Urteilskopf

105 IV 319

81. Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1979 i.S. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 319

BGE 105 IV 319 S. 319

A.- Frau W. erlangte in einer gegen ihren Bruder S. für gewährte Darlehen eingeleiteten Betreibung für einen Teilbetrag von Fr. 53'278.45 die provisorische Rechtsöffnung. Die darauf folgende Pfändung vom 3. Februar 1978 führte zu einem provisorischen Verlustschein. S. hatte anlässlich der Pfändung verschwiegen, dass er von der Firma E. monatlich einen Betrag von Fr. 4'800.-- bezog.
B.- Der Gerichtspräsident VI von Bern verurteilte S. am 25. Januar 1979 wegen Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren im Sinne von Art. 323 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
StGB zu 10 Tagen Haft unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs.
BGE 105 IV 319 S. 320

Auf Anschlussappellation des Generalprokurators würdigte die II. Strafkammer des Obergerichts in ihrem Urteil vom 8. Juni 1979 die Tat als Pfändungsbetrug nach Art. 164
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB und erhöhte die Strafe auf fünf Monate Gefängnis mit Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von 3 Jahren.
C.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anschuldigung des Pfändungsbetruges an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Pfändungsbetrug im Sinne von Art. 164 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB begeht der Schuldner u.a. dann, wenn er zum Nachteil seines Gläubigers sein Vermögen zum Schein dadurch vermindert, dass er Vermögensstücke verheimlicht. Die Bestrafung setzt zusätzlich die Ausstellung eines Verlustscheins voraus. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Fr. 4'800.-- (weniger AHV-Beitrag), welche ihm die Firma E. monatlich überwiesen hatte, seien Darlehen gewesen. Demgegenüber hat das Obergericht aufgrund eingehender Beweiswürdigung festgestellt, diese Beträge seien S. als Entgelt für seine Dienstleistungen in der Firma, nicht als Darlehen, ausbezahlt worden. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
und Art. 277bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BStP). Eine dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür hat der Kassationshof am 7. Dezember 1979 abgewiesen. Auf die weitschweifigen Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde, welche diese Feststellung bestreiten, kann nicht eingetreten werden. Sind aber diese monatlichen Bezüge von Fr. 4'800.-- Entschädigung für geleistete Arbeit und im voraus bezahltes Entgelt für die erwartete Vermittlung von Geschäftsbeziehungen, so sind sie gemäss Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
SchKG als Lohn pfändbar und damit Vermögen im Sinne von Art. 164
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, soweit sie das gesetzliche Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie übersteigen; dass die monatlichen Leistungen von Fr. 4'800.-- das Existenzminimum, welches nach dem angefochtenen Urteil jährlich Fr. 30-40'000.-- betrug, überschritten, ist offensichtlich.

BGE 105 IV 319 S. 321

Indem S. seine Bezüge nicht angab und dem Betreibungsbeamten erklärte, ohne Anstellung und Verdienst zu sein, hat er im Sinne von Art. 164
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB Vermögen verheimlicht. Das Verhalten des Beschwerdeführers gereichte der Gläubigerin zudem zum Nachteil, unterblieb doch einstweilen die Pfändung dieser Bezüge. Ein vorübergehender Nachteil genügt; er muss nicht irreparabel sein (BGE 102 IV 175, 85 IV 219 f.). Als objektive Strafbarkeitsbedingung reicht sodann ein provisorischer Verlustschein aus (BGE 74 IV 95f.). b) Die Vorinstanz führt aus, S. habe gewusst, dass die Zahlungen von monatlich Fr. 4'800.--, auch wenn er sie als Darlehen betrachtete, die er bei Gelingen eines grösseren Geschäfts zurückzahlen würde, zumindest einem Lohne ähnlich seien. Damit will das Obergericht sinngemäss sagen, der Beschwerdeführer habe ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet, solche monatlich gewährten Darlehen in stets gleicher Höhe seien einem Lohn zumindest ähnlich und könnten daher ebenfalls pfändbar sein. In der Tat fielen diese Gelder mit ihrer Übergabe zur völlig freien Verwendung in das Vermögen des Beschwerdeführers, auf das seine Gläubiger greifen konnten. Besondere Umstände, welche diese Gelder dem Zugriff der Gläubiger entzogen hätten, werden weder behauptet, noch sind sie ersichtlich. Der Beschwerdeführer rechnete nach den Feststellungen des Obergerichts damit, dass durch das Verschweigen dieser Einkünfte die Pfändung ungenügend und damit die Gläubigerin benachteiligt würde. Damit hat er aber, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, zumindest eventualvorsätzlich zum Nachteil der Gläubigerin Vermögen im Sinne von Art. 164
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB verheimlicht. Auch der subjektive Tatbestand ist demnach erfüllt.
c) Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob auch die von der Vorinstanz gegebene Eventualbegründung näherer Prüfung standhielte, wonach in der Aufnahme der Darlehen eine tatsächliche Vermögensverminderung durch Vermehrung der Passiven zu erblicken sei.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 105 IV 319
Datum : 07. Dezember 1979
Publiziert : 31. Dezember 1980
Quelle : Bundesgericht
Status : 105 IV 319
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 164 Ziff. 1 StGB. Der Schuldner hat dem Pfändungsbeamten auch jene Bezüge anzugeben, die er beim ungewissen Eintritt


Gesetzesregister
BStP: 273  277bis
SchKG: 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
StGB: 164 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 164 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
323
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
BGE Register
102-IV-172 • 105-IV-319 • 85-IV-217
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
monat • darlehen • schuldner • vorinstanz • lohn • kassationshof • sachverhalt • bundesgericht • existenzminimum • bedingter strafvollzug • geld • verlustschein • unternehmung • schaden • zugang • richtigkeit • staatsrechtliche beschwerde • wille • provisorische rechtsöffnung • konkursverfahren
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