111 II 186
40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1985 i.S. Osmo AG und Linard Casty & Co. AG gegen Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Graubünden (Berufung)
Regeste (de):
- BB vom 23. März 1961/21. März 1973 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB)
- 1. Ist ein Grundstück vor dem Inkrafttreten der "Lex Furgler" (1. Februar 1974) erworben, die Behördenklage gemäss Art. 22
BewB aber erst nach diesem Datum eingeleitet worden, so gilt die Verjährungsfrist von fünf Jahren der "Lex Furgler" (und nicht die Verjährungsfrist von zehn Jahren der "Lex von Moos"). Zu diesen fünf Jahren kommt noch die Zeitspanne hinzu, die zwischen dem widerrechtlichen Erwerb des Grundstücks und der Inkraftsetzung des neues Rechts verstrichen ist, was im Ergebnis bedeutet, dass die Verjährung nicht vor dem 1. Februar 1979 eintritt (E. 7) (Änderung der Rechtsprechung).
- 2. Stehen indessen im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen für die Strafverfolgung mehr als fünf Jahre zur Verfügung, so kann die Behördenklage bis zur Verjährung der Strafverfolgung angebracht werden (E. 8).
Regeste (fr):
- AF du 23 mars 1961/21 mars 1973 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger (AFAIE)
- 1. Si un fonds a été acquis avant l'entrée en vigueur de la "Lex Furgler" (1er février 1974), mais que l'action de l'art. 22 AFAIE n'a été introduite par l'autorité que postérieurement à cette date, c'est le délai de prescription de cinq ans prévu par la "Lex Furgler" qui s'applique (et non celui de dix ans de la "Lex von Moos"). A ce délai de cinq ans vient encore s'ajouter le laps de temps qui s'est écoulé entre l'acquisition illicite de l'immeuble et l'entrée en vigueur du nouveau droit, ce qui a pour résultat que la prescription n'est pas acquise avant le 1er février 1979 (c. 7) (changement de jurisprudence).
- 2. Lorsque la poursuite pénale peut être exercée plus de cinq ans après les actes délictueux commis dans le cadre de l'acquisition illicite, l'autorité cantonale peut intenter l'action en rétablissement de l'état de droit primitif tant que la prescription pénale n'est pas acquise (c. 8).
Regesto (it):
- DF del 23 marzo 1961/21 marzo 1973 sull'acquisto di fondi da parte di persone all'estero (DAFE)
- 1. Ove un fondo sia stato acquistato prima dell'entrata in vigore della "lex Furgler" (1o febbraio 1974) ma l'azione di cui all'art. 22 DAFE sia stata promossa solo dopo tale data, si applica il termine di prescrizione di cinque anni previsto dalla "lex Furgler" (e non quello di dieci anni della "lex von Moos"). A tale termine di cinque anni va aggiunto il periodo di tempo tra l'acquisto illecito del fondo e l'entrata in vigore del nuovo diritto, di guisa che la prescrizione non interviene prima del 1o febbraio 1979 (consid. 7) (cambiamento della giurisprudenza).
- 2. Ove l'azione penale possa essere esercitata oltre il termine di cinque anni dalla commissione degli atti punibili compiuti nel quadro dell'acquisto illecito, l'autorità cantonale può promuovere l'azione per il ripristino dello stato di diritto anteriore sino a che sia intervenuta la prescrizione dell'azione penale (consid. 8).
Sachverhalt ab Seite 187
BGE 111 II 186 S. 187
A.- Die Osmo AG schloss am 26. Mai 1971 einen Kaufvertrag über eine Teilparzelle im Ausmass von rund 3600 m2 zum Preis von Fr. 720'000.-- ab. Dieser Grundstückkauf wurde am 14. Juni 1971 in das Grundbuch eingetragen, wobei die erworbene Teilparzelle mit der neuen Nr. 679 aufgenommen wurde. In den Jahren 1972/73 überbaute die Osmo AG die Liegenschaft mit einem Mehrfamilienhaus und einer Autoeinstellhalle. Diese wurde mit Grundbucheintrag vom 6. September 1974 als selbständige Parzelle Nr. 692 von der Parzelle Nr. 679 abgetrennt. Für das auf der letzteren Parzelle stehende Mehrfamilienhaus begründete die Osma AG am 8. Februar 1979 Stockwerkeigentum. Elf Miteigentumsanteile wurden am 10. Oktober 1979 zum Gegenstand eines Kaufvertrags mit der Linard Casty & Co. AG, Zuoz. Indessen hat die Käuferin daran nie Eigentum erworben, weil sie es unterlassen hat, eine entsprechende Eintragung im Grundbuch zu veranlassen. Eigentum erworben hat die Linard Casty & Co. AG hingegen an 2/34 der Autoeinstellgarage auf der Parzelle Nr. 692.
