BGE-107-IV-7
Urteilskopf
107 IV 7
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Februar 1981 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
- Muss die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit des Täters aufgrund von zwei oder mehreren psychiatrischen Gutachten beantwortet werden, die sich in wesentlichen Punkten ganz oder teilweise widersprechen, kommt den betreffenden Aussagen der Fachleute nicht mehr jene Überzeugungskraft zu, die dem Richter ein Abweichen von ihnen ohne triftigen Grund verbieten würde (Präzisierung der Rechtsprechung)
Regeste (fr):
- Art. 11 CP. Appréciation de la responsabilité de l'auteur sur la base de plusieurs expertises psychiatriques divergentes.
- Lorsque la responsabilité de l'auteur doit être appréciée en fonction de deux ou plusieurs expertises psychiatriques qui divergent entre elles sur des points importants, celles-ci ne bénéficient plus du crédit qui est attaché aux avis d'experts et qui interdit au juge de s'écarter d'un tel avis sans motif déterminant (précision apportée à la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 11 CP. Apprezzamento della responsabilità in base a più perizie psichiatriche divergenti.
- Ove la responsabilità dell'agente debba essere apprezzata in base a due o più perizie psichiatriche che divergano tra di loro parzialmente o interamente su punti importanti, le stesse non beneficiano più del credito che è insito nei pareri peritali e che vieta al giudice di scostarsene senza un motivo determinante (precisazione della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 7
BGE 107 IV 7 S. 7
A.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte K. am 23. Oktober 1980 wegen wiederholter Unzucht mit einem Kinde im Sinne von Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 192 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 192 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
B.- K. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die
BGE 107 IV 7 S. 8
Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie dem Beschwerdeführer verminderte Zurechnungsfähigkeit in mittlerem Grad und mildernde Umstände im Sinne von Art. 64 Abs. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
5. Sodann geht in diesem Zusammenhang die Rüge fehl, das Obergericht sei ohne triftige Gründe von der Auffassung der Experten abgewichen. Im eigentlichen Sinne abgewichen ist die Vorinstanz einzig von den Schlussfolgerungen des Obergutachters. Dem Gutachten der Psychiatrischen Klinik Königsfelden ist es in seinen wichtigsten Prämissen gefolgt und hat lediglich die übrigens offensichtlich unsichere Aussage über eine leichte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit nicht übernommen. Vom Gutachten der Heil- und Pflegeanstalt Rosegg ist es überhaupt nicht abgewichen. Des weiteren hat das Obergericht eingehend begründet, warum es dem Obergutachten nicht gefolgt ist, und die dabei angeführten Gründe haben sich im Verfahren auf staatsrechtliche Beschwerde als sachlich vertretbar erwiesen. Das aber muss hier genügen. Die Rechtsprechung, der zufolge der Richter in Fachfragen von der Auffassung eines Experten nur abweichen darf, wenn er dafür triftige Gründe anführen kann (BGE 102 IV 226, BGE 101 IV 129), kann nicht ohne weiteres auch auf den Fall Anwendung finden, wo die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit des Täters aufgrund von zwei oder mehreren psychiatrischen Gutachten beantwortet werden muss, die voneinander in wesentlichen Punkten ganz oder teilweise abweichen. Hier muss der Sachrichter in freier Würdigung seine Wahl treffen können, ohne an eine andere Schranke als diejenige des Willkürverbots gebunden zu sein; denn sind schon die Fachleute unter sich nicht einig, dann kommt auch ihren Aussagen nicht jene Überzeugungskraft zu, die ein Abweichen von ihnen ohne "triftigen" Grund verbieten würde.
Gesetzesregister
StGB 11
StGB 64
StGB 191
StGB 192
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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