hinzuweisen, wenn der Bau mit besonderen Risiken verbunden ist, die er als Fachmann besser überblicken kann als der Bauherr. Beweislast bei Verletzung der Pflicht (E. 3d).
Regeste (fr):
- Art. 394 et 398 CO. Responsabilité de l'architecte et de l'ingénieur ayant collaboré à la construction.
- 1. Art. 43 al. 4 et 63 al. 2 OJ. Constatations du juge cantonal à propos du caractère prévisible ou reconnaissable de l'événement dommageable; questions de fait et de droit (consid. 3a).
- 2. Devoir de l'architecte d'attirer l'attention du maître de l'ouvrage sur l'utilité de contracter une assurance responsabilité civile lorsque la construction comporte des risques particuliers dont il peut, en tant que spécialiste, mieux se rendre compte que le maître de l'ouvrage. Fardeau de la preuve en cas de violation de ce devoir (consid. 3d).
Regesto (it):
- Art. 394 e 398 CO. Responsabilità dell'architetto e dell'ingegnere civile.
- 1. Art. 43 cpv. 4 e 63 cpv. 2
OG. Accertamenti del giudice cantonale circa il carattere prevedibile o riconoscibile dell'evento dannoso; questioni di fatto e di diritto (consid. 3a).
- 2. Obbligo dell'architetto di attirare l'attenzione del committente sulla necessità di stipulare un'assicurazione responsabilità civile ove la costruzione comporti rischi particolari di cui egli, quale specialista, può rendersi conto meglio del committente. Onere della prova in caso di violazione di tale obbligo (consid. 3d).
Sachverhalt ab Seite 73
BGE 111 II 72 S. 73
A.- Im Jahre 1977 liess A. unter der Leitung des Architekten X. in Schönried auf einer Parzelle, die in einem mässig ansteigenden Hang liegt, ein viergeschossiges Haus erstellen. Die Ingenieurarbeiten samt den Fundationen übertrug er der Firma Z. Die Baugrube mit einem Volumen vom 3800 m3 wurde im Juli/August ausgehoben; sie war an der Krone 30 und an der Sohle 10 m breit und wies bergseits eine 14 m hohe Böschung mit einer Neigung bis zu 60o auf. An dem etwa 18 m weiter oben gelegenen Ferienhaus des B. traten daraufhin Schäden auf, die mit dem Aushub der Baugrube zusammenhingen. A. wurde deswegen gestützt auf Art. 679
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 679 - 1 Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen. |
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1 | Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen. |
2 | Entzieht eine Baute oder eine Einrichtung einem Nachbargrundstück bestimmte Eigenschaften, so bestehen die vorstehend genannten Ansprüche nur, wenn bei der Erstellung der Baute oder Einrichtung die damals geltenden Vorschriften nicht eingehalten wurden.597 |
B.- Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die das Bundesgericht dahin gutheisst, dass es die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an den Appellationshof zurückweist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
(3.- Ausführungen darüber, dass bei der Beurteilung einer allfälligen Ersatzpflicht von der Sorgfalt eines gewissenhaften Architekten und Bauingenieurs auszugehen ist und dass das schädigenden Ereignis für die Beklagten nach der Annahme des Appellationshofes nicht, nach der Auffassung des Klägers dagegen voraussehbar gewesen ist.)
