Urteilskopf

110 V 344

56. Auszug aus dem Urteil vom 18. Dezember 1984 i.S. Mordasini gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich, und Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich
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Erwägungen ab Seite 344

BGE 110 V 344 S. 344

Aus den Erwägungen:

3. a) Der Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung setzt u.a. einen anrechenbaren Arbeitsausfall voraus (Art. 42 Abs. 1 lit. b
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 42 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, haben Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn:
1    Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, haben Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn:
a  sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben und
b  sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall (Art. 43) erleiden.
2    Der Bundesrat bestimmt die Erwerbszweige, in denen die Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann.
3    Keinen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung haben Personen nach Artikel 31 Absatz 3.
AVIG). Gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. a
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 43 Anrechenbarer Arbeitsausfall - 1 Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn:
1    Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn:
a  er ausschliesslich durch das Wetter verursacht wird;
b  die Fortführung der Arbeiten trotz genügender Schutzvorkehrungen technisch unmöglich oder wirtschaftlich unvertretbar ist oder den Arbeitnehmern nicht zugemutet werden kann; und
c  er vom Arbeitgeber ordnungsgemäss gemeldet wird.169
2    Es werden nur ganze oder halbe Tage angerechnet.
3    Vom anrechenbaren Arbeitsausfall wird für jede Abrechnungsperiode eine vom Bundesrat festgelegte Karenzzeit von höchstens drei Tagen abgezogen.170
4    Als Abrechnungsperiode gilt ein Zeitraum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden Wochen.
5    ...171
AVIG ist der Arbeitsausfall anrechenbar, wenn er durch das Wetter zwingend verursacht ist. Laut Art. 65 Abs. 2
SR 837.02 Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsverordnung, AVIV) - Arbeitslosenversicherungsverordnung
AVIV Art. 65 Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung - (Art. 42 Abs. 1 und 2 AVIG)
1    Schlechtwetterentschädigung kann in den folgenden Erwerbszweigen ausgerichtet werden:
a  Hoch- und Tiefbau, Zimmerei-, Steinhauer- und Steinbruchgewerbe;
b  Sand- und Kiesgewinnung;
c  Geleise- und Freileitungsbau;
d  Landschaftsgartenbau;
e  Waldwirtschaft, Baumschulen und Torfabbau, soweit sie nicht Nebenzweig eines landwirtschaftlichen Betriebes sind;
f  Ausbeutung von Lehmgruben sowie Ziegelei;
g  Berufsfischerei;
i  Sägerei.
2    ...178
3    Ausserdem können die Arbeitnehmer reiner Reb-, Pflanzen-, Obst- und Gemüsebaubetriebe entschädigt werden, wenn die normalerweise anfallenden Arbeiten wegen aussergewöhnlicher Trockenheit oder Nässe nicht verrichtet werden können.179
AVIV wird die Schlechtwetterentschädigung
BGE 110 V 344 S. 345

nur ausgerichtet, soweit die Arbeitnehmer unmittelbar dem Wetter (Regen, Schnee, Kälte) ausgesetzt sind und deswegen nicht arbeiten können. Nach Auffassung der Vorinstanz ist das gesetzliche Erfordernis des zwingend durch das Wetter verursachten Arbeitsausfalls dahin auszulegen, dass die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer trotz zumutbarer Vorkehren selbst direkt vom Wetter betroffen, d. h. an der Arbeit verhindert werden. Nach den Abklärungen des Kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) sollten Gipserarbeiten im Hinblick auf die Begrenzung der Risiken nicht unter 0 Grad Celsius ausgeführt werden. Diese temperaturmässig ausreichenden Verhältnisse zu schaffen, sei auch bei extremer Kälte möglich, auf der fraglichen Baustelle "Farb" in Wetzikon durch Abdecken der Fensteröffnungen mit Plastik und Einsetzen eines Warmluftheizgerätes. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten arbeiten können, sofern diese Vorkehren getroffen und damit die Temperatur am Arbeitsplatz (unter Dach) auf die nötige Höhe gebracht worden wäre. b) Der Auffassung der Vorinstanz kann zumindest in dieser generellen Form nicht beigepflichtet werden. Unbestritten ist, dass der Arbeitsausfall nur als anrechenbar gilt, wenn er durch unmittelbare Witterungseinflüsse zwingend verursacht wird. Das bedeutet, dass die Arbeiten - wie im Kreisschreiben des BIGA über die Schlechtwetterentschädigung (provisorische Ausgabe, gültig ab 1. Januar 1984) zutreffend dargelegt - aus technischen oder aus in der Person der Arbeitnehmer liegenden, auf das Wetter zurückzuführenden Gründen nicht mehr ausgeführt werden können. Indessen fragt es sich, ob der Begriff "durch das Wetter zwingend verursacht" auch beinhaltet, dass Vorkehren zum Schutz der Arbeitnehmer bzw. technische Massnahmen im Hinblick auf die Fortführung der Arbeit getroffen werden müssen. Dies ist aufgrund der Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980 (BBl 1980 III 489) grundsätzlich zu verneinen, soweit es sich um aufwendige, kostspielige und insofern unzumutbare Massnahmen handelt und soweit allfällige Vorkehren in einer bestimmten Branche nicht üblich sind. Der Bundesrat erklärt dazu (S. 533 f.): "Die Tatsache der schlechten Witterung kann vom Betrieb nicht beeinflusst werden. Er hat zwar unter Umständen die Möglichkeit, durch vorsorgliche technische Massnahmen auch bei schlechter Witterung die
BGE 110 V 344 S. 346

