103 IV 265
73. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1977 i.S. Generalprokurator-Stellvertreter gegen W.
Regeste (de):
- Art. 27 Abs. 2
SR 741.21 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV)
SSV Art. 27 Wenden verboten - 1 Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden.
1 Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden. 2 Gilt das Verbot für eine bestimmte Strecke, wird deren Länge auf beigefügter Zusatztafel «Streckenlänge» (5.03) angegeben. - Ein am Fahrbahnrand aufgestelltes Parkierungsverbot gilt nicht für einen hinter dem angrenzenden Trottoir liegenden Platz, wenn dieser ohne Beeinträchtigung des Trottoirs als Parkfläche benützt werden kann.
Regeste (fr):
- Art. 27 al. 2 OSR. Interdiction de parquer.
- Un signal d'interdiction de parquer placé au bord de la chaussée ne vaut pas également pour un espace situé derrière le trottoir adjacent, lorsqu'il peut être utilisé comme place de parc sans perturber l'usage du trottoir.
Regesto (it):
- Art. 27 cpv. 2 OSS. Divieto di parcheggio.
- Un segnale di divieto di parcheggio collocato sul bordo della carreggiata non vale per uno spazio situato dietro il marciapiede vicino, ove tale spazio possa essere utilizzato come posteggio senza ostacolare l'uso del marciapiede.
Sachverhalt ab Seite 265
BGE 103 IV 265 S. 265
A.- Der an der Freiestrasse in Bern gelegenen Pauluskirche ist ein Vorplatz vorgelagert, der ohne sichtbare Abgrenzung mit dem längs der Freiestrasse verlaufenden Trottoir äusserlich eine Einheit bildet. Die Distanz von der Umfriedungsmauer der Kirche bis zum Trottoirrand beträgt ca. 10 Meter. Am Fahrbahnrand vor der Kirche sind zwei Parkverbotstafeln (Signal Nr. 231) aufgestellt. W. benützte im Frühjahr 1977 den Platz vor der Umfriedungsmauer mehrmals zum Abstellen seines Personenwagens.
B.- Der Gerichtspräsident VII von Bern verurteilte W. wegen Missachtung des Parkverbots auf dem Trottoir in Anwendung von Art. 27 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 27 - 1 Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor. |
|
1 | Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor. |
2 | Den Feuerwehr-, Sanitäts-, Polizei- und Zollfahrzeugen ist beim Wahrnehmen der besonderen Warnsignale die Strasse sofort freizugeben. Fahrzeuge sind nötigenfalls anzuhalten.99 |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |
|
1 | Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |
2 | Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. |
3 | Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen. |
3bis | Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236 |
3ter | Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237 |
4 | Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um: |
a | mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt; |
b | mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt; |
c | mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt; |
d | mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238 |
5 | Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung. |
C.- Der Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeschuldigten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, der Vorplatz der Kirche sei Bestandteil des
BGE 103 IV 265 S. 266
Trottoirs und unterliege infolgedessen ebenfalls dem Parkierungsverbot.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wie das Obergericht verbindlich feststellt und unbestritten ist, steht der Vorplatz der Kirche einem unbestimmten Personenkreis offen und ist somit eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des Art. 1 Abs. 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 1 - (Art. 1 SVG) |
|
1 | Strassen sind die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützten Verkehrsflächen. |
2 | Öffentlich sind Strassen, die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen. |
3 | Autobahnen und Autostrassen sind die dem Motorfahrzeugverkehr vorbehaltenen und entsprechend signalisierten Strassen (Art. 45 Abs. 1 der V vom 5. Sept. 19795 über die Strassensignalisation, SSV)6 Autobahnen weisen eine getrennte Fahrbahn für jede der beiden Richtungen auf und sind frei von höhengleichen Kreuzungen. |
