104 IV 6
3. Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1978 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen H.
Regeste (de):
- Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. 2 Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. - Die Untersuchungshaft muss auf die Freiheitsstrafe angerechnet werden, die in dem Verfahren ausgefällt wurde, in welchem der Angeklagte auch die Haft erstanden hat.
Regeste (fr):
- Art. 69 CP.
- La détention préventive doit être déduite de la peine privative de liberté prononcée à la suite de la procédure au cours de laquelle le condamné a donné matière à ce qu'elle soit ordonnée.
Regesto (it):
- Art. 69 CP.
- Il carcere preventivo sofferto deve essere computato nella pena privativa della libertà personale pronunciata nel procedimento durante il quale il condannato ha subito il carcere preventivo.
Sachverhalt ab Seite 7
BGE 104 IV 6 S. 7
A.- H. war am 19. Mai 1976 vom Korrektionsgericht Vevey wegen wiederholten Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten abzüglich 14 Tage Untersuchungshaft verurteilt worden. Im Jahre 1977 wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eröffnet, in dessen Verlauf er sich vom 5. bis 13. Mai und vom 1. Juni bis 15. August in Sicherheitshaft befand. Am 11. Oktober 1977 bestrafte ihn das Strafgericht Basel-Stadt wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das BetmG zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von acht Monaten. Gleichzeitig widerrief es den H. vom Korrektionsgericht Vevey gewährten bedingten Vollzug der Strafe, erklärte diese aber als getilgt durch die vom Korrektionsgericht angerechneten 14 Tage Untersuchungshaft und die im neuen Strafverfahren vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Sicherheitshaft. Die vom 5. bis 13. Mai 1977 erstandene Haft wurde auf die neue Strafe angerechnet.
B.- Auf Rekurs der Staatsanwaltschaft bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Februar 1978 den erstinstanzlichen Entscheid bezüglich der Anrechnung der im neuen Strafverfahren erstandenen Sicherheitshaft.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die von H. vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Untersuchungshaft ebenfalls an die neu ausgefällte Strafe von acht Monaten Gefängnis anrechne und nicht an die Vorstrafe des Korrektionsgerichtes Vevey. H. hat sich innert der ihm gesetzten Frist nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Unbestritten ist, dass dem Beschwerdegegner die gesamte Dauer der im neuen Strafverfahren erstandenen Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Zur Entscheidung steht einzig, ob die Haft teils auf die frühere, teils auf die neue Strafe angerechnet werden kann. Die Staatsanwaltschaft stellt sich auf den Standpunkt, die Haft hätte ausschliesslich
BGE 104 IV 6 S. 8
auf die neue Strafe angerechnet werden dürfen mit der Folge, dass ein Rest der früheren Strafe zu verbüssen sei. Die Vorinstanz anerkennt, dass die Freiheitsstrafe, von welcher das Gesetz spricht, in der Regel die Strafe ist, zu der der Angeklagte im hängigen Verfahren verurteilt wird. Ständen in diesem Verfahren aber zwei Freiheitsstrafen zur Diskussion, so lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht ohne weiteres entnehmen, auf welche von ihnen die Haft anzurechnen sei. Auch in diesem Fall werde es regelmässig die neue Strafe sein, sofern sie vollzogen werde. Treffe das nicht zu, müsse die Haft vernünftigerweise auf die Strafe angerechnet werden, die der Angeklagte nach dem Urteil tatsächlich zu verbüssen habe, hier also - da die neue Strafe bedingt aufgeschoben worden sei - auf die nunmehr vollziehbare frühere Strafe. Zwar hänge die Haft hier ausschliesslich mit der neuen Straftat zusammen. Wo jedoch die Voraussetzungen für die Anrechnung erfüllt seien, gehe es nicht mehr um Sinn und Zweck der Sicherheitshaft, die sich von denen der Strafverbüssung in verschiedener Hinsicht unterschieden (BGE 102 IV 157), sondern um jene der Anrechnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sei diese eine Billigkeitsmassnahme, durch welche vermieden werden solle, dass sich der Angeklagte vor dem Urteil der Haft und nachher überdies der Strafe, also einem doppelten Freiheitsentzug unterziehen müsse. Dem entspreche, dass nach der Praxis der Anrechnung die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung zukomme (BGE 102 IV 157, BGE 101 IV 387). Unter diesen Umständen aber könne es nicht mehr entscheidend auf den ursprünglichen Zusammenhang zwischen Tat und Haft ankommen, sondern vielmehr darauf, ob in ein und demselben Verfahren der anrechenbaren Haft eine zu verbüssende Freiheitsstrafe gegenüberstehe. Es erschiene als unbillig, wenn dem Angeklagten, der sich während längerer Zeit in Haft befunden habe, einerseits der bedingte Strafvollzug gewährt würde, er aber anderseits ungeachtet der erstandenen Haft einen gleichzeitig beurteilten Vorstrafenrest verbüssen müsste. Ähnliche Überlegungen lägen BGE 87 IV 1 zugrunde.
2. Der Vorinstanz ist zuzugestehen, dass Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
BGE 104 IV 6 S. 9
zu entnehmen. Wenn Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
|
1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
BGE 104 IV 6 S. 10
zwei Verfahrensgänge mit unterschiedlichem Verfahrensgegenstand (s. BGE 99 IV 194 oben). Zudem übersieht die Vorinstanz, dass die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht eine blosse Vollzugsmassnahme ist, sondern Inhalt eines sachrichterlichen Entscheides bildet, der nach Erschöpfung der Rechtsmittel in Rechtskraft erwächst (s. BGE 102 IV 160 E. 3). Wenn deshalb das Korrektionsgericht Vevey in seinem Urteil vom 19. Mai 1976 entschied, dass H. 14 Tage der im damaligen Verfahren erstandenen Untersuchungshaft auf die bedingt aufgeschobene Strafe anzurechnen seien, so ist damit auch die Frage der Anrechnung von Untersuchungshaft auf diese Strafe mangels Anfechtung auf dem Rechtsmittelweg rechtskräftig und endgültig entschieden worden, und es kann insoweit nicht vom zweiten Richter, der den Widerruf des bedingten Strafvollzuges ausspricht, die Rechtskraft durchbrochen werden, indem er auf die frühere Strafe zusätzlich eine im zweiten Strafverfahren erstandene Untersuchungshaft anrechnet. Ein solches Vorgehen wäre vor dem 1. Juli 1971, als in aller Regel der Richter den bedingten Strafvollzug widerrief, der ihn gewährt hatte, schon an sich unmöglich gewesen. Dafür aber, dass der Gesetzgeber mit der Änderung der Zuständigkeit in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
BGE 104 IV 6 S. 11
Auffassung. Aus BGE 87 IV 1 kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, zumal dort auch der Zusammenhang von Tat, Sicherheitshaft und Sanktion klar gegeben war.
3. Verletzt demnach der angefochtene Entscheid Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
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1 | Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. |
2 | Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts-Ausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 8. Februar 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.