110 II 176
37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1984 i.S. André Grütter AG gegen Büttikofer (Berufung)
Regeste (de):
- Werkvertrag. Art. 23 und 24 SIA-Norm 118 (Ausgabe 1962), Verjährung der Werklohnforderung. Art. 135 Ziff. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1 durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; 2 durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. - 1. Bedeutung eines nachträglichen, stillschweigenden Verzichts auf die Anwendung der SIA-Norm 118 in bezug auf den Beginn der Verjährungsfrist für das Restguthaben (Art. 24 Abs. 3 SIA-Norm) des Unternehmers (E. 2).
- 2. Eine Verrechnungserklärung des Schuldners stellt jedenfalls dann eine Anerkennungshandlung im Sinn von Art. 135 Ziff. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1 durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; 2 durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
Regeste (fr):
- Contrat d'entreprise. Art. 23 et 24 de la Norme SIA 118 (éd. 1962), prescription de la créance en paiement du prix de l'ouvrage. Art. 135 ch. 1 CO, interruption de la prescription par une déclaration de compensation du débiteur.
- 1. Effets d'une renonciation, subséquente et tacite, à l'application de la Norme SIA 118 sur le début du délai de prescription pour le paiement du solde dû à l'entrepreneur (art. 24 al. 3 de la Norme SIA 118) (consid. 2).
- 2. Une déclaration de compensation de la part du débiteur constitue une reconnaissance de la dette, au sens de l'art. 135 ch. 1 CO, en tout cas lorsque le débiteur donne en même temps à entendre au créancier qu'il ne considère pas la dette comme complètement éteinte (consid. 3).
Regesto (it):
- Contratto d'appalto. Art. 23 e 24 della Norma SIA 118 (ed. 1962), prescrizione del credito per il prezzo dell'opera. Art. 135 n. 1 CO, interruzione della prescrizione mediante dichiarazione di compensazione da parte del debitore.
- 1. Effetti di una rinuncia successiva e tacita all'applicazione della Norma SIA 118 sull'inizio del termine di prescrizione del saldo dovuto all'appaltatore (art. 24 cpv. 3 della Norma SIA 118) (consid. 2).
- 2. Una dichiarazione di compensazione da parte del debitore costituisce un riconoscimento del debito, ai sensi dell'art. 135 n. 1 CO, quanto meno laddove il debitore lasci intendere al creditore di non considerare completamente estinto il debito (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 177
BGE 110 II 176 S. 177
André Grütter führte aufgrund eines mit Büttikofer am 31. März 1969 geschlossenen Werkvertrages die Baumeisterarbeiten, einschliesslich der Beton-, Eisenbeton-, Verputz- und Kanalisationsarbeiten für die Erstellung von Fahrzeugeinstellräumen und einer darüber liegenden Wohnungserweiterung aus. Die Parteien hielten in der Vereinbarung fest, die SIA-Norm 118, Ausgabe 1962, bilde Bestandteil des Vertrags. Büttikofer leistete im Juli und August 1969 Akontozahlungen von insgesamt Fr. 100'000.- an den nach Vertrag Fr. 140'732.95 betragenden Werklohn. Nachdem er Grütter mit Schreiben vom 15. Juli 1970 aufgefordert hatte, so rasch als möglich mit dem Ausmessen zu beginnen, damit er in den Besitz der Bauabrechnung komme, unternahmen die Parteien während mehr als neun Jahren nichts mehr. Grütter erstellte die endgültige Bauabrechnung erst am 3. Dezember 1979. Er bezifferte seine Gesamtforderung auf Fr. 219'103.85 und verlangte von Büttikofer nach Abzug der Akontozahlungen und anerkannter Gegenforderungen einen Restbetrag von Fr. 70'209.20. Büttikofer zahlte nicht und erhob in der am 3. März 1980 eingeleiteten Betreibung Rechtsvorschlag, da er die Forderung für verjährt und unbegründet hielt.
Im Oktober 1980 erhob Grütter beim Bezirksgericht Brugg Klage gegen Büttikofer mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung von Fr. 70'209.20 nebst Zins zu verpflichten. Mit Urteil vom 8. Juni 1982 hiess das Bezirksgericht die Klage für Fr. 2'136.20 nebst 5% Zins seit 22. Januar 1980 gut und wies sie im Mehrbetrag wegen Verjährung ab. Auf Appellation des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau am 13. Mai 1983 das erstinstanzliche Urteil. Die André Grütter AG, die als Gesamtnachfolgerin von André Grütter in das Verfahren eintrat, erhob gegen das Urteil des Obergerichts Berufung mit den Anträgen, die Verjährungseinrede des Beklagten abzuweisen und die Klage gutzuheissen, eventuell das Obergericht anzuweisen, die Klage materiell zu prüfen. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Sache zur Neubeurteilung zurück.
