103 IV 289
80. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1977 i.S. X., Y. und Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
Regeste (de):
- Art. 117
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
- 1. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die vom Täter erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt in den Rahmen der natürlichen Kausalität und gehört damit in den Bereich des Tatsächlichen (E. 1).
- 2. Kausalzusammenhang bei Mitwirkung eines äusseren Faktors (Materialfehlers); Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen vorgeworfener Unterlassung und eingetretenem Erfolg bejaht (E. 2).
- 3. Verschulden (E. 3).
Regeste (fr):
- Art. 117 CP; homicide par négligence résultant d'une omission.
- 1. La question de savoir avec quel degré de probabilité le fait de s'abstenir des actes commandés par la loi était de nature à provoquer l'accident mortel relève de l'établissement de la causalité naturelle et appartient dès lors à la constatation des faits (consid. 1).
- 2. Lien de causalité lorsque intervient un facteur extérieur (matériaux défectueux); admission de l'existence d'un lien de causalité adéquate entre l'omission et le résultat (consid. 2).
- 3. Culpabilité (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 117 CP; omicidio colposo risultante da un'omissione.
- 1. La determinazione del grado di probabilità con cui l'atto a cui era tenuto l'agente ma che è stato da lui omesso avrebbe potuto evitare l'infortunio mortale concerne la causalità naturale e rientra quindi nella sfera dell'accertamento dei fatti (consid. 1).
- 2. Rapporto di causalità in caso d'intervento di un fattore esterno (materiale difettoso); esistenza ammessa nella fattispecie di un rapporto di causalità adeguata tra l'omissione e l'evento (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 289
BGE 103 IV 289 S. 289
Am späteren Vormittag des 27. Dezember 1974 liess sich F. durch den ihm nicht vertrauten Skilift W. hochziehen. Am nächsten Schleppbügel folgten die beiden Knaben A. und
BGE 103 IV 289 S. 290
B. G. Bei der Bergstation angelangt, liess F. den Bügel los, bevor das Gehänge das Umlenkrad passiert hatte. Der Bügel wurde in der Folge um die Schrägstütze des Umlenkrades herumgeschleudert, worauf ein Zug entstand, der das Schleppseil unmittelbar beim Bügel zum Reissen brachte. Das Gehänge schoss nun talwärts gegen die Rollenbatterie des obersten Mastes, wo es sich verklemmte. Dies bewirkte erneut einen Zug, dem der Mast nicht zu widerstehen vermochte. Dieser stürzte um und begrub den sich noch am Skilift befindenden A. G. unter sich, der dadurch getötet wurde. Gegen X., Y. und Z. sowie gegen drei weitere Vorstandsmitglieder des Kur- und Verkehrsvereines W., der die Anlage im Juni 1974 von der Skilift W. AG übernommen und seither selbst betrieben hatte, wurde in der Folge Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Die Staatsanwaltschaft Graubünden warf ihnen vor, sie hätten als für den Betrieb des Skiliftes Verantwortliche pflichtwidrig unterlassen, einen sogenannten Zielwächter zur Beaufsichtigung der Bergstation einzustellen. Wegen dieser Unterlassung habe sich dort niemand befunden, der F. den Bügel hätte abnehmen können bzw. in der Lage gewesen wäre, den Lift durch Betätigen des Nothalteknopfes abzustellen, bevor der oberste Mast umgerissen worden wäre. Der Kreisgerichtsausschuss von Sur-Tasna erklärte die sechs Angeklagten am 11. Dezember 1976 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu Bussen zwischen 50 und 300 Franken. Hiegegen erhoben die Verurteilten kantonale Berufung, die durch den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 9. März 1977 abgewiesen wurde. X., Y. und Z. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerdeführer machen unter Berufung auf die Gutachter H. und I. geltend, das Einstellen eines Zielwächters hätte den Tod von A. G. nur möglicherweise, nicht aber mit der für eine Verurteilung erforderlichen an Sicherheit grenzenden
BGE 103 IV 289 S. 291
Wahrscheinlichkeit, verhindert, da ein Zielwächter durch einen schlecht übergebenen Bügel hätte aktionsunfähig werden können oder die Gefahr unter Umständen nicht erkannt und den Notschalter deshalb nicht bedient hätte. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die von den Beschwerdeführern erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Rahmen der natürlichen Kausalität (vgl. BGE 102 IV 102; BGE 101 IV 152 E. 2a und 2b). Sie gehört mithin in den Bereich des Tatsächlichen (BGE 101 IV 152 E. 2b mit Hinweisen), der auf Nichtigkeitsbeschwerde hin durch das Bundesgericht nicht überprüft werden kann (Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire. |
2. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass der umgestürzte Mast nicht vorschriftsgemäss verankert gewesen sei und dass er ohne diesen Mangel im schlimmsten Falle nur umgebogen worden wäre, versuchen die Beschwerdeführer, die Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen ihrer Unterlassung und dem Tod von A. G. in Zweifel zu ziehen. Zur Annahme eines adäquaten Kausalzusammenhanges ist indessen nicht erforderlich, dass die Pflichtwidrigkeit des ins Recht Gefassten die alleinige und unmittelbare Ursache des Erfolges sei. Es genügt, dass sein schuldhaftes Verhalten geeignet war, nach der Erfahrung des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu den tatsächlich eingetretenen Folgen zu führen (BGE 92 IV 87 mit Hinweis; dazu auch BGE 100 IV 283 f. E. 3d mit Hinweisen). Die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges entfiele im vorliegenden Fall dann, wenn der von den Beschwerdeführern hervorgehobene Materialfehlern so aussergewöhnlich gewesen wäre, dass damit schlechthin nicht gerechnet werden musste (BGE 100 IV 284 mit Hinweisen). Davon kann indessen keine Rede sein. Gewiss war der Verlauf des Unfalles nicht bis in alle Einzelheiten vorauszusehen. Dass jedoch das Fehlen eines Zielwächters, der eine Gefahr rechtzeitig hätte erkennen und die Anlage hätte ausser Betrieb setzen können, zu einer
BGE 103 IV 289 S. 292
Tötung führen konnte, ist nicht so abwegig, dass damit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hätte gerechnet werden müssen. Ob eine Person durch einen ungeschickt losgelassenen Bügel hätte am Kopf getroffen werden können, ob ein bei der Bergstation gestürzter ungeübter Skifahrer von einem nachfolgenden Skiliftbenützer hätte angefahren werden und auf diese Art tödliche Verletzungen (beispielsweise schwere Schnittwunden durch die Skikanten) hätte erleiden können, oder ob sich der Unfall so zugetragen habe, wie es tatsächlich geschah, ist für die Frage der Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen der Unterlassung der Beschwerdeführer, einen Zielwächter einzustellen, und dem Tod von A. G. ohne Belang (vgl. BGE 92 IV 88 unten mit Hinweisen).
3. Gemäss Art. 18 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 18 - 1 Si l'auteur commet un acte punissable pour se préserver ou préserver autrui d'un danger imminent et impossible à détourner autrement menaçant la vie, l'intégrité corporelle, la liberté, l'honneur, le patrimoine ou d'autres biens essentiels, le juge atténue la peine si le sacrifice du bien menacé pouvait être raisonnablement exigé de lui. |
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1 | Si l'auteur commet un acte punissable pour se préserver ou préserver autrui d'un danger imminent et impossible à détourner autrement menaçant la vie, l'intégrité corporelle, la liberté, l'honneur, le patrimoine ou d'autres biens essentiels, le juge atténue la peine si le sacrifice du bien menacé pouvait être raisonnablement exigé de lui. |
2 | L'auteur n'agit pas de manière coupable si le sacrifice du bien menacé ne pouvait être raisonnablement exigé de lui. |
Diese Einwände sind unbehelflich. Bei den drei Beschwerdeführern handelt es sich um Männer, deren ältester im Zeitpunkt des Unfalles erst etwas mehr als 42 Jahre alt war und die alle im Kanton Graubünden aufgewachsen sind. Seit einigen Jahren führt jeder in W. ein Hotel. Dass sie mit dem Skisport und mit den verschiedenen Skiliftsystemen und deren Tücken nicht vertraut gewesen sein sollten, ist angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse höchst unwahrscheinlich. Sollten sie anfänglich tatsächlich ahnungslos gewesen sein, müssen sie
BGE 103 IV 289 S. 293
spätestens in der Vorstandssitzung vom 3. Dezember 1974, als ihnen von der Vorschrift, bei der Bergstation einen Zielwächter aufzustellen, Kenntnis gegeben wurde, erkannt haben, dass es um das Ausschalten der Gefahr schwerer Unfälle ging, denn zur Vermeidung nur leichter Verletzungen wäre diese einschneidende Massnahme nicht angeordnet worden. Nach ihrer Intelligenz, Bildung und beruflichen Stellung wären die Beschwerdeführer auf jeden Fall verpflichtet gewesen, sich darüber Gedanken zu machen, so dass ihnen zumindest unbewusste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.