Urteilskopf

104 Ib 87

16. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1978 i.S. Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz des Kantons St. Gallen gegen Wegebauer und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 88

BGE 104 Ib 87 S. 88

Gustav Wegebauer fuhr am 27. Juni 1976 auf seinem Motorfahrrad in Richtung Sevelen. In einer Doppelkurve kam er von der Fahrbahn ab und stiess gegen einen Begrenzungspfahl, wobei er sich am Kopf verletzte. Eine in der Folge durchgeführte Blutprobe ergab für den Zeitpunkt des Unfalls eine Mindesthöhe des Blutalkoholgehalts von 2,3 Gew. 0/00. Am 18. August 1976 verbot das st. gallische Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz Wegebauer das Führen eines Motorfahrrades für die Dauer von sechs Monaten und entzog ihm gestützt auf Art. 28 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses über administrative Ausführungsbestimmungen zum Strassenverkehrsgesetz vom 27. August 1969 (im folgenden: Bundesratsbeschluss, BRB) für die gleiche Dauer den Motorfahrzeug-Führerausweis. Mit Entscheid vom 24. März 1977 hob die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen den Führerausweisentzug auf und setzte das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen, von sechs Monaten auf vier Monate herab. Sie begründete dies im wesentlichen damit, für den Entzug des Führerausweises sei nach Aufhebung des BRB und nach Inkrafttreten der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (im folgenden: Verkehrszulassungsverordnung, VZV) keine ausreichende gesetzliche Grundlage mehr vorhanden. Das Amt für Administrativmassnahmen erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission sei aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betreffe. Die Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots wird nicht beanstandet.
BGE 104 Ib 87 S. 89

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Vorfall, der Anlass zu Administrativmassnahmen gegen den Beschwerdegegner gab, ereignete sich im Juni 1976, also noch unter der Geltung des Bundesratsbeschlusses vom 27. August 1969 und vor Inkrafttreten der neuen Verkehrszulassungsverordnung. Auch wurden das Fahrverbot und der Entzug des Führerausweises noch vor dem 1. Januar 1977 verfügt. Bei dieser Sachlage fragt sich, ob die Verwaltungsrekurskommission ihrem Entscheid vom 24. März 1977 zu Recht die auf den 1. Januar 1977 in Kraft getretenen neuen Vorschriften zugrundelegte, oder ob sie den alten Bundesratsbeschluss zur Anwendung hätte bringen müssen. b) Die neue Verkehrszulassungsverordnung enthält in Art. 151 eine Reihe von Übergangsbestimmungen, welche in der Hauptsache die Abgabe neuer sowie die Weitergeltung alter Ausweise und Kontrollschilder betreffen. Für die hier interessierende Frage stellt sie keine Vorschrift auf, auch nicht in Art. 151 Abs. 8
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 151 Übergangsbestimmungen - 1 Die Lernfahr- und Führerausweise nach Anhang 10 können ab Inkrafttreten dieser Verordnung abgegeben werden; sie müssen ab 1. Juli 1977 erteilt werden. Die nach altem Recht ausgestellten Ausweise berechtigen zum Führen von Fahrzeugen im bisherigen Umfang; sie sind gegen Ausweise nach Anhang 10 auszutauschen, wenn die Behörde den Inhaber dazu auffordert; die Kantone sorgen dafür, dass spätestens bis zum 31. Dezember 1995 alle nach altem Recht ausgestellten Ausweise ausgetauscht sind.421 Bei der Erteilung neuer Führerausweise an bisherige Fahrzeugführer sind folgende Regeln zu beachten:
VZV, wo bestimmt wird, dass die bisherigen Massnahmen und Strafen Anwendung finden, soweit nach den Übergangsbestimmungen der VZV bisherige Regelungen weitergelten. Auch das Strassenverkehrsgesetz selber enthält keine Übergangsbestimmung, auf welche abgestellt werden könnte. Ob der Vorfall vom Juni 1976 von der Verwaltungsrekurskommission nach altem oder nach neuem Recht zu beurteilen war, bestimmt sich deshalb aufgrund allgemeiner übergangsrechtlicher Grundsätze (BGE 99 Ib 153 E. 1; BGE 99 V 203; BGE 96 I 676). Führerausweisentzüge und Fahrverbote dienen der Sicherung des Verkehrs oder der Warnung des Betroffenen. Massnahmen der ersteren Art sind auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für das Führen eines Fahrzeuges nicht mehr erfüllt sind. Kommt ein Sicherungsentzug oder ein entsprechendes Fahrverbot in Betracht, so hat die jeweilige Behörde deshalb auf das Recht abzustellen, das im Zeitpunkt ihres Entscheids (Entzugsverfügung oder Rechtsmittelentscheid) in Kraft steht. Der Warnungsentzug knüpft an einen bestimmten Vorfall (Verletzung von Verkehrsregeln und Gefährdung des Verkehrs, Fahren in angetrunkenem Zustand, usw.) an. Insoweit ist deshalb das Recht anzuwenden,
BGE 104 Ib 87 S. 90