Fortführung der Arbeit zu erleichtern; bei den klimatischen Verhältnissen unseres Landes sind diese Möglichkeiten jedoch wesentlich bescheidener als etwa in der Bundesrepublik Deutschland. Für unsere Verhältnisse scheint es deshalb angemessener, gegebenenfalls Schlechtwetterentschädigung zu zahlen als Einrichtungen zur Förderung der Winterarbeit auf Baustellen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu vergüten."
Diese Ausgestaltung der Schlechtwetterentschädigung ist vom Gesetzgeber stillschweigend akzeptiert worden und entspricht im wesentlichen der bisherigen Ordnung (vgl. dazu HOLZER, Kommentar zum AlVG, S. 182 ff., insbesondere S. 185). c) Im vorliegenden Fall waren auf der Baustelle Liegenschaft "Farb" in Wetzikon die Fenster noch nicht eingesetzt, als mit den Gipserarbeiten hätte begonnen werden sollen. Aufgrund der Feststellungen des KIGA erlaubten die Lufttemperaturen in der fraglichen Zeit Gipserarbeiten nicht. Diese hätten durch in der Baubranche an sich übliche Vorkehren (Abdecken der Fensteröffnungen und Einrichten einer Heizung) zwar ermöglicht werden können. Indessen rechtfertigt sich gestützt auf die glaubwürdigen Angaben gegenüber dem KIGA die Annahme, dass es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar war, im Hinblick auf die Vornahme der Gipserarbeiten die notwendigen - recht kostspieligen - Installationen zu treffen, zumal der Bauherr solche ablehnte. Mithin liegt ein anrechenbarer Arbeitsausfall vor, sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies ist gestützt auf die angefochtenen Verfügungen zu bejahen ...
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 110 V 344
Datum : 18. Dezember 1984
Publiziert : 31. Dezember 1985
Quelle : Bundesgericht
Status : 110 V 344
Sachgebiet : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Gegenstand : Art. 43 Abs. 1 lit. a AVIG, Art. 65 Abs. 2 AVIV. - Das Erfordernis, wonach der Arbeitsausfall im Hinblick auf seine Anrechenbarkeit


Gesetzesregister
AVIG: 42 
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 42 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, haben Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn:
1    Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, haben Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn:
a  sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben und
b  sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall (Art. 43) erleiden.
2    Der Bundesrat bestimmt die Erwerbszweige, in denen die Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann.
3    Keinen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung haben Personen nach Artikel 31 Absatz 3.
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SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 43 Anrechenbarer Arbeitsausfall - 1 Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn:
1    Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn:
a  er ausschliesslich durch das Wetter verursacht wird;
b  die Fortführung der Arbeiten trotz genügender Schutzvorkehrungen technisch unmöglich oder wirtschaftlich unvertretbar ist oder den Arbeitnehmern nicht zugemutet werden kann; und
c  er vom Arbeitgeber ordnungsgemäss gemeldet wird.169
2    Es werden nur ganze oder halbe Tage angerechnet.
3    Vom anrechenbaren Arbeitsausfall wird für jede Abrechnungsperiode eine vom Bundesrat festgelegte Karenzzeit von höchstens drei Tagen abgezogen.170
4    Als Abrechnungsperiode gilt ein Zeitraum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden Wochen.
5    ...171
AVIV: 65
SR 837.02 Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsverordnung, AVIV) - Arbeitslosenversicherungsverordnung
AVIV Art. 65 Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung - (Art. 42 Abs. 1 und 2 AVIG)
1    Schlechtwetterentschädigung kann in den folgenden Erwerbszweigen ausgerichtet werden:
a  Hoch- und Tiefbau, Zimmerei-, Steinhauer- und Steinbruchgewerbe;
b  Sand- und Kiesgewinnung;
c  Geleise- und Freileitungsbau;
d  Landschaftsgartenbau;
e  Waldwirtschaft, Baumschulen und Torfabbau, soweit sie nicht Nebenzweig eines landwirtschaftlichen Betriebes sind;
f  Ausbeutung von Lehmgruben sowie Ziegelei;
g  Berufsfischerei;
i  Sägerei.
2    ...178
3    Ausserdem können die Arbeitnehmer reiner Reb-, Pflanzen-, Obst- und Gemüsebaubetriebe entschädigt werden, wenn die normalerweise anfallenden Arbeiten wegen aussergewöhnlicher Trockenheit oder Nässe nicht verrichtet werden können.179
BGE Register
110-V-344
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BBl
1980/III/489