108 II 419
81. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1982 i.S. A. gegen B. (Berufung)
Regeste (de):
- Vertragsanfechtung und Schadenersatzanspruch wegen absichtlicher Täuschung, Haftung für Täuschungshandlungen eines Abschlussgehilfens.
- Die getäuschte Partei kann ihre Schadenersatzforderung sowohl aus unerlaubter Handlung wie aus culpa in contrahendo ableiten. Bei der culpa in contrahendo richtet sich die Haftung für Hilfspersonen nach Art. 101
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46
Regeste (fr):
- Invalidation du contrat et demande d'indemnisation pour dol; responsabilité à raison des actes dolosifs d'un auxiliaire ayant servi d'intermédiaire lors de la conclusion du contrat.
- La partie contractante victime d'un dol peut faire valoir sa créance en réparation du dommage en se prévalant tant d'un acte illicite que d'une culpa in contrahendo. Dans ce dernier cas, la responsabilité pour des auxiliaires se détermine d'après la règle de l'art. 101 CO.
Regesto (it):
- Impugnazione del contratto e diritto al risarcimento del danno per dolo; responsabilità per atti dolosi di una persona ausiliaria che ha servito da intermediario nella conclusione del contratto.
- La parte contraente vittima del dolo può fondare la sua pretesa risarcitoria sia su di un atto illecito, sia su di una colpa precontrattuale. In quest'ultimo caso, la responsabilità per il fatto delle persone ausiliarie si determina a norma dell'art. 101 CO.
Sachverhalt ab Seite 420
BGE 108 II 419 S. 420
Frau A. vermietete B. mit Vertrag vom 5. Oktober 1977 Räume zum Betrieb eines Restaurants für die Zeit bis 30. Juni 1983. Anlässlich der Vertragsverhandlungen, die Frau C. im Auftrag von Frau A. geführt hatte, war B. der durchschnittliche Jahresumsatz mit bisher Fr. 400'000.-- angegeben und das Restaurant als "Goldgrube" bezeichnet worden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieser Umsatz nicht zu erzielen war, und Verhandlungen über eine Änderung des Mietvertrages zu keinem Ergebnis geführt hatten, gab B. der Vermieterin am 2. August 1978 bekannt, dass er den Vertrag wegen absichtlicher Täuschung als unverbindlich betrachte. Frau A. hielt an der Verbindlichkeit des Mietvertrages fest und lehnte den Vorschlag des Mieters, das Restaurant bis Ende März 1979 weiterzuführen, ab. B. gab das Mietobjekt Ende März 1979 zurück. Im August 1979 klagte B. beim Bezirksgericht St. Gallen gegen Frau A. auf Zahlung von Fr. 180'000.-- nebst Zins. Er behauptete, wegen der absichtlichen Täuschung einen Schaden in dieser Höhe erlitten zu haben. Das Bezirksgericht hiess die Klage am 7. Mai 1981 gut. Gegen dieses Urteil appellierte die Beklagte beim Kantonsgericht St. Gallen. Das Kantonsgericht erliess am 28. Mai 1982 einen Beweisbeschluss, welchen die Beklagte mit Berufung anfocht. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurück.
BGE 108 II 419 S. 421
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. (Feststellung, dass B. anlässlich der Vertragsverhandlungen von Frau C. absichtlich getäuscht worden ist und den Vertrag nicht nachträglich genehmigt hat. E. 4: Ablehnung der Auffassung des Kantonsgerichts, die Parteien hätten sich nach der Vertragsanfechtung am 2. August 1978 darauf geeinigt, der Kläger führe das Restaurant bis Ende März 1979 weiter und erhalte von der Beklagten den ihm bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Schaden ersetzt.)
3. (Dasselbe)
5. Das Kantonsgericht bejaht für die Zeit bis 2. August 1978 eine Haftung der Beklagten aufgrund von Art. 55

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
Die Vorinstanz geht zu Recht und unwidersprochen davon aus, dass Frau C. nicht als Dritte im Sinne des Art. 28 Abs. 2

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt. |
BGE 108 II 419 S. 422
haben, auf dem "quasikontraktlichen Rechtsverhältnis, das durch die Vertragsverhandlungen begründet wird" (S. 339). Auch Bucher erklärt hinsichtlich Art. 31 Abs. 3

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |
Die Beklagte ist somit grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Kläger daraus entstanden ist, dass er durch die absichtliche Täuschung zum Abschluss des Mietvertrages veranlasst worden ist.