das im Zeitpunkt des zur Massnahme Anlass gebenden Vorfalls galt. Später in Kraft getretenes Recht ist jedoch dann massgebend, wenn es milder als das alte ist, was sich mit Rücksicht auf die besondere Natur des Warnungsentzugs rechtfertigt. Diese Grundsätze wurden bereits von den Bundesbehörden bei Inkrafttreten des SVG befolgt (vgl. Stauffer, Der Entzug des Führerausweises, S. 19, mit Hinweisen auf die Praxis des EJPD), und es besteht für das Bundesgericht kein Anlass, davon abzuweichen. c) Die Vorschriften der neuen Verkehrszulassungsverordnung sind hinsichtlich der Ausdehnung des Fahrverbots auf den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises milder als die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses, wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgehen wird. Die Verwaltungsrekurskommission nahm deshalb zu Recht an, der vom Amt für Administrativmassnahmen verfügte Warnungsentzug sei anhand des neuen Rechts zu überprüfen.
3. a) Nach dem Bundesratsbeschluss vom 27. August 1969 war für Motorfahrräder ein Führerausweis nicht erforderlich. Für den Fall, dass gegen den Führer eines Motorfahrrades (oder eines anderen mit einem Motor versehenen Fahrzeuges, für das ein Führerausweis nicht erforderlich war) ein Fahrverbot ausgesprochen wurde, bestimmte Art. 28 Abs. 1 BRB: "Wird ein Fahrverbot verfügt, so ist damit auch stets der Entzug eines allfälligen Führerausweises und das Verbot zum Führen aller Fahrzeugkategorien zu verbinden." In der Verkehrszulassungsverordnung wurde für Motorfahrräder neu ein Führerausweis eingeführt (Art. 27
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 27 Verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchungen - 1 Die Pflicht, sich einer verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung zu unterziehen, besteht für:
VZV), den jedoch nicht benötigt, wer den Führerausweis nach irgendeiner der in Art. 3
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 3 Ausweiskategorien - 1 Der Führerausweis wird für folgende Kategorien erteilt:
VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien besitzt. Ebenso benötigt bis Ende 1979 keinen solchen Ausweis, wer das 14. Altersjahr vor dem 1. Juli 1977 vollendet hat (Art. 151 Abs. 2
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 151 Übergangsbestimmungen - 1 Die Lernfahr- und Führerausweise nach Anhang 10 können ab Inkrafttreten dieser Verordnung abgegeben werden; sie müssen ab 1. Juli 1977 erteilt werden. Die nach altem Recht ausgestellten Ausweise berechtigen zum Führen von Fahrzeugen im bisherigen Umfang; sie sind gegen Ausweise nach Anhang 10 auszutauschen, wenn die Behörde den Inhaber dazu auffordert; die Kantone sorgen dafür, dass spätestens bis zum 31. Dezember 1995 alle nach altem Recht ausgestellten Ausweise ausgetauscht sind.421 Bei der Erteilung neuer Führerausweise an bisherige Fahrzeugführer sind folgende Regeln zu beachten:
VZV). Die neue Verordnung enthält im Abschnitt betreffend "Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern" unterschiedliche Bestimmungen in bezug auf den Führerausweisentzug (Ziff. 131) und den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder sowie das Fahrverbot (Ziff. 132). Art. 34
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 34 Führerausweis mit Beschränkungen - 1 Die kantonale Behörde kann den Führerausweis von Personen, welche die medizinischen Mindestanforderungen nach Anhang 1 auch mit Hilfsmitteln nicht mehr vollständig erfüllen, beschränken, statt ihn ganz zu entziehen.
VZV bestimmt für den Führerausweisentzug:
BGE 104 Ib 87 S. 91