B.- Nachträglich kamen Zweifel darüber auf, ob der Grundstückkauf durch die Osmo AG der Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland unterstanden hätte. Das Grundbuchinspektorat Graubünden forderte deshalb am 7. Februar 1980 die Osmo AG auf, verschiedene Auskünfte zu erteilen und entsprechende Unterlagen einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Osmo AG nur teilweise nach. Mit Verfügung vom 14. Juli 1982 stellte das Grundbuchinspektorat Graubünden fest, der Erwerb der Parzelle Nr. 679 zu Eigentum und der Erwerb von 42/68 Miteigentum an der Parzelle Nr. 692 in Celerina/Schlarigna durch die Osmo AG sowie die weiteren daran anknüpfenden Rechtsgeschäfte unterständen der Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland.
BGE 111 II 186 S. 188
Gleichzeitig verweigerte das Grundbuchinspektorat die entsprechende Bewilligung.
C.- Am 22. Mai 1981 leitete das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Graubünden - vorerst durch Anmeldung beim Vermittleramt des Kreises Oberengadin und hernach durch Prosequierung beim Bezirksgericht Maloja - Klage gegen die Osmo AG ein. Es verlangte die Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes oder die gerichtlich angeordnete öffentliche Versteigerung des von der Osmo AG erworbenen Eigentums bzw. Miteigentums an den Parzellen Nrn. 679 und 692, mit Ausnahme des Miteigentumsanteils Grundbuchblatt Nr. 50'659 des Grundbuchs von Celerina/Schlarigna. Die Linard Casty & Co. AG trat dem Verfahren als Intervenientin im Sinne von Art. 49 der Zivilprozessordnung des Kantons Graubünden (vom 20. Juli 1954; BR 320.000) bei. Mit Urteil vom 15. Juni 1983 hiess das Bezirksgericht Maloja die Klage gestützt auf Art. 13 Abs. 1
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D.- Eine Berufung der Osmo AG (mit Streitbeteiligung der Linard Casty & Co. AG) gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Maloja wies das Kantonsgericht von Graubünden am 5. Juni 1984 ab.
E.- Sowohl die Osmo AG als auch die Linard Casty & Co. AG erhoben gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden Berufung beim Bundesgericht. Sie verlangten dessen Aufhebung und die Abweisung der Klage.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Graubünden habe gestützt auf Art. 13 Abs. 1
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BGE 111 II 186 S. 189
Mit der Anmeldung der Klage am 22. Mai 1981 beim zuständigen Vermittleramt sei diese Frist eingehalten worden im Hinblick darauf, dass der Grundstückerwerb am 14. Juni 1971 ins Grundbuch eingetragen worden sei. Einzuräumen bleibe, dass die Klage verspätet wäre, wenn Art. 22 Abs. 1
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BGE 111 II 186 S. 190
Art. 49
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5. Die Osmo AG räumt ein, dass sich der Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts befinde. In der Tat hat die II. öffentlichrechtliche Abteilung in einem Urteil vom 3. Mai 1979 i.S. Berghüsli SA gegen das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (publiziert in Rep 113/1980, S. 21 f.) sowie jüngst in BGE 110 Ib 115 E. 3a entschieden, dass auf nichtige Rechtsgeschäfte, die vor dem 1. Februar 1974 verurkundet wurden, die Klagefrist von zehn Jahren gestützt auf Art. 13 Abs. 1
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6. Die Osmo AG wendet gegenüber dieser Rechtsprechung vorerst ein, sie lasse unberücksichtigt, dass die Frist für die Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes bzw. öffentliche Versteigerung sich nicht auf einen gesetzlichen Tatbestand beziehe, der schon unter dem bisherigen Bundesbeschluss seinen Abschluss gefunden habe. Vielmehr sei das Ende sowohl der zehnjährigen wie der fünfjährigen Frist auf jeden Fall nach der auf den 1. Februar 1974 in Kraft getretenen Revision des Bundesbeschlusses, also unter der Geltung des neuen Rechts der "Lex Furgler", eingetreten. Wenn aber erst mit dem Fristende eintretende Rechtsfolgen sich unter der Herrschaft des neuen Rechts verwirklichten, könne man sich nicht deshalb, weil die Frist noch unter dem alten Recht zu laufen begann, auf den Standpunkt stellen, der gesetzliche Tatbestand habe sich schon unter jenem alten Recht verwirklicht. Diese Betrachtungsweise hat sich - wie die Berufungsklägerin zutreffend ausführt - der Gesetzgeber im Zusammenhang mit
BGE 111 II 186 S. 191
Art. 4
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BGE 111 II 186 S. 192
zur Diskussion stehenden Klagefrist gemäss Art. 13 Abs. 1
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7. Das Kantonsgericht von Graubünden weist zutreffend auf die Gesetzgebungsarbeiten im Vorfeld der "Lex Furgler" hin. Damals sah der Bundesrat eine Rechtfertigung der auf fünf Jahre verkürzten Frist für die Behördenklage insbesondere in den Art. 8
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BGE 111 II 186 S. 193
fünfjährige Klagefrist als ausreichend erachtet, so muss dies auch für Rechtsgeschäfte gelten, welche vor dem 1. Februar 1974 getätigt wurden und gegen welche erst unter der Herrschaft der "Lex Furgler" Behördenklage nach Massgabe von Art. 22
