104 IV 28
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Januar 1978 i.S. Jungo gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg
Regeste (de):
- Art. 26
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet.
1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. 2 Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. - Geltungsbereich des Vertrauensprinzips, speziell gegenüber Kindern.
Regeste (fr):
- Art. 26 LCR.
- Portée du principe dit de la confiance, notamment lorsqu'il s'agit d'enfants.
Regesto (it):
- Art. 26 LCS.
- Portata del principio dell'affidamento, in particolare trattandosi di fanciulli.
Sachverhalt ab Seite 28
BGE 104 IV 28 S. 28
A.- Am 24. Mai 1977, um ca. 16.10 Uhr fuhr Alfons Jungo mit seinem Personenwagen von Gurmels nach Liebisdorf/FR. Mit einem Tempo von etwa 60 km/h passierte er die Geschwindigkeitsbeschränkungstafel eingangs Liebisdorf und bremste dann auf ungefähr 40 bis 50 km/h ab, als er am rechten Strassenrand vor der Einfahrt zum Schulhausplatz etwa zwanzig Schulkinder sah. Er wich diesen Kindern ein wenig nach links aus, gegen den dort wartenden Schulbus zu, der nachher auf den Schulhausplatz einschwenkte. Während oder unmittelbar nach dem Kreuzen mit dem Schulbus erblickte Jungo ungefähr 20 m vor sich am linken Strassenrand drei Kinder, die korrekt in seiner Fahrrichtung marschierten. Nach seinen Aussagen lief dann plötzlich der Knabe Anton Spicher gegen die Strassenmitte, machte drei bis vier Sprünge und wurde dann von der linken vorderen Ecke des Personenwagens erfasst und weggeschleudert. Der Knabe blieb schwer verletzt liegen und starb später während des Transportes in das Spital.
B.- Das Zuchtgericht des Seebezirks sprach mit Urteil vom 16. September 1977 Alfons Jungo der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Tagen sowie zu einer Busse von Fr. 800.-.
BGE 104 IV 28 S. 29
Auf Strafkassationsbeschwerde des Verurteilten hin bestätigte das Kantonsgericht des Staates Freiburg (Strafkassationshof) am 28. November 1977 das erstinstanzliche Urteil.
C.- Jungo führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag das angefochtene Urteil aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz wirft Jungo fahrlässige Tötung, begangen durch Verletzung von Verkehrsregeln, vor. Zur Begründung wird vor allem ausgeführt, der Beschwerdeführer hätte in der Nähe der Kindergruppe seine Geschwindigkeit stark herabsetzen und ein Hupsignal geben müssen. Nach dem Kreuzen des Schulbusses hätte er, als er der drei dorfwärts gehenden Kinder ansichtig geworden sei, ebenfalls hupen und wesentlich langsamer fahren müssen. Sein Fehler sei die adäquate Ursache für den Tod des Knaben Spicher gewesen.
Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, es habe für ihn kein Anlass bestanden, langsamer zu fahren und zu hupen. Nach dem Vertrauensprinzip habe er davon ausgehen dürfen, die verkehrserzogenen Kinder würden sich korrekt verhalten. Es habe kein Anzeichen für die verkehrswidrigen Sprünge des Knaben gegen die Strassenmitte vorgelegen. Die Ansicht der Vorinstanz bedeute eine Überforderung des Automobilisten. Schliesslich rügt er eventualiter einen Verstoss gegen Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
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1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. |
3 | Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. |
4 | Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. |
2. Mit dem Hinweis auf eine angebliche Überforderung des Fahrzeugführers nimmt die Beschwerde offenbar Bezug auf Entscheide des Kassationshofes, in denen ein strafrechtliches Verschulden verneint wurde, weil ein korrektes Verhalten unter den gegebenen Verhältnissen vom Fahrzeugführer nicht verlangt werden konnte. Es handelte sich hierbei um aussergewöhnliche Situationen, wo die Anforderungen an die menschliche Beobachtungs- und Reaktionsfähigkeit überspannt worden wäre (vgl. etwa BGE 103 IV 103 ff., BGE 89 IV 105 f. und BGE 83 IV 84 f.). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage einer Überforderung der menschlichen Fähigkeiten, sondern allgemein um die Verhaltenspflichten eines Verkehrsteilnehmers im normalen Verkehrsablauf.
BGE 104 IV 28 S. 30
3. Nach dem in Art. 26
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
BGE 104 IV 28 S. 31
dass einer der Fussgänger direkt vor sein Auto gelangen könnte. c) Im übrigen schreibt Art. 26 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
BGE 104 IV 28 S. 32
Rand her gegen die Strassenmitte laufen könnte. Ein sofortiges Hupsignal hätte die Kinder gewarnt, und sofortiges Bremsen hätte zwar bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h die Gefahr eines Zusammenstosses nicht ganz behoben, aber aller Wahrscheinlichkeit nach doch gemildert. Wäre der Beschwerdeführer schon in der ersten Phase mit einer angemessenen Geschwindigkeit gefahren, so hätte er nötigenfalls auch rechtzeitig anhalten können. f) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Jungo in beiden Phasen der Fahrt pflichtwidrig verhalten und gegen die Vorschriften des SVG verstossen hat. Dass zwischen diesem pflichtwidrigen Verhalten und dem Tod des Knaben ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, ist unbestritten. Infolgedessen hat die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht der fahrlässigen Tötung schuldig erklärt.