"1 Der Entzug des Führerausweises für eine bestimmte Kategorie hat den Entzug des Ausweises für alle Motorfahrzeugkategorien zur Folge. Dies gilt nicht, wenn der Führerausweis aus medizinischen Gründen nur für eine bestimmte Kategorie entzogen werden muss oder der Führerausweis der Kategorie Bl oder D nicht aus Verkehrssicherheitsgründen, sondern aus gewerblichen Gründen entzogen werden muss. 2 In Härtefällen kann - unter Einhaltung der gesetzlichen Minimaldauer für alle Kategorien - der Führerausweis für verschiedene Ausweiskategorien von unterschiedlicher Dauer verfügt werden. Dies ist namentlich zulässig, wenn der Ausweisinhaber die Widerhandlung, die zum Entzug führte, mit einem Fahrzeug begangen hat, auf dessen Benützung er beruflich nicht angewiesen ist, und wenn der Betroffene als Führer der Kategorie, für die die Entzugsdauer verkürzt werden soll, unbescholten ist." Art. 37 Abs. 1
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 37 Umfang des Fahrverbotes - Das Fahrverbot gilt für jene Fahrzeugarten, für die es in der Verfügung angeordnet ist.
VZV bestimmt für den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot: "Der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot gelten nur für die Fahrzeugarten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind." b) Aus dieser Gegenüberstellung der Vorschriften des Bundesratsbeschlusses und der Verkehrszulassungsverordnung geht hervor, dass sich im neuen Recht keine dem alten Art. 28 Abs. 1 BRB entsprechende Bestimmung mehr findet, welche ausdrücklich vorschreibt, dass das Fahrverbot stets durch den Entzug eines allfälligen Führerausweises zu ergänzen sei. Eine solche Anordnung kann den neuen Vorschriften auch nicht sinngemäss entnommen werden. Es kann auf der andern Seite aber auch nicht gesagt werden, die Ergänzung des Führerausweisentzugs für Motorfahrräder oder des Fahrverbots durch den Entzug eines allfälligen Motorfahrzeug-Führerausweises finde in der Verordnung überhaupt keine Grundlage mehr. Wenn Art. 37 Abs. 1
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 37 Umfang des Fahrverbotes - Das Fahrverbot gilt für jene Fahrzeugarten, für die es in der Verfügung angeordnet ist.
VZV bestimmt, dass der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot nur für diejenigen Fahrzeugarten gelten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind, so ist das in dem Sinne zu verstehen, dass die Ausdehnung der Massnahme im Gegensatz zur alten Regelung nicht mehr obligatorisch vorgeschrieben, sondern dem pflichtgemässen Ermessen der verfügenden Behörde anheimgestellt ist. Dies geht auch aus einem bei den kantonalen Akten liegenden Schreiben der eidg. Polizeiabteilung hervor, in welchem ausgeführt wird, Art. 28 Abs. 1 BRB sei mit
BGE 104 Ib 87 S. 92

