103 IV 96
27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1977 i.S. K. und M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Art. 204
StGB.
- Der kantonale Sachrichter, der die Frage der Unzüchtigkeit einer Veröffentlichung zu beurteilen hat, ist bundesrechtlich nicht verpflichtet, das sittliche Empfinden des Durchschnittsbürgers durch eine Meinungsumfrage zu ermitteln. Auf keinen Fall könnte eine solche Umfrage den Richter von seiner Aufgabe entbinden, den Entscheid aufgrund selbständig wertender Rechtsfindung zu fällen.
Regeste (fr):
- Art. 204 CP.
- Le droit fédéral n'impose pas à l'autorité cantonale qui doit décider en qualité de juge du fait de l'obscénité d'une publication, de déterminer au moyen d'un sondage d'opinion quel est le sentiment du citoyen moyen en matière de moeurs. Un tel sondage ne saurait en aucun cas dispenser le juge de son devoir de statuer sur ce point en fonction de son pouvoir autonome d'appréciation.
Regesto (it):
- Art. 204 CP.
- Il diritto federale non impone al giudice cantonale di merito, chiamato a decidere se una pubblicazione sia oscena, di determinare mediante un'indagine demoscopica quale sia il sentimento del pudore del cittadino medio. Tale indagine non potrebbe comunque dispensare il giudice dal suo dovere di decidere su questo punto secondo il proprio potere autonomo d'apprezzamento.
Erwägungen ab Seite 96
BGE 103 IV 96 S. 96
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführer machen geltend, das für die Frage der Unzüchtigkeit einer Veröffentlichung massgebende Kriterium des Sittlichkeitsempfindens des Durchschnittsbürgers stelle eine statistische Tatsache dar, die mit den Mitteln der modernen empirischen Umfrageforschung festgestellt und bewiesen werden könne. Das Obergericht habe daher Art. 204
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BGE 103 IV 96 S. 97
b) Bei der "Unzüchtigkeit" im Sinne von Art. 204
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BGE 103 IV 96 S. 98
abzustellen, verbietet sich aber ebenfalls, wenn die Reaktion des Durchschnittsbürgers erkundet werden soll. Wer wiederholt ins Kino geht, um Sexfilme der zu beurteilenden Art anzusehen, fühlt sich offenbar in seinen sittlichen Empfindungen auch im Grenzbereich des objektiv Unzüchtigen noch nicht verletzt. Seine laxere Einstellung ist ebensowenig Massstab für den Bevölkerungsdurchschnitt wie die Überempfindlichkeit puritanischer Bevölkerungskreise. Im übrigen wäre eine zuverlässige Meinungsforschung selbst dann kaum durchzuführen, wenn der inkriminierte Film einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung vorgeführt würde, da die Antworten wohl häufig nicht ganz ehrlich lauten, sondern auf Konventionen, etc. Rücksicht nehmen würden. Das gilt vermehrt für private Erhebungen, bei denen die Befragten keiner Wahrheitspflicht unterliegen. d) Das Obergericht hat daher Bundesrecht nicht verletzt, wenn es nicht auf die eingereichte Studie abstellte, die beantragte Meinungsumfrage ablehnte und den Entscheid aufgrund selbständig wertender Rechtsfindung fällte.