Urteilskopf

106 IV 375

92. Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember 1980 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 375

BGE 106 IV 375 S. 375

A.- M. hat als Eigentümer über die in einem Mietobjekt ausgeführten Renovationsarbeiten eine Abrechnung erstellt und sie vom Maler N. quittieren lassen. Dieses Schriftstück verwendete er in der Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Mieter als Beleg für die Höhe der von diesem zu bezahlenden Instandstellungskosten und reichte es als Beweismittel im Forderungsprozess dem Bezirksgericht Lenzburg ein. Die in der von M. erstellten Abrechnung aufgeführten Zahlen entsprechen - entgegen dem Anschein - nicht den effektiv an N. bezahlten Beträgen. M. liess die Arbeiten in Regie durch von ihm engagierte Kräfte (Maler N. und einen Hilfsarbeiter) ausführen und lieferte das Material. Nach den Feststellungen im kantonalen Verfahren entspricht die mit der Abrechnung geforderte Summe ungefähr den Kosten, welche bei Ausführung der Arbeiten durch ein Malergeschäft entstanden wären.
B.- Während das Bezirksgericht Lenzburg M. von der gegen ihn wegen dieser Sache erhobenen Anklage des Betruges und der Urkundenfälschung freisprach, erachtete das Obergericht den Tatbestand der Urkundenfälschung als erfüllt und verurteilte M. deswegen sowie wegen einer in diesem Verfahren nicht zur Diskussion stehender Sachbeschädigung zu 6 Wochen Gefängnis.
C.- Gegen den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung führt M. Nichtigkeitsbeschwerde.
BGE 106 IV 375 S. 376

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Dass die von M. dem Bezirksgericht als Beweismittel eingereichte, durch N. unterzeichnete Abrechnung eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB darstellt, ist unbestritten. Das Schriftstück ist bestimmt und geeignet, in der Auseinandersetzung mit dem Mieter zu beweisen, welchen Betrag M. für die Instandstellung der Wohnung dem beauftragten Handwerker bezahlt hat. Unbestritten ist auch, dass der Inhalt der Urkunde insofern unwahr ist, als M. dem N. nicht die in der Abrechnung erwähnten Beträge vergütete, sondern die Arbeit unter Beizug von N. in eigener Regie ausführen liess, dementsprechend das Material und die Hilfskraft direkt bezahlte und den Maler N. mit einem regulären Arbeitslohn (teilweise durch Kost und Logis) entschädigte. Die Zahlung an einen beauftragten Handwerker, die mit der Abrechnung belegt werden sollte, ist also in dieser Form und dieser Höhe nicht erfolgt.
2. In der Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass M. durch die Erstellung der inhaltlich unwahren Abrechnung die objektiven Tatbestandselemente der Falschbeurkundung erfüllt hat. Der Beschwerdeführer anerkennt die Unrechtmässigkeit der Urkunde, vertritt aber die Auffassung, weil die vom Mieter mit der unrechtmässigen Urkunde geforderten Renovationskosten nicht übersetzt gewesen seien, sei der durch die inhaltlich unwahre Urkunde angestrebte Vorteil kein unrechtmässiger; es fehle das subjektive Tatbestandselement des Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein unrechtmässiger Vorteil auch darin, dass für einen an sich begründeten Anspruch wegen Fehlens von Beweisen ein falscher Beleg geschaffen bzw. verwendet wird; auch wer nicht einen materiell unrechtmässigen Anspruch durchsetzen will, aber Beweisschwierigkeiten bei der Durchsetzung eines berechtigten Anspruches durch eine falsche Urkunde zu überwinden sucht, verschafft sich gemäss ständiger Praxis im Sinne von Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB einen unrechtmässigen Vorteil (BGE 106 IV 42, BGE 102 IV 34 E. 2c, BGE 83 IV 81). b) Diese Rechtsprechung wird von STRATENWERTH kritisiert (Bes. Teil II, 2. Aufl. S. 181). Er macht geltend, das Gesetz
BGE 106 IV 375 S. 377

könne unmöglich den Vorteil meinen, der schon im Beweiswert der Urkunde als solchem liege; der Vorteil müsse vielmehr ein mit Hilfe des (unrechtmässigen) Beweiswertes erstrebter sein, und wenn es insoweit um die blosse Durchsetzung bestehender Rechte oder die Abwehr von Unrecht gehe, so sei das per definitionem kein unrechtmässiger Vorteil. c) Würde man im Sinne dieser Argumentation den unrechtmässigen Beweiswert nicht als unrechtmässigen Vorteil betrachten, sondern darauf abstellen, ob der mit dem unrechtmässigen Beweis erstrebte materielle Vorteil unrechtmässig sei, so hätte dies zur Folge, dass jede noch so krasse Urkundenfälschung zur Durchsetzung eines berechtigten oder vom Täter für berechtigt gehaltenen Anspruchs straflos bleiben müsste. Die Grenze des Strafbaren könnte dabei natürlich nicht so gezogen werden, dass nur jene Fälle straflos blieben, in denen aufgrund anderer Beweise die Berechtigung des mit einer falschen Urkunde vertretenen Anspruchs bewiesen wäre, sondern der Einwand, der Täter habe mit der falschen Urkunde einen berechtigten Anspruch durchsetzen wollen und somit keinen unrechtmässigen Vorteil angestrebt, wäre stets zu hören und könnte nur mit dem Beweis widerlegt werden, dass der Täter bewusst einen materiell nicht begründeten Anspruch mit Hilfe der falschen Urkunde durchsetzen wollte. Für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Formulierung von Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB jedem, der sich materiell im Recht glaubt, erlauben wollen, zur Durchsetzung seines Rechtes mit falschen Urkunden zu operieren, lassen sich keine sachlichen Gründe finden (vgl. zur Strafwürdigkeit: CL. DU PASQUIER, Essai sur la nature juridique du faux en écriture, thèse Lausanne 1909, S. 161 und 175). Stratenwerth kann sich zwar auf eine Fussnote von Hafter berufen (HAFTER, Bes. Teil, 2. Hälfte S. 600 E. 3); doch fehlt dort für die angegebene "Konsequenz" jede Begründung. Ob nicht schon der unrechtmässige Beweisvorteil genüge, wird von Hafter nicht erörtet. Die weit gefasste Umschreibung des subjektiven Tatbestandselementes ("oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen") erlaubt und gebietet die Erfassung jedes strafwürdigen Strebens nach einem unrechtmässigen Vorteil mittels falscher Urkunden. Fälschungen als harmloser Scherz oder spielerische Unterhaltung sollen straflos bleiben
BGE 106 IV 375 S. 378

(SCHWANDER, 2. Aufl. Nr. 700). Wo hingegen die Verwendung einer falschen Urkunde der Täuschung im Rechtsverkehr dient, muss die Strafnorm nach ihrem Sinn und Zweck eingreifen, auch wenn der Täter den nicht widerlegbaren Einwand erhebt, er habe mit der falschen Urkunde einen berechtigten Anspruch durchsetzen wollen. An der bisherigen Praxis des Bundesgerichts ist daher festzuhalten.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 106 IV 375
Datum : 12. Dezember 1980
Publiziert : 31. Dezember 1981
Quelle : Bundesgericht
Status : 106 IV 375
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 251 Ziff. 1 StGB. Unrechtmässig ist der mit einer inhaltlich unwahren Urkunde angestrebte Beweisvorteil auch dann,
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
StGB: 110 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
BGE Register
102-IV-29 • 106-IV-375 • 106-IV-41 • 83-IV-81
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorteil • bundesgericht • maler • sachverhalt • beweismittel • lohn • arbeitnehmer • begründung des entscheids • form und inhalt • gerichts- und verwaltungspraxis • bescheinigung • bewilligung oder genehmigung • betrug • hilfsarbeit • kantonales verfahren • aargau • anklage • verurteilter • weiler • kassationshof
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