Absicht nicht unverändert in das neue Recht übernommen worden, und es bleibe künftig der Praxis überlassen, mit dem Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder dem Fahrverbot den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises zu verbinden. Der Auffassung der Verwaltungsrekurskommission, die Ausdehnung finde in der neuen Verordnung keine Grundlage mehr, kann deshalb nicht beigepflichtet werden.
4. Von der eben behandelten Frage verschieden ist die weitere, ob die Ergänzung des Motorfahrrad-Führerausweisentzugs oder des Fahrverbots durch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises mit der gesetzlichen Ordnung vereinbar sei. Das Bundesgericht hatte sich damit bereits in BGE 102 Ib 190 E. 2 b zu befassen und bejahte die Frage mit der Begründung, soweit Art. 28 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 29. August 1969 mit der Verfügung eines Fahrverbots stets auch den Entzug eines allfälligen Führerausweises verbinde, so liege das "in der Logik der gesetzlichen Ordnung und der Sachlage selber begründet". Wer nämlich mit verhältnismässig leichten und langsamen Fahrzeugen den Verkehr derart gefährde, dass ihm deren Benützung untersagt werden müsse, könne nicht gleichzeitig zum Verkehr mit Fahrzeugen von grösserer Betriebsgefahr zugelassen werden. Die Verwaltungsrekurskommission erhebt gegen diese Betrachtungsweise verschiedene Einwendungen. Sie macht vorerst geltend, Art. 16
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SVG setze für den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises, soweit es sich um einen Warnungsentzug handle, voraus, dass der zur Massnahme Anlass gebende Tatbestand mit einem Motorfahrzeug, für das ein Führerausweis benötigt werde, gesetzt worden sei. Motorfahrräder seien trotz des neu eingeführten Führerausweises den Fahrrädern nach wie vor weitgehend gleichgestellt. Ein Vorfall, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignet habe, könne deshalb nicht den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises nach Art. 16 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
oder 3 SVG zur Folge haben. Mit Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Ausdehnung macht die Verwaltungsrekurskommission geltend, für den Sicherungsentzug treffe es durchaus zu, dass nicht zum Verkehr mit Fahrzeugen von hoher Betriebsgefahr zugelassen werden könne, wer den Verkehr schon mit leichten und langsamen Fahrzeugen gefährde. Für den Warnungsentzug gelte diese Überlegung indes nicht in gleicher allgemeiner Weise. So
BGE 104 Ib 87 S. 93

lasse sich zum Beispiel aus dem Umstand, dass jemand eine Verkehrsregelverletzung begangen habe, namentlich in angetrunkenem Zustand gefahren sei, nicht ohne weiteres folgern, er hätte die gleiche Verfehlung mit einem Fahrzeug von wesentlich höherer Betriebsgefahr begangen. Es rechtfertigt sich angesichts dieser Einwendungen und in Anbetracht des Umstandes, dass offenbar auch bei Schaffung der neuen Verordnung Zweifel an der Gesetzmässigkeit der Ausdehnung bestanden, die Frage einer erneuten Überprüfung zu unterziehen.
5. a) Voraussetzung für einen Entzug des Führerausweises nach Art. 16 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
und 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SVG ist, wie die Verwaltungsrekurskommission zutreffend ausführt, dass der Tatbestand, der zur Massnahme Anlass gibt, mit einem Motorfahrzeug gesetzt wurde. Zwar ist nur in Art. 16 Abs. 3 lit. d und f ausdrücklich von einem Motorfahrzeug die Rede, doch muss die erwähnte Voraussetzung für sämtliche der in Art. 16 Abs. 2 und 3 genannten Entzugsgründe gelten. Dieser Grundsatz wurde schon in der Praxis der Bundesbehörden zum Motorfahrzeuggesetz von 1932 befolgt (vgl. VEB 1959, Nr. 72) und wurde in der Rechtsprechung zum Strassenverkehrsgesetz unverändert beibehalten (vgl. VPB 1968-69, Nr. 68). Das will jedoch nicht heissen, dass der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises wegen eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignete, im Widerspruch zu Art. 16
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SVG stehe. Motorfahrräder sind durchaus Motorfahrzeuge im Sinne der gesetzlichen Ordnung, wie sich aus der Legaldefinition von Art. 7 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 7 - 1 Motorfahrzeug im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Fahrzeug mit eigenem Antrieb, durch den es auf dem Erdboden unabhängig von Schienen fortbewegt wird.
SVG ergibt. Wenn sie im Verordnungsrecht weitgehend wie motorlose Fahrzeuge behandelt und den Fahrrädern gleichgestellt werden, so geschieht das nicht deshalb, weil ihnen die Eigenschaft von Motorfahrzeugen fehlen würde; Grund dafür ist vielmehr, dass Art. 25 Abs. 1 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 25 - 1 Der Bundesrat kann die nachstehenden Fahrzeugarten und deren Anhänger sowie ihre Führer ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieses Titels ausnehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufstellen:
SVG den Bundesrat ermächtigt, "Fahrräder mit Hilfsmotor, Motorhandwagen und andere Fahrzeuge von geringer Motorkraft oder Geschwindigkeit oder solche, die selten auf öffentlichen Strassen verwendet werden" ganz oder teilweise von den Bestimmungen des II. Titels des SVG auszunehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufzustellen (BGE 102 Ib 189 E. 2 a ist deshalb ungenau, wenn als Grundlage für das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen, Art. 19
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 19 - 1 Kinder dürfen vor dem vollendeten sechsten Altersjahr auf Hauptstrassen nur unter Aufsicht einer mindestens 16 Jahre alten Person Rad fahren.85
SVG genannt wird). Bei dieser Sachlage steht nicht im
BGE 104 Ib 87 S. 94

