Urteilskopf

105 IV 286

72. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Oktober 1979 i.S. Generaldirektion PTT gegen T. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 287

BGE 105 IV 286 S. 287

Aus den Erwägungen:

2. Das Verwaltungsstrafrecht regelt die Zulassung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile der kantonalen Gerichte insofern abweichend vom Bundesstrafprozess, als Art. 83
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
VStrR absichtlich nicht auf Art. 268
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
BStP verweist und die in dieser Bestimmung enthaltene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit unerwähnt lässt (vgl. PETER, ZStR 1974/90, S. 356). Im Bereiche des Verwaltungsstrafrechts ist daher entgegen Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile unterer Gerichte auch dann zulässig, wenn diese als einzige kantonale Instanz entschieden haben (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 30. Juli 1979 i.S. Ferraris c. Zürich).
3. Nach der nicht näher begründeten Auffassung von PETER (ZStR 1974/90, S. 354) soll die beteiligte Verwaltungsbehörde kein Rechtsmittel ergreifen können und die Beschwerdelegitimation ausschliesslich dem Bundesanwalt zustehen. Peter zieht diesen Schluss offenbar einerseits aus Art. 78 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 78 - 1 Die Verwaltung kann die Straf- oder Einziehungsverfügung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Bundes zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz nicht eröffnet ist.69
1    Die Verwaltung kann die Straf- oder Einziehungsverfügung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Bundes zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz nicht eröffnet ist.69
2    Bis zu diesem Zeitpunkte kann auch der Beschuldigte das Begehren um gerichtliche Beurteilung zurückziehen.
3    In diesen Fällen wird das gerichtliche Verfahren eingestellt.
4    Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Partei, die den Rückzug erklärt.
VStrR, wonach für den Rückzug der Strafverfügung während des Gerichtsverfahrens die Zustimmung des Bundesanwalts erforderlich ist, und anderseits aus der Vorschrift des Art. 80 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
VStrR, welche dem Bundesanwalt ausdrücklich die Befugnis zur Ergreifung kantonaler Rechtsmittel einräumt. Im vorliegenden Fall hat die Bundesanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt, so dass zu prüfen ist, ob die Generaldirektion PTT - entgegen der Auffassung von Peter - als beteiligte Verwaltung zur Beschwerde legitimiert ist. Für die selbständige Beschwerdelegitimation der beteiligten Verwaltung spricht Art. 74 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 74 - 1 Parteien im gerichtlichen Verfahren sind der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft des betreffenden Kantons oder des Bundes und die beteiligte Verwaltung.67
1    Parteien im gerichtlichen Verfahren sind der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft des betreffenden Kantons oder des Bundes und die beteiligte Verwaltung.67
2    Dem von der Einziehung Betroffenen stehen die gleichen Parteirechte und Rechtsmittel zu wie einem Beschuldigten.
VStrR, welcher für das gerichtliche
BGE 105 IV 286 S. 288

Verfahren der beteiligten Verwaltung (neben dem Beschuldigten, dem öffentlichen Ankläger des Kantons und dem Bundesanwalt) Parteistellung zuerkennt. In Art. 80 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
und Art. 83 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
VStrR wird allerdings ausdrücklich gesagt, dass die kantonalen Rechtsmittel und die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde "auch dem Bundesanwalt" zustehen. Aus dieser Formulierung lässt sich aber keineswegs ableiten, die beteiligte Verwaltung werde von der Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen und im Rechtsmittelverfahren durch den Bundesanwalt vertreten. Ein solcher Sinn kann auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass die Beschwerdelegitimation des Bundesanwalts in Art. 80 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
und Art. 83 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
VStrR besonders erwähnt wird, schliesst doch die in beiden Bestimmungen gebrauchte Wendung "auch dem Bundesanwalt" die Anfechtungsmöglichkeit anderer Parteien nicht aus. Hätte die Beschwerdebefugnis ausschliesslich dem Bundesanwalt erteilt, anderen Parteien (wie der beteiligten Verwaltung oder dem kantonalen Ankläger) aber entzogen werden wollen, so hätte eine solche Regelung im Gesetz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das ist nicht geschehen. Denkbar wäre, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung von Unzukömmlichkeiten, die sich aus der konkurrierenden Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen ergeben können, die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Verwaltung an das Erfordernis der Zustimmung des Bundesanwalts geknüpft hätte (analog zu Art. 78 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 78 - 1 Die Verwaltung kann die Straf- oder Einziehungsverfügung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Bundes zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz nicht eröffnet ist.69
1    Die Verwaltung kann die Straf- oder Einziehungsverfügung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Bundes zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz nicht eröffnet ist.69
2    Bis zu diesem Zeitpunkte kann auch der Beschuldigte das Begehren um gerichtliche Beurteilung zurückziehen.
3    In diesen Fällen wird das gerichtliche Verfahren eingestellt.
4    Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Partei, die den Rückzug erklärt.
VStrR). Für eine solche Beschränkung fehlt aber jeder Anhaltspunkt, so dass davon auszugehen ist, der beteiligten Verwaltung komme als Partei eine selbständige Beschwerdebefugnis zu. Der von der Generaldirektion PTT beim Obergericht des Kantons Zürich eingereichte Rekurs ist daher als eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 105 IV 286
Date : 05. Oktober 1979
Published : 31. Dezember 1980
Source : Bundesgericht
Status : 105 IV 286
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 268 Ziff. 1 BStP. In Verwaltungsstrafsachen ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile unterer Gerichte auch zulässig,


Legislation register
BStP: 268
VStrR: 74  78  80  83
BGE-register
105-IV-286
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
accused • administrative criminal law • authorization • cantonal remedies • court of cassation • executive board ptt • legitimation of appeal • party in the proceeding • remedies