106 II 75
16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. März 1980 i.S. Iff AG und ARGE gegen Rathgeb (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 58 Abs. 1 SVG, Haftpflicht des Motorfahrzeughalters.
- Der Halter eines Motorfahrzeuges haftet gemäss Art. 58 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden.
Regeste (fr):
- Art, 58 al. 1 LCR, responsabilité civile du détenteur de véhicule automobile.
- Le détenteur de véhicule automobile ne répond, selon l'art. 58 al. 1 LCR, que du dommage corporel et matériel, mais pas des autres dommages.
Regesto (it):
- Art. 58 cpv. 1 LCS, responsabilità civile del detentore di un veicolo a motore.
- Il detentore di un veicolo a motore risponde ai sensi dell'art. 58 cpv. 1 LCS soltanto del danno corporale e materiale e non anche degli altri danni.
Sachverhalt ab Seite 75
BGE 106 II 75 S. 75
A.- Werner Rathgeb, der in Niederbipp einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, liess am 4. August 1977 durch seinen Angestellten Laube mit einem am Traktor befestigten Tieflockerungsgerät den Boden einer gepachteten Landparzelle aufbrechen. Als Laube mit dem Gerät auf ein Hindernis stiess, von dem er annahm, es sei ein Stein oder etwas Ähnliches, fuhr er zurück und überwand es mit Anlauf. Es handelte sich dabei, wie sich später herausstellte, um eine in nur geringer Tiefe ohne besondere Markierung verlegte Leitung der Elektrizitätsversorgung Niederbipp, durch welche u.a. das Kies- und Betonwerk der Iff AG und die Asphaltaufbereitungsanlage der einfachen Gesellschaft ARGE mit Strom versorgt werden. In beiden Betrieben fiel der Strom während 25 Stunden aus, was zu einer nahezu gänzlichen Stillegung der ausschliesslich mit elektrischer Energie betriebenen Einrichtungen führte.
BGE 106 II 75 S. 76
B.- Im April 1979 klagten die Iff AG und die ARGE beim Appellationshof des Kantons Bern gegen Rathgeb auf Zahlung von Fr. 11'462.-- und Fr. 36'500.-- Schadenersatz nebst Zins in gerichtlich zu bestimmender Höhe seit wann rechtens. Der Beklagte anerkannte während des Prozesses die Forderung der ARGE in der Höhe von Fr. 3'973.-- nebst 5% Zins seit 4. August 1977. In seinem Urteil vom 12. September 1979 hielt der Appellationshof diese Schuldanerkennung fest und wies die Klage, soweit weitergehend, ab.
C.- Mit vorliegender Berufung beantragen die Klägerinnen, das Urteil des Appellationshofs aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von Fr. 11'462.-- und Fr. 32'527.-- je nebst 5% Zins seit 23. Juni 1978 zu verpflichten oder die Sache zur Festsetzung des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Auffassung des Appellationshofes haftet der Beklagte als Motorfahrzeughalter gemäss Art. 58 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 62 - 1 Art und Umfang des Schadenersatzes sowie die Zusprechung einer Genugtuung richten sich nach den Grundsätzen des Obligationenrechtes153 über unerlaubte Handlungen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |
BGE 106 II 75 S. 77
beschädigten Sache, sondern umfasse sowohl damnum emergens wie lucrum cessans, worüber sich Lehre und Rechtsprechung schon unter der Herrschaft der gleichlautenden Bestimmungen der Art. 37 und 41 MFG einig gewesen seien. Sodann habe die Vorinstanz unbesehen die vom Experten vorgenommene Unterscheidung in Sachschäden als direkte Folge des Stromausfalles, direkt auf Sachschäden zurückzuführende Vermögensschäden und reine, nicht auf Sachschäden zurückgehende Vermögensschäden übernommen, obgleich dem Experten als juristischem Laien die Unterteilung in Sach-, Personen- und sonstigen Schaden nicht geläufig sei, was sich aus seiner Umschreibung des reinen Vermögensschadens eindeutig ergebe. Es handle sich bei den unter diesem Titel genannten Beträgen um entgangenen Gewinn und damnum emergens, die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Sachschaden zu zählen und vom Beklagten daher zu ersetzen seien.