Widerspruch zur gesetzlichen Ordnung, wenn in der Verkehrszulassungsverordnung vorgesehen wurde, dass mit dem Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder dem Fahrverbot auch der Entzug eines allfällig vorhandenen Motorfahrzeug-Führerausweises verbunden werden könne, und zwar gilt dies ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesrat für das Führen von Motorfahrrädern im übrigen Vorschriften aufstellte, die von den für Motorfahrzeuge geltenden weitgehend abweichen und von diesen auch systematisch getrennt sind. b) Art. 16 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
und 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SVG spricht nur vom Entzug "des Führer- und Lernfahrausweises" und enthält keine Bestimmungen darüber, ob aufgrund eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrzeuges einer bestimmten Kategorie ereignete, stets der Führerausweis für sämtliche Motorfahrzeugkategorien zu entziehen sei, oder ob auch der Entzug für einzelne Kategorien in Frage komme. Der Bundesrat regelte die Frage in Art. 34
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 34 Führerausweis mit Beschränkungen - 1 Die kantonale Behörde kann den Führerausweis von Personen, welche die medizinischen Mindestanforderungen nach Anhang 1 auch mit Hilfsmitteln nicht mehr vollständig erfüllen, beschränken, statt ihn ganz zu entziehen.
VZV in dem Sinne, dass der Entzug des Führerausweises für eine der in Art. 3
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 3 Ausweiskategorien - 1 Der Führerausweis wird für folgende Kategorien erteilt:
VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien A bis G stets den Entzug des Führerausweises für alle Kategorien zur Folge hat, unter Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, die ebenfalls in Art. 34
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 34 Führerausweis mit Beschränkungen - 1 Die kantonale Behörde kann den Führerausweis von Personen, welche die medizinischen Mindestanforderungen nach Anhang 1 auch mit Hilfsmitteln nicht mehr vollständig erfüllen, beschränken, statt ihn ganz zu entziehen.
VZV vorgesehen sind. Demgegenüber gelten der Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises und das Fahrverbot nach Art. 37 Abs. 1
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 37 Umfang des Fahrverbotes - Das Fahrverbot gilt für jene Fahrzeugarten, für die es in der Verfügung angeordnet ist.
VZV nur für diejenigen Fahrzeugarten, für welche die Massnahme in der Entzugsverfügung angeordnet wird. Insoweit überlässt es die Verordnung, wie bereits ausgeführt, dem pflichtgemässen Ermessen der Behörde, den Umfang der Massnahme zu bestimmen. Diese Regelung, die der Bundesrat aufgrund seiner Vollzugskompetenz (Art. 106
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 106 - 1 Der Bundesrat erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Vorschriften und bezeichnet die zur Durchführung zuständigen eidgenössischen Behörden. Er kann das ASTRA zur Regelung von Einzelheiten ermächtigen.274
SVG) sowie der in Art. 25 Abs. 1 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 25 - 1 Der Bundesrat kann die nachstehenden Fahrzeugarten und deren Anhänger sowie ihre Führer ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieses Titels ausnehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufstellen:
SVG enthaltenen Ermächtigung treffen konnte, überschreitet den vom Gesetz bestimmten Rahmen nicht. Sie kann auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Ob die gegenüber einer obligatorischen Ausdehnung geäusserte Kritik in dieser Hinsicht begründet wäre, kann in Anbetracht der neuen Regelung dahingestellt bleiben. c) Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betrifft, und die Sache ist in diesem Umfang zu neuer Beurteilung an die Verwaltungsrekurskommission zurückzuweisen. Diese hat zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Verfehlung Wegebauers und der weiteren Umstände des Falles
BGE 104 Ib 87 S. 95

