108 II 364
69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1982 i.S. K. gegen K. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 151 ZGB.
- 1. Für die Zusprechung einer Rente im Sinne von Art. 151
ZGB bleibt auch dann Raum, wenn der angesprochene Ehegatte an der Zerrüttung nicht vorwiegend schuldig und seine Scheidungsklage daher gutgeheissen worden ist (E. 2a).
- 2. Der Scheidungsrichter darf bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zusprechung einer Rente im Sinne von Art. 151
ZGB nicht davon absehen, das Verhalten der Parteien unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens zu würdigen mit der Begründung, die Abklärung der Schuldfrage sei praktisch nicht möglich und die tieferen Ursachen der Zerrüttung seien nach den Erkenntnissen der Psychologie in den Charakteren der Parteien zu suchen, die willentlicher Beeinflussung nicht zugänglich seien (E. 2b).
Regeste (fr):
- Art. 151 CC.
- 1. Il est possible d'allouer une rente au sens de l'art. 151 CC même quand le conjoint auquel elle est réclamée n'est pas responsable de la désunion à titre prépondérant et que, dès lors, son action en divorce a été admise (consid. 2a).
- 2. Lorsqu'il examine si les conditions d'allocation d'une rente au sens de l'art. 151 CC sont réalisées, le juge du divorce ne doit pas omettre d'apprécier le comportement des parties du point de vue de la faute par le motif qu'il n'est pratiquement pas possible de résoudre la question des fautes et que les causes profondes de la désunion doivent être recherchées, d'après les connaissances de la psychologie, dans les caractères des conjoints, qui ne peuvent pas être influencés par la volonté (consid. 2b).
Regesto (it):
- Art. 151 CC.
- 1. È possibile accordare una rendita ai sensi dell'art. 151 CC anche quando il coniuge a cui essa è richiesta non sia responsabile in misura preponderante della turbazione delle relazioni coniugali e la sua azione di divorzio sia pertanto accolta (consid. 2a).
- 2. Nell'esaminare se siano adempiute le condizioni per accordare una rendita ai sensi dell'art. 151 CC, il giudice del divorzio non può prescindere dalla valutazione del comportamento delle parti sotto il profilo della colpa per il motivo che non è praticamente possibile risolvere la questione della colpa e che le cause profonde della turbazione sono da ricercare, secondo le regole della psicologia, nei caratteri dei coniugi, non suscettibili d'essere influenzati dalla volontà (consid. 2b).
Sachverhalt ab Seite 365
BGE 108 II 364 S. 365
Mit Urteil vom 11. November 1980 schied das Bezirksgericht Arlesheim die Ehe der Eheleute K. in Gutheissung der Haupt- und Abweisung der Widerklage gestützt auf Art. 142


In teilweiser Gutheissung einer Appellation des Beklagten änderte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft diesen Entscheid mit Urteil vom 16. April 1982 in dem Sinne ab, dass es die Scheidung auch in Gutheissung der Widerklage aussprach und den Beklagten lediglich zur Bezahlung einer aufgeschobenen Rente gemäss Art. 152


Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Nach Art. 151 Abs. 1

BGE 108 II 364 S. 366
Art. 151












BGE 108 II 364 S. 367
sie ausgeführt, es beginne sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Zerrüttung einer Ehe meistens auf ein Versagen beider Ehegatten zurückzuführen sei. Aus diesem Grund sei auch die Abklärung der Schuldfrage äusserst problematisch. Oft würden selbst die Parteien die wirklichen Gründe ihrer Ehekrise nicht kennen. Erst recht sei es für den Richter schwierig, die eigentlichen Zerrüttungsursachen zu ermitteln. Würden Zerrüttungsursachen grundsätzlich als schuldhaft gewertet, so stehe das im Widerspruch zur psychologischen Erkenntnis, dass die tieferen Gründe der Zerrüttung in den Charakteren der Parteien zu suchen seien und dass Verhaltensweisen und Empfindungen vielfach nicht willentlich gesteuert werden könnten. Erst recht sei es schwierig, gegenseitiges Verschulden zu vergleichen und einen Massstab zu finden, an dem es gemessen werden könne. Im vorliegenden Fall könne der Beurteilung des Bezirksgerichts, dass der Beklagte an der Zerrüttung vorwiegend schuldig sei, nicht gefolgt werden. Trotz der aussergewöhnlich umfangreichen Erhebungen zum Scheidungspunkt lasse sich kein vollständiges Bild der Ehe der Parteien geben. Erkennbar sei immerhin, dass in erster Linie objektive Gründe zur Zerrüttung der Ehe geführt hätten. Zwar dürften auch Verschuldensmomente eine Rolle spielen; doch lasse sich nicht sagen, in welchem Ausmass dies der Fall sei. Jedenfalls seien die Verschuldensmomente im Vergleich zu den objektiven Zerrüttungsursachen von untergeordneter Bedeutung, weshalb die Ehe der Parteien auch in Gutheissung der Widerklage zu scheiden sei. Damit ist die Vorinstanz indessen ihrer Aufgabe nicht nachgekommen. Der Sachrichter darf sich im Scheidungsprozess nicht mit einer derart pauschalen Betrachtungsweise begnügen, sondern er hat die Zerrüttungsursachen im einzelnen festzustellen und zu ermitteln, in welchem Grad sie für die Zerrüttung kausal sind. Nur so ist es dem Bundesgericht als Berufungsinstanz möglich, die Rechtsfrage zu beurteilen, ob und in welchem Masse die als kausal festgestellten Zerrüttungsfaktoren der einen oder andern Partei zum Verschulden angerechnet werden müssen (vgl. BGE 92 II 140). Indem die Vorinstanz die Ursachen der Zerrüttung nicht im einzelnen ergründet hatte, hat sie nicht nur gegen Art. 51 Abs. 1 lit. c


BGE 108 II 364 S. 368
der Vorinstanz". Es ist aber fraglich, ob es sich die diesbezüglichen Feststellungen des Bezirksgerichts wirklich zu eigen machen wollte, lassen diese doch wohl keinen andern Schluss zu, als dass den Beklagten ein erhebliches Verschulden am Scheitern der Ehe trifft. Vor allem aber fehlt es an einer Auseinandersetzung mit diesen Vorfällen unter dem Gesichtspunkt der Kausalität. Das Obergericht sagt selber, die vom Bezirksgericht erwähnten Vorkommnisse gäben kein vollständiges Bild der zu beurteilenden Ehe. Man weiss daher nicht, ob und in welchem Masse sie zur Zerrüttung beigetragen haben.
Wollte man den Verweis auf die Feststellungen des Bezirksgerichts als genügend gelten lassen, so könnte der Vorinstanz jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, als sie zum vornherein davon absieht, das Verhalten der Parteien unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens zu würdigen. Die dafür gegebene Begründung, die Abklärung der Schuldfrage sei praktisch nicht möglich und die tieferen Ursachen der Zerrüttung seien nach den Erkenntnissen der Psychologie in den Charakteren der Parteien zu suchen, die willentlicher Beeinflussung nicht zugänglich seien, ist mit dem geltenden Scheidungsrecht nicht vereinbar. Dieses knüpft sowohl in Art. 142 Abs. 2




BGE 108 II 364 S. 369
mag de lege ferenda vertretbar sein; praktisch hat sie zur Folge, dass kaum mehr ein Ehegatte seinen gesetzlichen Anspruch auf eine Entschädigung im Sinne von Art. 151

