106 Ia 9
4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. März 1980 i.S. Gemeinde Vaz/Obervaz gegen Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Verwirkung von Perimeterbeiträgen.
- Auslegung einer Bestimmung, nach der der Perimeterentscheid spätestens im Zeitpunkt der Vollendung des Werkes öffentlich aufzulegen ist.
Regeste (fr):
- Péremption des contributions dues pour l'amélioration d'une route par les propriétaires de biens-fonds compris dans un périmètre déterminé.
- Interprétation d'une disposition prévoyant que c'est au plus tard lors de l'achèvement de l'ouvrage que doit être mise à l'enquête publique la décision qui fixe le périmètre à l'intérieur duquel les propriétaires sont soumis à contribution, ainsi que le montant de celles-ci.
Regesto (it):
- Decadenza dal diritto d'imporre contributi di miglioria a carico dei proprietari di fondi compresi in un determinato perimetro.
- Interpretazione di una disposizione secondo cui va pubblicata al più tardi al compimento dell'opera la decisione che determina il perimetro entro il quale i proprietari fondiari sono soggetti a un contributo di miglioria, e l'ammontare di quest'ultimo.
Sachverhalt ab Seite 10
BGE 106 Ia 9 S. 10
Im Mai 1964 beschloss die Gemeinde Vaz/Obervaz, die von der Kantonsstrasse bei Valbella zum Weiler Sartons führende Strasse auf einem ersten Abschnitt zu korrigieren und zu Erschliessungszwecken auszubauen. Im August 1965 wurde sodann die Eröffnung des entsprechenden Perimeterverfahrens öffentlich bekanntgegeben. In der Folge bestellte die Regierung des Kantons Graubünden eine ständige Perimeterkommission (Kantonale Perimeterkommission für die Gemeinde Vaz/Obervaz). Spätestens im Sommer 1971 wurde der in Frage stehende Strassenabschnitt für den Verkehr eröffnet. Die Perimeterkommission beschloss, das Verfahren bis zum Vorliegen der amtlichen Grundstückschatzungen auszusetzen, die schliesslich im Juni 1977 vorlagen. Am 28./31. Juli 1978 erliess die Kommission den Entscheid, mit dem die sogenannte Privatinteressenz an dem fraglichen, Fr. 463'117.90 kostenden Strassenabschnitt auf 55% festgesetzt und unter Schaffung zweier Zonen auf An- und Hinterlieger verteilt wurde. Der Perimeterentscheid wurde alsdann vom 31. Juli bis zum 21. August 1978 öffentlich aufgelegt. Gegen den Perimeterentscheid erhoben eine Reihe von Grundeigentümern beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Rekurs. In Gutheissung des Rekurses hob dieses den Perimeterentscheid auf. Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil führt die Gemeinde Vaz/Obervaz staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Das Bundesgericht findet, dass die Gemeinde auf Grund von Art. 40 Abs. 5 der Kantonsverfassung im fraglichen Bereiche autonom sei und hebt das angefochtene Erkenntnis wegen Verletzung der Gemeindeautonomie auf, und zwar aus folgender
BGE 106 Ia 9 S. 11
Erwägungen
Erwägung:
5. a) Nach Art. 8 der Perimeterverordnung ist das Perimeterverfahren vor Beginn der Bauarbeiten durchzuführen, "oder sofern dies nicht möglich ist oder nicht angezeigt erscheint, mindestens so rechtzeitig einzuleiten, dass der Perimeterentscheid auf den Zeitpunkt der Vollendung der Werkanlage zur öffentlichen Auflage gelangen kann". Das Verwaltungsgericht hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass das Perimeterverfahren bis spätestens zur Inbetriebnahme des Werkes abgeschlossen sein müsse; andernfalls verliere die Gemeinde ihre Anspruchsberechtigung. Das sei im vorliegenden Falle schon im Sommer 1971 der Fall gewesen, d.h. schon bevor die Perimeterkommission ihre Arbeit aufgenommen hatte. Diese Auslegung kann das Bundesgericht nach dem Gesagten nur auf Willkür hin überprüfen. Eingreifen kann es somit nur dann, wenn sich ergeben sollte, dass sich die Stellungnahme des Verwaltungsgerichts als mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 106 Ia 9 S. 12
Rechtsunsicherheit entsteht, sorgt schon das Institut der Verjährung, das auch im Bereich des öffentlichen Rechts anerkannt wird, allenfalls selbst dort, wo ausdrückliche Vorschriften fehlen (vgl. BGE 105 Ib 11 E. 3a, BGE 101 Ia 21 E. 4, 98 Ib 355 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht nun aber nicht an einen langen Zeitablauf angeknüpft, sondern allein an die Tatsache, dass der Perimeterentscheid erst nach der Vollendung des Werks öffentlich aufgelegt wurde. Inwiefern bei einem solchen Vorgehen eine solche Rechtsunsicherheit entstehen soll, dass sie das Dahinfallen der Ansprüche des Gemeinwesens bewirken müsste, ist nicht einzusehen. Dass diese Ansprüche durch das blosse Überschreiten eines Zeitpunktes, der meist mehr oder weniger zufällig gegeben ist, endgültig untergehen sollen, lässt sich dem Wortlaut von Art. 8 der Perimeterverordnung jedenfalls nicht entnehmen. Eine solche Regelung wäre schon deshalb stossend, weil das Dahinfallen der Ansprüche des Gemeinwesens von der zufälligen Dauer der Bauarbeiten abhinge, die mit der Dauer der Arbeiten der Perimeterkommission in keinem Zusammenhang steht. So ist es denkbar, dass dringliche und kostspielige Bauarbeiten innerhalb einer verhältnismässig kurzen Zeit auszuführen sind, während das entsprechende Perimeterverfahren ausserordentlich zeitraubend sein kann. In einem solchen Falle wäre nach der Auslegung, die das Verwaltungsgericht Art. 8 der Perimeterverordnung gibt, die Erhebung von Beiträgen schlechthin ausgeschlossen. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts drängt sich sodann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Beitragspflichtigen auf, ist doch die Einleitung des Perimeterverfahrens gemäss Art. 9 Abs. 3 der Perimeterverordnung öffentlich bekanntzugeben; von dieser Bekanntgabe an wissen die Beitragspflichtigen somit, dass sie dem Gemeinwesen Abgaben zu leisten haben werden. Für seine Auslegung stützte sich das Verwaltungsgericht schliesslich auch auf Art. 12 Ziff. 2 der Perimeterverordnung, indes zu Unrecht. Nach dieser Bestimmung soll der Perimeterentscheid die Angaben über die mutmasslichen oder wirklichen Kosten des Werkes enthalten. Die wirklichen Kosten können in einem solchen Entscheid aber nur dann aufgenommen werden, wenn die fraglichen Bauarbeiten bereits abgeschlossen sind. Indem Art. 12 Ziff. 2 der Perimeterverordnung nicht nur die "mutmasslichen", sondern auch die "wirklichen Kosten"
BGE 106 Ia 9 S. 13
erwähnt, setzt er geradezu voraus, dass die Beiträge auch dann noch erhoben werden können, wenn der Perimeterentscheid erst nach der Fertigstellung des Werks aufgelegt wird. Gesamthaft betrachtet, hält die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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