BGE 111 II 72 S. 74
a) Was eine Partei, die bei Erfüllung des Vertrages die Gegenpartei oder einen Dritten schädigt, bei Vertragsschluss über die Gefahr der Schädigung weiss, ist eine Tatfrage. Feststellungen des kantonalen Richters über solches Wissen sind daher gemäss Art. 63 Abs. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
Anders verhält es sich dagegen, wenn die Voraussehbarkeit oder Erkennbarkeit der Gefahr vom kantonalen Richter nicht zum Gegenstand der Beweisführung oder Beweislast gemacht, sondern ausschliesslich gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung beurteilt wird. Erfahrungssätze haben diesfalls die Funktion von Normen und werden daher im Berufungsverfahren den Rechtssätzen in dem Sinne gleichgestellt, dass ihre Anwendung vom Bundesgericht frei überprüft wird (BGE 107 II 274/75 und 69 II 425 mit Hinweisen). Um eigentliche Rechtsanwendung sodann geht es bei den Fragen, ob eine Partei bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die Gefahr rechtzeitig hätte erkennen müssen, was sie daraufhin hätte tun sollen, um einer Schädigung vorzubeugen, welcher Massstab dabei an die von ihr zu erwartende Sorgfalt anzulegen ist und wie es sich allenfalls mit dem Entlastungsbeweis gemäss Art. 97 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
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1 | Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
2 | Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45 |
BGE 111 II 72 S. 75
für das abenteuerliche Vorgehen entschlossen habe, klar auf die unkalkulierbaren Gefahren und die Notwendigkeit einer Bauherrenhaftpflichtversicherung hinzuweisen. Eine solche Pflicht des Architekten ist entgegen der Auffassung des Appellationshofes jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Bau wie hier mit besonderen Risiken verbunden ist, die der Fachmann aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung besser überblicken kann als der Bauherr. Sie wird in der seit 1. Januar 1977 geltenden SIA-Norm 118 für Bauarbeiten dem Unternehmer denn auch ausdrücklich auferlegt, wenn sich für den Bauherrn Dritten gegenüber besondere Haftungsrisiken ergeben, die er nicht selber erkennen kann (Art. 26 Abs. 2). Ihr Einschluss in die allgemeine Beratungspflicht des Architekten leuchtet hier um so mehr ein, als der Beklagte 1 im Rahmen eines Gesamtauftrages auch die Hauptverantwortung für die Baugrube übernommen hat. Nach dem angefochtenen Urteil hat zwischen dem Kläger und einem Mitarbeiter des Architekten ein Gespräch über eine Haftpflichtversicherung stattgefunden. Ob dem Kläger dabei vom Abschluss einer solchen Versicherung direkt abgeraten worden sei, hat der Appellationshof offengelassen, steht der Annahme einer Pflichtverletzung jedoch nicht entgegen. Der Beklagte 1 muss sich auch in diesem Zusammenhang sagen lassen, dass er die besonderen Risiken des aussergewöhnlichen Aushubes verkannt hat, sie bei gehöriger Aufmerksamkeit und Überlegung aber rechtzeitig hätte erkennen müssen. Es wäre alsdann seine Pflicht gewesen, den Kläger über die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung aufzuklären und ihm den Abschluss einer solchen zu empfehlen, auch wenn letztlich der Bauherr zu entscheiden hatte, ob er eine solche Versicherung abschliessen wolle oder nicht. Dass der Beklagte 1 eine Aufklärung offenbar nicht für nötig hielt, befreit ihn nicht; da er die Risiken sorgfaltswidrig falsch eingeschätzt hat, muss er sich die Unterlassung so oder anders anrechnen lassen. Daran ändert auch die Meinung der gerichtlichen Experten nichts, die im Ergänzungsgutachten erklärten, der Architekt habe seine Beratungspflicht nicht verletzt; dies gilt um so mehr, als sie im Hauptgutachten einräumten, den Bauherrn in Versicherungsfragen zu beraten, gehöre zu den Aufgaben des Architekten, der die Risiken des Bauvorhabens als Fachmann einzuschätzen habe. Eine Rechtsfrage abschliessend zu beurteilen, ist zudem nicht Sache gerichtlicher Experten. Bei der Verletzung der Beratungspflicht geht es ebenfalls um einen vertraglichen Haftungsgrund. Dem Beklagten 1 stand daher
BGE 111 II 72 S. 76
auch in diesem Punkt gemäss Art. 97 Abs. 1
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
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1 | Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
2 | Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |