108 IV 112
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1982 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 33 Abs. 3
der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV). Fahrtschreiberaufzeichnungen als Beweismittel.
- Art. 33 Abs. 3
BAV, wonach bestimmte Motorfahrzeuge mit einem Fahrtschreiber zur Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit und zur Abklärung von Unfällen ausgerüstet sein müssen, enthält keine abschliessende Aufzählung der zulässigen Verwendungsmöglichkeiten dieses Instruments und verbietet nicht die Berücksichtigung von Fahrtschreiberaufzeichnungen zu Zwecken, die in dieser Bestimmung nicht genannt sind, z.B. zum Beweis von einige Stunden vor einem Unfall begangenen Übertretungen der Vorschriften über die Höchstgeschwindigkeit (E. 1).
Regeste (fr):
- Art. 33 ch. 3 de l'ordonnance sur la construction et l'équipement des véhicules routiers (OCE). Valeur probante du tachygraphe.
- L'art. 33 al. 3 OCE, selon lequel certains véhicules routiers doivent être munis d'un tachygraphe devant permettre le contrôle de la durée du travail et du repos et de déterminer les vitesses en cas d'accident, ne donne pas une liste exhaustive des possibilités d'emploi de cet instrument et n'interdit par conséquent pas l'examen du disque dans un but non mentionné dans cette disposition, par exemple pour établir que, quelques heures avant un accident, les dispositions sur la vitesse maximum ont été violées (consid. 1).
Regesto (it):
- Art. 33 n. 3 dell'ordinanza concernente la costruzione e l'equipaggiamento dei veicoli stradali (OCE). Valore probatorio dei tracciati dell'odocronografo.
- L'art. 33 cpv. 3 OCE, secondo cui determinati veicoli stradali devono essere muniti di un odocronografo che permetta di controllare la durata del lavoro e del riposo e di chiarire un infortunio, non indica in modo esauriente le possibilità di utilizzazione di questo dispositivo e non vieta pertanto di tener conto dei tracciati dell'odocronografo per uno scopo non menzionato in tale disposizione, ad esempio per accertare eccessi di velocità commessi alcune ore prima dell'infortunio (consid. 1).
Sachverhalt ab Seite 113
BGE 108 IV 112 S. 113
Am 10. August 1981, kurz nach 08.00 Uhr, überquerte S. mit seinem Sattelschlepper die Kreuzung Ringstrasse/Scalettastrasse in Chur bei Rotlicht. Sein Fahrzeug kollidierte mit einem korrekt von links herannahenden Personenwagen. Die Auswertung der dem Sattelschlepper zur Unfallabklärung entnommenen Fahrtschreiber-Diagrammscheibe ergab, dass dieses Fahrzeug an jenem Vormittag in der Zeit zwischen 04.05 Uhr und 08.00 Uhr mehrmals mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h gefahren worden war. Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach S. auf dessen Einsprache hin am 22. April 1982 vom Vorwurf der Überschreitung der für Sattelmotorfahrzeuge auf Autobahnen und Autostrassen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (Art. 5 Abs. 2
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SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 5 Höchstgeschwindigkeit für einzelne Fahrzeugarten - (Art. 32 Abs. 2 SVG) |
|
1 | Die Höchstgeschwindigkeit beträgt: |
a | 80 km/h für |
a1 | schwere Motorwagen, ausgenommen schwere Personenwagen, |
a2 | Anhängerzüge, |
a3 | Sattelmotorfahrzeuge, |
a4 | Fahrzeuge mit Spikesreifen; |
b | 60 km/h für gewerbliche Traktoren; |
c | 40 km/h beim |
c1 | Abschleppen von Fahrzeugen, auch mittels Abschlepprolli oder aufgesattelt; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen höhere Schleppgeschwindigkeiten gestatten, namentlich für feste Abschleppvorrichtungen, welche die Lenkung des geschleppten Fahrzeuges gewährleisten, |
c2 | Nachziehen eines leeren Abschlepprollis; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen, namentlich für den Einsatz auf Autobahnen und Autostrassen, höhere Geschwindigkeiten gestatten; |
d | 30 km/h |
d1 | beim Mitführen von land- und forstwirtschaftlichen52 Anhängern, die nicht immatrikuliert sind, |
d2 | beim Mitführen von immatrikulierten land- und forstwirtschaftlichen Anhängern, sofern deren Fahrzeugausweis keine höhere Geschwindigkeit zulässt, |
d3 | für Fahrzeuge mit Metall- oder Vollgummireifen.53 |
2 | Auf Autobahnen und Autostrassen beträgt die Höchstgeschwindigkeit 100 km/h für: |
a | Gesellschaftswagen, ausgenommen Gelenkbusse sowie Busse im öffentlichen, konzessionierten Linienverkehr mit bewilligten Stehplätzen; |
b | schwere Wohnmotorwagen; |
c | leichte Motorwagen mit Anhänger, sofern das Gesamtgewicht des Anhängers 3,5 t nicht übersteigt.56 |
2bis | ...57 |
3 | Die vorstehenden Höchstgeschwindigkeiten dürfen auch nicht überschritten werden, wo eine höhere Geschwindigkeitsgrenze signalisiert ist. |
4 | Wenn ein Führer die für die Kategorieeinteilung seines Fahrzeugs massgebende Höchstgeschwindigkeit überschreitet, verletzt er eine Verkehrsregel; dies gilt nicht für die Führer von Motorfahrrädern.58 |
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SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 5 Höchstgeschwindigkeit für einzelne Fahrzeugarten - (Art. 32 Abs. 2 SVG) |
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1 | Die Höchstgeschwindigkeit beträgt: |
a | 80 km/h für |
a1 | schwere Motorwagen, ausgenommen schwere Personenwagen, |
a2 | Anhängerzüge, |
a3 | Sattelmotorfahrzeuge, |
a4 | Fahrzeuge mit Spikesreifen; |
b | 60 km/h für gewerbliche Traktoren; |
c | 40 km/h beim |
c1 | Abschleppen von Fahrzeugen, auch mittels Abschlepprolli oder aufgesattelt; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen höhere Schleppgeschwindigkeiten gestatten, namentlich für feste Abschleppvorrichtungen, welche die Lenkung des geschleppten Fahrzeuges gewährleisten, |
c2 | Nachziehen eines leeren Abschlepprollis; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen, namentlich für den Einsatz auf Autobahnen und Autostrassen, höhere Geschwindigkeiten gestatten; |
d | 30 km/h |
d1 | beim Mitführen von land- und forstwirtschaftlichen52 Anhängern, die nicht immatrikuliert sind, |
d2 | beim Mitführen von immatrikulierten land- und forstwirtschaftlichen Anhängern, sofern deren Fahrzeugausweis keine höhere Geschwindigkeit zulässt, |
d3 | für Fahrzeuge mit Metall- oder Vollgummireifen.53 |
2 | Auf Autobahnen und Autostrassen beträgt die Höchstgeschwindigkeit 100 km/h für: |
a | Gesellschaftswagen, ausgenommen Gelenkbusse sowie Busse im öffentlichen, konzessionierten Linienverkehr mit bewilligten Stehplätzen; |
b | schwere Wohnmotorwagen; |
c | leichte Motorwagen mit Anhänger, sofern das Gesamtgewicht des Anhängers 3,5 t nicht übersteigt.56 |
2bis | ...57 |
3 | Die vorstehenden Höchstgeschwindigkeiten dürfen auch nicht überschritten werden, wo eine höhere Geschwindigkeitsgrenze signalisiert ist. |
4 | Wenn ein Führer die für die Kategorieeinteilung seines Fahrzeugs massgebende Höchstgeschwindigkeit überschreitet, verletzt er eine Verkehrsregel; dies gilt nicht für die Führer von Motorfahrrädern.58 |
BGE 108 IV 112 S. 114
gestützt auf Art. 90 Ziff. 1
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SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |
|
1 | Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |
2 | Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. |
3 | Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen. |
3bis | Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236 |
3ter | Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237 |
4 | Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um: |
a | mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt; |
b | mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt; |
c | mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt; |
d | mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238 |
5 | Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er gemäss den Aufzeichnungen des Fahrtschreibers am Morgen des 10. August 1981 die für Sattelmotorfahrzeuge auf Autobahnen und Autostrassen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (Art. 5 Abs. 2
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SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 5 Höchstgeschwindigkeit für einzelne Fahrzeugarten - (Art. 32 Abs. 2 SVG) |
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1 | Die Höchstgeschwindigkeit beträgt: |
a | 80 km/h für |
a1 | schwere Motorwagen, ausgenommen schwere Personenwagen, |
a2 | Anhängerzüge, |
a3 | Sattelmotorfahrzeuge, |
a4 | Fahrzeuge mit Spikesreifen; |
b | 60 km/h für gewerbliche Traktoren; |
c | 40 km/h beim |
c1 | Abschleppen von Fahrzeugen, auch mittels Abschlepprolli oder aufgesattelt; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen höhere Schleppgeschwindigkeiten gestatten, namentlich für feste Abschleppvorrichtungen, welche die Lenkung des geschleppten Fahrzeuges gewährleisten, |
c2 | Nachziehen eines leeren Abschlepprollis; die zuständige Behörde kann in besonderen Fällen, namentlich für den Einsatz auf Autobahnen und Autostrassen, höhere Geschwindigkeiten gestatten; |
d | 30 km/h |
d1 | beim Mitführen von land- und forstwirtschaftlichen52 Anhängern, die nicht immatrikuliert sind, |
d2 | beim Mitführen von immatrikulierten land- und forstwirtschaftlichen Anhängern, sofern deren Fahrzeugausweis keine höhere Geschwindigkeit zulässt, |
d3 | für Fahrzeuge mit Metall- oder Vollgummireifen.53 |
2 | Auf Autobahnen und Autostrassen beträgt die Höchstgeschwindigkeit 100 km/h für: |
a | Gesellschaftswagen, ausgenommen Gelenkbusse sowie Busse im öffentlichen, konzessionierten Linienverkehr mit bewilligten Stehplätzen; |
b | schwere Wohnmotorwagen; |
c | leichte Motorwagen mit Anhänger, sofern das Gesamtgewicht des Anhängers 3,5 t nicht übersteigt.56 |
2bis | ...57 |
3 | Die vorstehenden Höchstgeschwindigkeiten dürfen auch nicht überschritten werden, wo eine höhere Geschwindigkeitsgrenze signalisiert ist. |
4 | Wenn ein Führer die für die Kategorieeinteilung seines Fahrzeugs massgebende Höchstgeschwindigkeit überschreitet, verletzt er eine Verkehrsregel; dies gilt nicht für die Führer von Motorfahrrädern.58 |
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..."
bzw.
"Doivent être équipés d'un tachygraphe permettant de contrôler la durée du travail et du repos et de déterminer les vitesses en cas d'accident:
..."
bzw.
"Devono essere muniti di un odocronografo che permetta di controlare la durata del lavoro e del riposo e di chiarire un infortunio: ..."
Der Beschwerdeführer zieht aus dieser Bestimmung den Umkehrschluss, "dass der Fahrtschreiber als Beweismittel für andere als die bezeichneten Verkehrsregelverletzungen nicht Verwendung finden darf". Der Fahrtschreiber darf seines Erachtens nicht zum nachträglichen Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung herangezogen werden, die zu keinem Unfall geführt hat. Art. 33 Abs. 3
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BGE 108 IV 112 S. 115
eine gesetzliche Beschränkung der grundsätzlich freien richterlichen Beweiswürdigung". Diese Auffassung, die der Kreisgerichtsausschuss Chur namentlich gestützt auf die Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr teilte, wurde von der Vorinstanz mit Recht verworfen. b) Art. 33 Abs. 3
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BGE 108 IV 112 S. 116
Fahrtschreibern "nicht vorgeschrieben (wurde), damit nachträglich nach Geschwindigkeitsverletzungen gesucht werden kann, die nicht anderweitig festgestellt wurden", wie in den bereits erwähnten Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 zutreffend festgehalten wird, ist demnach entgegen der Ansicht des Departements insoweit unerheblich. Art. 33 Abs. 3
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