103 IV 87
24. Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1977 i.S. x. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
Regeste (de):
- Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200
1 Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 2 Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. 3 Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, 4 Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. - Als "anvertrautes Gut" gelten nur vertretbare, körperliche Gegenstände, nicht auch Grundpfandverschreibungen, die keine Wertpapiere sind.
Regeste (fr):
- Art. 140 ch. 1 al. 2 CP.
- Seuls des biens corporels et fongibles peuvent être considérés comme des "choses confiées", à l'exclusion des actes de constitution de gages immobiliers, qui ne sont pas des papiers-valeurs.
Regesto (it):
- Art. 140 n. 1 cpv. 1 CP.
- Quali "cose affidate" entrano in considerazione solo beni corporali fungibili, non anche gli atti di costituzione di pegni immobiliari, che non sono carte-valori.
Sachverhalt ab Seite 87
BGE 103 IV 87 S. 87
A.- X. bestellte Frau M. durch Vertrag vom 11. Oktober 1972 als Sicherheit für ein Darlehen von Fr. 50'000.--, das später auf Fr. 60'000.-- erhöht wurde, zwei Schuldscheine mit Grundpfandverschreibung, lautend auf C. als Gläubiger und lastend im 3. und 4. Rang auf der dem H. gehörenden Liegenschaft Z. in N. Am 28. Februar 1973 verlangte X. von Frau M. die Aushändigung der im 4. Rang stehenden Grundpfandverschreibung über Fr. 36'000.--, damit er diese durch C. grundbuchamtlich erneuern und auf seinen Namen eintragen lassen könne. Frau M. überliess X. die Grundpfandverschreibung am 14. März 1973 mit dem Begehren um baldige Rückgabe. X. erstattete in der Folge die fragliche Grundpfandverschreibung Frau M. nicht zurück, sondern übergab sie am 28. April 1973 an S. als Sicherheit für verschiedene ihm von diesem gewährte Darlehen von insgesamt Fr. 20'000.--. Als S. die Liegenschaft Z. in N. am 1. November 1974
BGE 103 IV 87 S. 88
käuflich erwarb, liess er die fragliche Grundpfandverschreibung löschen.
B.- Das Bezirksgericht St. Gallen sprach X. am 9./16. März 1976 wegen dieses Vorfalls der Veruntreuung sowie anderer, hier nicht interessierender strafbarer Handlungen schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 12 Monaten, bei Gewährung des bedingten Strafvollzuges und Ansetzung der Probezeit auf 4 Jahre. Das Kantonsgericht St. Gallen bestätigte am 17. Januar 1977 den Schuldspruch hinsichtlich der Veruntreuung; es verurteilte X. ebenfalls zu einer bedingt vollziehbaren zwölfmonatigen Gefängnisstrafe, setzte aber die Probezeit auf 3 Jahre herab.
C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen insoweit aufzuheben, als es ihn der Veruntreuung schuldig erkläre, und die Sache zu seiner Freisprechung an dieses zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, unter anvertrautem Gut im Sinne des von der Vorinstanz mit Recht einzig zur Anwendung gebrachten Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
BGE 103 IV 87 S. 89
seiner Bedeutung unklaren Begriff "anvertrautes Gut" (HAFTER, II/1 S. 240) sich nicht aufdrängt. Das Strafgesetzbuch umschreibt den Begriff der Sache, den es bei den Aneignungsdelikten (Art. 137-141), andern Vermögensdelikten (Art. 143-145, 147) und bei den Betreibungs- und Konkursdelikten im Tatbestand des Verstrickungsbruches (Art. 169) verwendet, nicht näher. Nach der in Literatur und Rechtsprechung vorherrschenden und vom Kassationshof in BGE 81 IV 158 bei der Auslegung des Hehlereitatbestandes (Art. 144) übernommenen Auffassung sind darunter nur körperliche Gegenstände zu verstehen, nicht auch Forderungen, soweit diese nicht in einem Wertpapier verkörpert sind. Sowohl der herkömmliche Wortsinn wie die Ansicht des historischen Gesetzgebers beruhen auf dem Sachbegriff, wie ihn das Zivilrecht (Art. 713
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 713 - Gegenstand des Fahrniseigentums sind die ihrer Natur nach beweglichen körperlichen Sachen sowie die Naturkräfte, die der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können und nicht zu den Grundstücken gehören. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 965 - Wertpapier ist jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann. |
2. War die Grundpfandverschreibung, über die der Beschwerdeführer verfügte, weder ein Wertpapier noch eine vertretbare Sache im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.200 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr201 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.