Urteilskopf

107 Ia 7

3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Juni 1981 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 7

BGE 107 Ia 7 S. 7

X. ersuchte in verschiedenen Beschwerdeverfahren vor dem Vormundschaftsinspektor des Kreises Schaffhausen erfolglos um die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. Auf Beschwerde hin bestätigte der Regierungsrat den ablehnenden Entscheid des Vormundschaftsinspektors und verweigerte der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Verbeiständung auch im regierungsrätlichen
BGE 107 Ia 7 S. 8

Verfahren (Entscheid vom 23. Dezember 1980). Hiegegen führt X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in bezug auf die Verweigerung des unentgeltlichen Rechtsbeistands im Rekursverfahren vor dem Regierungsrat gut, aus folgender
Erwägungen

Erwägung:

4. Die Beschwerdeführerin beanstandet auch, dass ihr für das Rekursverfahren vor dem Regierungsrat ein unentgeltlicher Rechtsbeistand verweigert wurde. Hier wurde das Gesuch mit der Einreichung des Rechtsmittels gestellt. Der Regierungsrat hat zudem ausdrücklich anerkannt, dass die Beschwerdeführerin mittellos sei, dass ihr Rekursbegehren nicht von vornherein als aussichtslos habe betrachtet werden können und dass die sich im Verfahren stellenden Fragen nicht ganz leicht zu beantworten gewesen seien. Wenn er gleichwohl dem Begehren nicht entsprochen hat, so deshalb, weil er der Auffassung war, es sei im Rekursverfahren nur noch um finanzielle Interessen gegangen, weshalb bei der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege Zurückhaltung am Platz sei. Er stützte sich bei dieser Argumentation auf BGE 104 Ia 77. In jenem Urteil hat das Bundesgericht ausgeführt, beim Entscheid darüber, ob ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung bestehe, sei unter anderem auch die Tragweite des Rechtsstreites von Bedeutung; dabei sei eine gewisse Zurückhaltung dort am Platz, wo es ausschliesslich oder vorwiegend um finanzielle Interessen gehe. Diese Aussage darf nicht so allgemein verstanden werden, wie ihre Formulierung dies nahelegen mag; denn die meisten Zivilprozesse werden ausschliesslich oder mindestens vorwiegend wegen finanzieller Interessen geführt. Die erwähnte Zurückhaltung müsste daher für solche Prozesse praktisch ausnahmslos gelten, was von der Sache her nicht zu rechtfertigen wäre. In jenem Entscheid ging es um den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Rahmen einer scheidungsrechtlichen Auseinandersetzung. Das Bundesgericht wollte mit dem Zusatz namentlich zum Ausdruck bringen, dass in einem solchen Prozess bei Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung eine gewisse Zurückhaltung am Platz sei, sofern nur noch um finanzielle Nebenpunkte gestritten werde, der Streit aber nicht mehr grundlegende familienrechtliche Fragen betreffe. Die Ausführungen im erwähnten Urteil sind daher in diesem Sinn einzuschränken. Ob im übrigen eine
BGE 107 Ia 7 S. 9

ähnliche Zurückhaltung hinsichtlich gewisser finanzieller Streitpunkte auch in anderen Prozessen gerechtfertigt ist, kann dahingestellt bleiben. Hier liegt klarerweise nicht ein solcher Fall vor. Der Regierungsrat hat ausdrücklich alle anderen Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung im Rekursverfahren als gegeben bezeichnet. Da eine Zurückhaltung bei Streitigkeiten über finanzielle Interessen nach dem Gesagten hier nicht gerechtfertigt werden kann, erweist sich die Ablehnung des Gesuches für das Rekursverfahren als mit sachlichen Gründen nicht haltbar. Insoweit ist deshalb der angefochtene Entscheid wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufzuheben. Der Regierungsrat wird der Beschwerdeführerin für das Rekursverfahren die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen haben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 107 IA 7
Datum : 24. Juni 1981
Publiziert : 31. Dezember 1981
Quelle : Bundesgericht
Status : 107 IA 7
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 4 BV; Voraussetzungen des Anspruchs auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. Zurückhaltung bei Gewährung
Einordnung : Präzisierung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BGE Register
104-IA-72 • 107-IA-7
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
besteller • bundesgericht • entscheid • finanzielles interesse • frage • kreis • nebenpunkt • rechtsmittel • regierungsrat • sachverhalt • staatsrechtliche beschwerde • unentgeltliche rechtspflege • weiler • zivilprozess