2. Die Auffassung der Vorinstanz, der Beklagte hafte einzig und ausschliesslich, sofern die Voraussetzungen von Art. 58 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |
BGE 106 II 75 S. 78
Versicherungszeitschrift 1976, S. 5; SCHAER, Das gerissene Stromleitungskabel, Versicherungskurier 2/1979, S. 52). Die Beschränkung der Haftpflicht des Motorfahrzeughalters auf Personen- und Sachschaden ist offensichtlich nicht zufällig, sondern vom Gesetzgeber gewollt und systemgerecht, ist doch in weiteren Bestimmungen (Art. 61

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 61 - 1 Wird bei einem Unfall, an dem mehrere Motorfahrzeuge beteiligt sind, ein Halter körperlich geschädigt, so wird der Schaden den Haltern aller beteiligten Motorfahrzeuge nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens auferlegt, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.151 |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 63 - 1 Kein Motorfahrzeug darf in den öffentlichen Verkehr gebracht werden, bevor eine Haftpflichtversicherung nach den folgenden Bestimmungen abgeschlossen ist. |
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a | Ansprüche des Halters aus Sachschäden, die Personen verursacht haben, für die er nach diesem Gesetz verantwortlich ist; |
b | Ansprüche aus Sachschäden des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners des Halters, seiner Verwandten in auf- und absteigender Linie sowie seiner mit ihm in gemeinsamem Haushalt lebenden Geschwister; |
c | Ansprüche aus Sachschäden, für die der Halter nicht nach diesem Gesetz haftet; |
d | Ansprüche aus Unfällen bei Rennen, für welche die nach Artikel 72 vorgeschriebene Versicherung besteht. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 64 - Der Bundesrat bestimmt die Beträge, die als Ersatzansprüche der Geschädigten aus Personen- und Sachschäden von der Haftpflichtversicherung gedeckt werden müssen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 70 - Radfahrer haften nach Obligationenrecht168. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 62 - 1 Art und Umfang des Schadenersatzes sowie die Zusprechung einer Genugtuung richten sich nach den Grundsätzen des Obligationenrechtes153 über unerlaubte Handlungen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30 |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |
BGE 106 II 75 S. 79
von einem sonstigen Schaden betroffen worden ist, selbst wenn dieser mit dem einem anderen erwachsenen Sachschaden mittelbar zusammenhängt.
3. Der Erstklägerin ist gemäss der bei Ingenieur Hösli eingeholten betriebswirtschaftlichen Schadensbeurteilung, deren Ergebnisse die Klägerinnen nach der Feststellung der Vorinstanz anerkannt haben, offensichtlich kein Sachschaden im Sinne von Art. 58 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |
Die Zweitklägerin hat insofern einen Sachschaden erlitten, als der Asphalt, der sich in der Aufbereitungsanlage befand, unbrauchbar wurde und aus ihr entfernt werden musste. Dass dieser Sachschaden mehr als die vom Beklagten anerkannten Fr. 3'973.-- betrage, darin insbesondere der entgangene Gewinn oder andere zu berücksichtigende Rechnungsgrössen nicht verrechnet wurden, macht die Zweitklägerin nicht geltend. Der weitere Schaden, den der Experte als reinen, nicht direkt auf Sachschäden zurückzuführenden Vermögensschaden bezeichnete, steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem der Zweitklägerin erwachsenen Sachschaden und erweist sich demnach eindeutig als sonstiger Schaden, der gemäss Art. 58 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 58 - 1 Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet der Halter für den Schaden. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes (I. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 12. September 1979 bestätigt.