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8. a) Damit steht indessen noch nicht endgültig fest, dass die hier zu beurteilende Klage des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Graubünden nicht dennoch gutgeheissen werden kann, wie es das Kantonsgericht von Graubünden getan hat. Auch die am 1. Februar 1974 in Kraft getretene "Lex Furgler" lässt die Klagefrist nicht in jedem Fall mit dem Ablauf von fünf Jahren seit dem Erwerb des Grundstückes zu Ende gehen. Vielmehr ist in Art. 22 Abs. 1
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BGE 111 II 186 S. 194
weil eine strafbare Handlung vorliegt, die noch bis zum 22. Mai 1981 verfolgt werden konnte. An diesem Tag wurde die gerichtliche Klage beim Vermittleramt des Kreises Oberengadin angemeldet. b) Die Osmo AG hält allerdings dafür, diese Anmeldung beim Vermittleramt genüge nicht, um die bundesrechtliche Klagefrist gemäss Art. 22
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9. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob allenfalls ein Grund zur Auflösung der Osmo AG wegen Verfolgung widerrechtlicher Zwecke bestehe (Art. 57 Abs. 3
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 57 - 1 Wird eine juristische Person aufgehoben, so fällt ihr Vermögen, wenn das Gesetz, die Statuten, die Stiftungsurkunde oder die zuständigen Organe es nicht anders bestimmen, an das Gemeinwesen (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehört hat. |
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1 | Wird eine juristische Person aufgehoben, so fällt ihr Vermögen, wenn das Gesetz, die Statuten, die Stiftungsurkunde oder die zuständigen Organe es nicht anders bestimmen, an das Gemeinwesen (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehört hat. |
2 | Das Vermögen ist dem bisherigen Zwecke möglichst entsprechend zu verwenden. |
3 | Wird eine juristische Person wegen Verfolgung unsittlicher oder widerrechtlicher Zwecke aufgehoben, so fällt das Vermögen an das Gemeinwesen, auch wenn etwas anderes bestimmt worden ist.84 |
10. Nach der Auffassung der Vorinstanz kann der Klage des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Graubünden gegen die Osmo AG der Erfolg nicht schon deshalb versagt sein, weil diese gar nicht mehr als unrechtmässige Eigentümerin im Sinne von Art. 13 Abs. 2 lit. a
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 57 - 1 Wird eine juristische Person aufgehoben, so fällt ihr Vermögen, wenn das Gesetz, die Statuten, die Stiftungsurkunde oder die zuständigen Organe es nicht anders bestimmen, an das Gemeinwesen (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehört hat. |
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1 | Wird eine juristische Person aufgehoben, so fällt ihr Vermögen, wenn das Gesetz, die Statuten, die Stiftungsurkunde oder die zuständigen Organe es nicht anders bestimmen, an das Gemeinwesen (Bund, Kanton, Gemeinde), dem sie nach ihrer Bestimmung angehört hat. |
2 | Das Vermögen ist dem bisherigen Zwecke möglichst entsprechend zu verwenden. |
3 | Wird eine juristische Person wegen Verfolgung unsittlicher oder widerrechtlicher Zwecke aufgehoben, so fällt das Vermögen an das Gemeinwesen, auch wenn etwas anderes bestimmt worden ist.84 |
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BGE 111 II 186 S. 195
angesehen werden könne, sondern die Linard Casty & Co. AG trotz fehlendem Grundbucheintrag als gutgläubige Erwerberin zu betrachten sei. Es treffe zwar zu, führt das Kantonsgericht im angefochtenen Entscheid aus, dass die (von der Linard Casty & Co. AG geforderte) wirtschaftliche Betrachtungsweise zum Zuge komme, um Umgehungsgeschäfte gegenüber dem Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland aufzudecken. Doch im vorliegenden Fall werde umgekehrt versucht, mittels der wirtschaftlichen Betrachtungsweise einen rechtswidrigen Grundstückerwerb ungeschehen zu machen; das könne offensichtlich nicht der Sinn des Gesetzes sein. Die Linard Casty & Co. AG rügt diese Rechtsauffassung als bundesrechtswidrig, weil sie die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei Anwendung des Bundesbeschlusses nur teilweise zulasse. Indessen ist nicht zu beanstanden, dass das Kantonsgericht von Graubünden die in Frage stehenden Vorschriften nach teleologischen Gesichtspunkten ausgelegt hat. Dabei war vor allem der Absicht des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, dem bewilligungspflichtigen Kaufinteressenten jede Möglichkeit zu verbauen, mittels Umgehungsgeschäften Grundeigentum zu erwerben und dadurch die legislatorischen Ziele zu durchkreuzen. Dieser Gesichtspunkt gilt anderseits nicht in bezug auf den gutgläubigen Dritterwerber, der zum Kauf von Grundstücken keiner Bewilligung bedarf. Sein Interesse liegt in einer gesicherten Rechtsposition, die nur an den Eintrag des Eigentums im Grundbuch anknüpfen kann. Bloss "wirtschaftliches" Eigentum genügt keineswegs, um den gutgläubigen Erwerber zu schützen.