BGE 110 II 176 S. 178
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Das Obergericht geht mit Recht davon aus, dass die Forderung der Klägerin nicht der fünfjährigen Verjährungsfrist gemäss Art. 128 Ziff. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 128 - Mit Ablauf von fünf Jahren verjähren die Forderungen: |
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1 | für Miet-, Pacht- und Kapitalzinse sowie für andere periodische Leistungen; |
2 | aus Lieferung von Lebensmitteln, für Beköstigung und für Wirtsschulden; |
3 | aus Handwerksarbeit, Kleinverkauf von Waren, ärztlicher Besorgung, Berufsarbeiten von Anwälten, Rechtsagenten, Prokuratoren und Notaren sowie aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 127 - Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 130 - 1 Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung. |
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1 | Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung. |
2 | Ist eine Forderung auf Kündigung gestellt, so beginnt die Verjährung mit dem Tag, auf den die Kündigung zulässig ist. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 372 - 1 Der Besteller hat die Vergütung bei der Ablieferung des Werkes zu zahlen. |
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1 | Der Besteller hat die Vergütung bei der Ablieferung des Werkes zu zahlen. |
2 | Ist das Werk in Teilen zu liefern und die Vergütung nach Teilen bestimmt, so hat Zahlung für jeden Teil bei dessen Ablieferung zu erfolgen. |
BGE 110 II 176 S. 179
Der Beklagte andererseits habe Grütter lediglich mit Schreiben vom 15. Juli 1970 gemahnt, danach habe auch er nichts mehr unternommen und sich ebenfalls jahrelang still verhalten. Dieses beidseitige konkludente Verhalten sei als Verzicht auf das Vorgehen nach SIA-Normen zu werten. Es ist indes zweifelhaft, ob aus der Säumnis der Vertragsparteien auf einen stillschweigenden Verzicht im von der Vorinstanz angenommenen Umfang geschlossen werden kann. Einerseits ist zwar richtig, dass die in der SIA-Norm vorgeschriebene Regelung nicht dazu missbraucht werden darf, den Verjährungsbeginn auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Andererseits zeigt das Schreiben des Beklagten vom 15. Juli 1970 aber eindeutig, dass er noch im damaligen Zeitpunkt das in der SIA-Norm vorgesehene Verfahren einhalten wollte. Ein Verzicht auf die Anwendung der Norm käme deshalb frühestens für die Zeit nach dem 15. Juli 1970 in Betracht.
Selbst wenn ein derartiger Verzicht feststünde, liesse sich nicht erklären, warum dadurch der Verjährungsbeginn nachträglich auf Ende Januar 1970 zurückverschoben worden sein soll. Gingen die Vertragsparteien jedenfalls bis 15. Juli 1970 davon aus, es sei gemäss SIA-Norm zu verfahren, dann waren sie sich bis zu diesem Zeitpunkt auch darüber einig, dass die Verjährung erst mit der Anerkennung der Schlussabrechnung beginne. Freilich ist der Umstand, dass Grütter während mehreren Jahren mit der Zustellung der Schlussabrechnung zugewartet hat, rechtlich nicht bedeutungslos. Gleich wie im Fall, dass überhaupt nie eine Schlussabrechnung aufgestellt wird, könnte daraus aber höchstens gefolgert werden, die Verjährungsfrist habe im Zeitpunkt zu laufen begonnen, in welchem Grütter nach Treu und Glauben spätestens verpflichtet gewesen wäre, die Schlussabrechnung vorzulegen. Eine Rückwirkung des Verzichts, wie sie vom Obergericht angenommen wird, widerspricht dagegen den insoweit eindeutigen Willensäusserungen der Vertragsparteien. Die Verjährungsfrist hat somit nicht wie vom Obergericht angenommen Ende Januar 1970, sondern erst nach dem 15. Juli 1970 zu laufen begonnen.
3. Obschon der weitere Einwand der Klägerin, das Obergericht verneine zu Unrecht eine Verjährungsunterbrechung, für den Verfahrensausgang keine Bedeutung mehr hat, ist im folgenden kurz dazu Stellung zu nehmen. Im Brief vom 15. Juli 1970 führte der Beklagte seine Akontozahlungen und die Beträge verschiedener Rechnungen an Grütter auf,
BGE 110 II 176 S. 180
die er mit dem Werklohn verrechnen wollte. Am Schluss des Schreibens machte er Grütter darauf aufmerksam, dass er bis zum Eintreffen der definitiven Bauabrechnung und der Erledigung bestimmter Reparaturarbeiten keine weiteren Zahlungen leisten werde. Im angefochtenen Urteil wird dazu ausgeführt, es frage sich, ob die zur Verrechnung eingelegten Rechnungen Abschlagszahlungen im Sinn des Art. 135 Ziff. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen: |
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1 | durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; |
2 | durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen: |
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1 | durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; |
2 | durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. |
BGE 110 II 176 S. 181
für das Abgeben einer Schuldanerkennung. Damit legt es die Erklärung des Beklagten jedoch unzutreffend aus; denn daraus geht hervor, dass der Beklagte unter den von ihm genannten Voraussetzungen zur Leistung weiterer Zahlungen bereit war, somit das Bestehen einer Restschuld nicht ausschloss. Dass er über deren Höhe im ungewissen war, ist nicht von Bedeutung, denn die Anerkennung der grundsätzlichen Schuldpflicht genügt, sie braucht sich nicht auf einen bestimmten Betrag zu beziehen (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 zu Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen: |
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1 | durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; |
2 | durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen: |
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1 | durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; |
2 | durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. |