ein Entzug des Führerausweises zu verfügen, und für welche Dauer die Massnahme allenfalls auszusprechen sei.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 24. März 1977 aufgehoben, soweit er den Entzug des Führerausweises betrifft, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Beurteilung an die Verwaltungsrekurskommission zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 104 IB 87
Datum : 03. Februar 1978
Publiziert : 31. Dezember 1978
Quelle : Bundesgericht
Status : 104 IB 87
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises/Fahrverbot; Ergänzung durch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises; Art. 37.


Gesetzesregister
SVG: 7 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 7 - 1 Motorfahrzeug im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Fahrzeug mit eigenem Antrieb, durch den es auf dem Erdboden unabhängig von Schienen fortbewegt wird.
16 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
19 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 19 - 1 Kinder dürfen vor dem vollendeten sechsten Altersjahr auf Hauptstrassen nur unter Aufsicht einer mindestens 16 Jahre alten Person Rad fahren.85
25 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 25 - 1 Der Bundesrat kann die nachstehenden Fahrzeugarten und deren Anhänger sowie ihre Führer ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieses Titels ausnehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufstellen:
106
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 106 - 1 Der Bundesrat erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Vorschriften und bezeichnet die zur Durchführung zuständigen eidgenössischen Behörden. Er kann das ASTRA zur Regelung von Einzelheiten ermächtigen.274
VZV: 3 
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 3 Ausweiskategorien - 1 Der Führerausweis wird für folgende Kategorien erteilt:
27 
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 27 Verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchungen - 1 Die Pflicht, sich einer verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung zu unterziehen, besteht für:
34 
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 34 Führerausweis mit Beschränkungen - 1 Die kantonale Behörde kann den Führerausweis von Personen, welche die medizinischen Mindestanforderungen nach Anhang 1 auch mit Hilfsmitteln nicht mehr vollständig erfüllen, beschränken, statt ihn ganz zu entziehen.
37 
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 37 Umfang des Fahrverbotes - Das Fahrverbot gilt für jene Fahrzeugarten, für die es in der Verfügung angeordnet ist.
151
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 151 Übergangsbestimmungen - 1 Die Lernfahr- und Führerausweise nach Anhang 10 können ab Inkrafttreten dieser Verordnung abgegeben werden; sie müssen ab 1. Juli 1977 erteilt werden. Die nach altem Recht ausgestellten Ausweise berechtigen zum Führen von Fahrzeugen im bisherigen Umfang; sie sind gegen Ausweise nach Anhang 10 auszutauschen, wenn die Behörde den Inhaber dazu auffordert; die Kantone sorgen dafür, dass spätestens bis zum 31. Dezember 1995 alle nach altem Recht ausgestellten Ausweise ausgetauscht sind.421 Bei der Erteilung neuer Führerausweise an bisherige Fahrzeugführer sind folgende Regeln zu beachten:
BGE Register
102-IB-187 • 104-IB-87 • 96-I-673 • 99-IB-150 • 99-V-200
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
motorfahrrad • verkehrszulassungsverordnung • kategorie • frage • strassenverkehrsgesetz • dauer • warnungsentzug • bundesrat • betriebsgefahr • ermessen • monat • inkrafttreten • bundesgericht • sicherungsentzug • automobil • einwendung • treffen • entscheid • sachverhalt • umfang
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