106 Ia 28
7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Februar 1980 i.S. Nievergelt gegen Hochschulrat der Hochschule St. Gallen für Wirtschaft und Sozialwissenschaften und Regierungsrat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. 2 Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. - Die Wohnsitzpflicht der Professoren der Hochschule St. Gallen weist eine genügende gesetzliche Grundlage auf (E. 2a), liegt zudem im öffentlichen Interesse (E. 2b) und entspricht im vorliegenden Fall dem Gebot der Verhältnismässigkeit (E. 2c).
Regeste (fr):
- Art. 45 Cst. (liberté d'établissement); obligation de résidence imposée aux fonctionnaires.
- L'obligation faite aux professeurs de l'Université de Saint-Gall d'habiter le canton repose sur une base légale suffisante (consid. 2a), correspond en outre à un intérêt public (consid. 2b) et, en l'espèce, est conforme au principe de la proportionnalité (consid. 2c).
Regesto (it):
- Art. 45 Cost. (libertà di domicilio); obbligo di residenza imposto ai funzionari.
- L'obbligo imposto ai professori dell'università di San Gallo di risiedere nel cantone si fonda su di una base legale sufficiente (consid. 2a), corrisponde ad un interesse pubblico (consid. 2b) e, nella fattispecie, è conforme al principio della proporzionalità (consid. 2c).
Sachverhalt ab Seite 28
BGE 106 Ia 28 S. 28
Am 21. Dezember 1970 beschloss der Hochschulrat der Hochschule St. Gallen, Dr. Erwin Nievergelt auf den 1. April 1971 als ordentlichen Professor für Betriebswirtschaftslehre zu wählen. Dieser zog in der Folge mit seiner Familie nach St. Gallen. Das Haus in Uitikon (ZH), das er seinen Bedürfnissen entsprechend bauen liess und bisher bewohnt hatte, vermietete er. Auf den 1. April 1979 war Prof. Nievergelt neu zu wählen. Im Vorfeld der Erneuerungswahl verlangte Prof. Nievergelt, in den Anstellungsbedingungen sei die Residenzpflicht im Kanton St. Gallen zu streichen. Er begründete das damit, dass
BGE 106 Ia 28 S. 29
sich einerseits seine finanzielle Situation an der Hochschule in den letzten Jahren verschlechtert habe und er andererseits sein Haus in Uitikon nur zu einem ungenügenden Zins vermieten könne; er wolle deshalb sein grösseres Haus in St. Gallen verkaufen und nach Uitikon ziehen. Der Hochschulrat lehnte das Gesuch um Bewilligung der Wohnsitzverlegung am 11. August 1978 ab. Die beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt Prof. Nievergelt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit. Nach Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
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1 | Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
2 | Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. |
BGE 106 Ia 28 S. 30
dieser rechtlichen Ordnung hat der Hochschulrat die Befugnis, das Dienstverhältnis im Einvernehmen mit den Dozenten zu regeln. Eine solche weitgefasste Delegation der Regelungskompetenz ist im Hinblick auf die Verschiedenheit der zu ordnenden Beziehungen im besonderen Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinwesen und dessen Angestellten zulässig. Die beschränkenden Regeln, die für die Delegation zur Rechtsetzung gelten (vgl. BGE 104 Ia 310 E. 3e), sind hier nicht in gleicher Weise anwendbar. Sofern die Anstellungsbehörde keine dem geltenden Recht widersprechenden Bedingungen und Auflagen stellt, zudem die Gebote der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit beachtet und nicht in unverzichtbare Persönlichkeitsrechte etwa im Sinne von Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 106 Ia 28 S. 31
b) Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die Residenzpflicht von Beamten, und insbesondere von Hochschuldozenten, im öffentlichen Interesse liege. Er gibt sich indessen Rechenschaft darüber, dass seine Beschwerde in diesem Punkt kaum Aussicht auf Erfolg hat. Das Bundesgericht hat in BGE 103 Ia 457 erkannt, dass Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
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1 | Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
2 | Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. |
BGE 106 Ia 28 S. 32
wird. Gleiches gilt für die Teilnahme an der Selbstverwaltung der Hochschule. Es leuchtet ein, dass das Interesse der Teilnahme an der Selbstverwaltung der Hochschule im allgemeinen grösser sein wird, wenn der Professor auch sonst mit dem Hochschulkanton verbunden ist, als wenn er nur während seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule anwesend ist, und der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anderswo liegt. Die Auferlegung der Wohnsitzpflicht liegt daher aus den von den kantonalen Behörden genannten Gründen im öffentlichen Interesse. Sie lässt dem Beschwerdeführer übrigens grosse Freiheit in der Wahl des Wohnortes innerhalb eines vielgestaltigen Kantons, sodass auch seine persönliche Freiheit in der Wahl eines zusagenden Wohnorts dadurch nicht übermässig beschränkt wird, sodass auch Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |