Urteilskopf

109 IV 10

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1983 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 10

BGE 109 IV 10 S. 10

A.- Mit Urteil des Bezirksgerichts Kreuzlingen vom 12. November 1980 wurde W. unter anderem wegen wiederholten Diebstahls, Sachbeschädigung und wiederholten sowie fortgesetzten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 9 Monaten Gefängnis (abzüglich 10 Tage Untersuchungshaft) verurteilt. Die Strafe wurde aufgeschoben und eine "ambulante Behandlung im Sinne von Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1    Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
2    Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen.
3    Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
StGB nach Weisung und unter Kontrolle der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen angeordnet". Weiter wurde festgelegt, dass die bestehende Schutzaufsicht bis zum definitiven Entscheid über den Vollzug der Strafe fortzuführen war. Das Amtsgericht Kleve (BRD) verurteilte W. am 11. Mai 1981 wegen Beihilfe zur unzulässigen Ausfuhr von Betäubungsmitteln im besonders schweren Fall und Abgabenhinterziehung, beides begangen am 22. Februar 1981, zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten. Beim Bezirksamt Frauenfeld ist ausserdem ein Strafverfahren wegen Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes durch Drogenkonsum und -handel hängig.
BGE 109 IV 10 S. 11

Mit Entscheid vom 28. April/3. Juni 1982 widerrief das Bezirksgericht Kreuzlingen den mit Urteil vom 12. November 1980 gewährten Strafaufschub.
B.- Mit Beschluss vom 14. Oktober 1982 bestätigte die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau den Widerruf des Strafaufschubs und ordnete für die Zeit des Freiheitsentzugs die ambulante Behandlung durch die Psychiatrische Klinik Münsterlingen an.
C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Entscheid der Rekurskommission sei aufzuheben.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Im Rahmen der Anordnung einer ambulanten Massnahme sehe das Gesetz in Art. 43 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1    Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
2    Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen.
3    Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
StGB die Möglichkeit vor, entsprechend Art. 41 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB u.a. Weisungen zu erteilen; bei der Bestimmung der Folgen einer Zuwiderhandlung gegen solche richterliche Weisungen müsse deshalb Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB zur Anwendung gelangen, wonach die Anordnung des Vollzugs der Freiheitsstrafe nur nach vorhergehender förmlicher Mahnung durch den Richter zulässig ist. Eine derartige Mahnung sei in concreto aber nicht erfolgt. b) Vorliegend geht es um die Aufhebung einer ambulanten Massnahme und nicht um die Anordnung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe infolge Widerrufs des bedingten Strafvollzugs im Sinne von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Die Aufhebung der ambulanten Behandlung setzt nur voraus, dass sich diese als unzweckmässig oder für andere gefährlich erwiesen hat. Eine direkte Anwendung von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB beim Entscheid über die Aufhebung einer ambulanten Therapie ist ausgeschlossen; diese Bestimmung darf aber im Einzelfall auf dem Wege der Analogie herangezogen werden.
c) Die ambulante Behandlung kann - muss aber nicht - als unzweckmässig erscheinen, wenn sich der Verurteilte (analog demjenigen, der sich beharrlich der Schutzaufsicht entzieht) ihr widersetzt, indem er der Therapie fernbleibt. Auch die Begehung neuer Delikte während der ambulanten Behandlung kann auf deren Unzweckmässigkeit hinweisen. Immerhin muss nicht jedes neue Vergehen oder Verbrechen, selbst wenn es von einer gewissen Schwere ist, zwingend zur Aufhebung der ambulanten Therapie
BGE 109 IV 10 S. 12

führen. Aufgrund der konkreten Umstände ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Weiterführung der ambulanten Behandlung als zweckmässig erscheine. Vorliegend wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, die ambulante Behandlung (Gesprächstherapie) von sich aus abgebrochen und schon zwei Monate nach Anordnung der Massnahme erneut delinquiert (Jugendstrafe von 8 Monaten) zu haben. Besondere Umstände, die eine Weiterführung der ambulanten Behandlung trotzdem als zweckmässig erscheinen liessen, liegen nicht vor. Die Vorinstanz verletzte deshalb kein Bundesrecht, wenn sie auf Unzweckmässigkeit der ambulanten Behandlung schloss. d) Bei Aufhebung der ambulanten Massnahme infolge Unzweckmässigkeit hat der Richter über die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt bzw. über den Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe zu entscheiden. Die Anordnung der Vollstreckung der Strafe setzt gemäss Art. 43 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1    Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
2    Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen.
3    Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
StGB keine förmliche Mahnung voraus. Im übrigen würde im vorliegenden Fall auch die analoge Anwendung von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB der Anordnung des Vollzugs der Freiheitsstrafe nicht im Wege stehen. Diese Bestimmung sieht die förmliche Mahnung nur für den Fall der Nichtbeachtung einer richterlich erteilten Weisung vor, nicht aber für den Widerruf wegen neuer Vergehen oder Verbrechen. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1981 vom Amtsgericht Kleve/BRD zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wäre deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 109 IV 10
Datum : 04. März 1983
Publiziert : 31. Dezember 1983
Quelle : Bundesgericht
Status : 109 IV 10
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB. Die Aufhebung einer ambulanten Massnahme und die daran anschliessende Anordnung der Vollstreckung


Gesetzesregister
StGB: 41 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
43
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1    Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
2    Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen.
3    Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
BGE Register
109-IV-10
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ambulante behandlung • freiheitsstrafe • monat • weisung • verurteilter • therapie • schutzaufsicht • psychiatrische klinik • thurgau • strafaufschub • entscheid • straf- und massnahmenvollzug • schwerer fall • untersuchungshaft • tag • analogie • einweisung in eine heil- oder pflegeanstalt • kassationshof • diebstahl • ausfuhr
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