4 | Fahrbahn ist der dem Fahrverkehr dienende Teil der Strasse. |
5 | Fahrstreifen sind markierte Teile der Fahrbahn, die für die Fortbewegung einer Fahrzeugkolonne Raum bieten (Art. 74 SSV).7 |
6 | Radwege sind die für Radfahrer bestimmten, von der Fahrbahn durch bauliche Massnahmen getrennten und entsprechend signalisierten Wege (Art. 33 Abs. 1 SSV).8 |
7 | Radstreifen sind die für Radfahrer bestimmten Fahrstreifen, die normalerweise durch gelbe unterbrochene oder ausnahmsweise durch ununterbrochene Linien gekennzeichnet sind (Art. 74 Abs. 5 SSV9).10 |
8 | Verzweigungen sind Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen von Fahrbahnen. Das Zusammentreffen von Rad- oder Feldwegen, von Garage-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit der Fahrbahn gilt nicht als Verzweigung. |
9 | Verkehrsregelung* ist das Anhalten und Freigeben des Verkehrs durch Polizei oder Lichtsignale. |
10 | Fahrzeugähnliche Geräte sind Rollschuhe, Inline-Skates, Trottinette oder ähnliche mit Rädern oder Rollen ausgestattete Fortbewegungsmittel, welche ausschliesslich durch die Körperkraft des Benützers angetrieben werden. Kinderräder sind den fahrzeugähnlichen Geräten gleichgestellt.11 |
2. Durch die am Strassenrand aufgestellten Signale "Parkieren verboten" (Nr. 231) wird nicht nur das Abstellen von Fahrzeugen auf der gleichseitigen Fahrbahn der Freiestrasse untersagt, sondern das Verbot gilt gemäss Art. 27 Abs. 2
SR 741.21 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV) SSV Art. 27 Wenden verboten - 1 Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden. |
|
1 | Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden. |
2 | Gilt das Verbot für eine bestimmte Strecke, wird deren Länge auf beigefügter Zusatztafel «Streckenlänge» (5.03) angegeben. |
Das Obergericht sieht im Umstand, dass Vorplatz und Trottoir nach Bauart und Belag als einheitlich gestaltete Fläche erscheinen und beide dem öffentlichen Fussgängerverkehr offen stehen, keinen Grund, der es rechtfertigt, die ganze Fläche auch rechtlich als Einheit, d.h. als Trottoir zu betrachten. Dieser Ansicht ist zuzustimmen; im gleichen Sinne hatte sich der Kassationshof bereits im nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Januar 1965 i.S. Solothurn gegen Amrein geäussert. Auch kann, wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend annimmt, nicht ausschlaggebend sein, dass keine erkennbaren Anzeichen für eine Trennung zwischen Vorplatz und Trottoir bestehen. Entscheidende Bedeutung kommt dagegen der Grösse und Ausdehnung des Vorplatzes zu. Bietet dessen Ausmass Gewähr dafür, dass zwischen den darauf parkierten Fahrzeugen und dem Strassenrand ein für die Fussgänger genügend breiter Raum als Gehweg offen bleibt, so entspricht es einer natürlichen Betrachtungsweise, Vorplatz und Trottoir auseinanderzuhalten und sie als getrennte Verkehrsflächen zu behandeln, was zur Folge hat, dass in einem solchen Falle das für das Trottoir gültige Parkierungsverbot ohne besonderen Hinweis für den dahinter liegenden Vorplatz nicht gelten
BGE 103 IV 265 S. 267
kann. Der gleiche Schluss folgt auch aus dem Wortlaut und Sinn des Art. 27 Abs. 2
SR 741.21 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV) SSV Art. 27 Wenden verboten - 1 Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden. |
|
1 | Das Signal «Wenden verboten» (2.46) untersagt, Fahrzeuge an der betreffenden Stelle zu wenden. |
2 | Gilt das Verbot für eine bestimmte Strecke, wird deren Länge auf beigefügter Zusatztafel «Streckenlänge» (5.03) angegeben. |
3. Im vorliegenden Fall steht fest, dass durch das Parkieren des Wagens des Angeschuldigten auf dem Vorplatz keine Fussgänger behindert wurden, indem ihnen neben der Fahrbahn der Freiestrasse ein rund 5 m breiter Gehweg und damit ein freier Raum von einer Breite zur Verfügung blieb, die das im betreffenden Wohnquartier übliche Mass sogar erheblich überschritt. Der Angeschuldigte hat daher das Parkierungsverbot, das sich nur auf das der Fahrbahn angrenzende Trottoir, nicht aber auch auf den dahinter gelegenen Vorplatz bezog, nicht missachtet und ist zu Recht freigesprochen worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.