103 IV 208
60. Urteil des Kassationshofes vom 2. Juni 1977 i.S. Starthalteramt Zürich gegen M.
Regeste (de):
- Art. 9 Abs. 1
SR 170.32 Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) - Verantwortlichkeitsgesetz
VG Art. 9 - 1 Auf die Ansprüche des Bundes gemäss den Artikeln 7 und 8 sind im Übrigen die Bestimmungen des Obligationenrechts14 über die Entstehung von Obligationen durch unerlaubte Handlungen entsprechend anwendbar.
1 Auf die Ansprüche des Bundes gemäss den Artikeln 7 und 8 sind im Übrigen die Bestimmungen des Obligationenrechts14 über die Entstehung von Obligationen durch unerlaubte Handlungen entsprechend anwendbar. 2 Haben mehrere Beamte den Schaden gemeinsam verschuldet, so haften sie dem Bund in Abweichung von Artikel 50 des Obligationenrechts lediglich anteilmässig nach der Grösse des Verschuldens. - Die gewerbsmässige Arbeitsvermittlung setzt voraus, dass der Vermittler den Abschluss eines Dienstvertrages fördert und im Falle eines Erfolges Anspruch auf Mäklerlohn hat (E. 1a). Nach den gleichen Merkmalen beurteilt sich, ob die Vermittlung von Temporärarbeit im eigentlichen Sinn oder nach dem "Try and hire"-System gewerbsmässig betrieben wird (E. 1b und e, E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 9 al. 1 de l'ordonnance I relative à la LSE. Bureaux de placement à fin lucrative.
- On ne saurait parler de placement à des fins lucratives que si celui qui se livre à cette activité contribue à la conclusion d'un contrat de travail et si en cas de succès il a droit à un courtage (consid. 1a). Les critères ne sont pas différents lorsqu'il s'agit de déterminer si c'est à des fins lucratives que l'auteur a servi d'intermédiaire pour du travail temporaire au sens étroit ou selon le système "Try and hire" (consid. 1b et c, consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 9 cpv. 1 dell'ordinanza d'esecuzione I della LSC, Uffici di collocamento a scopo lucrativo.
- Il collocamento a scopo lucrativo presuppone che chi esercita tale attività contribuisca alla conclusione di un contratto di lavoro ed abbia diritto, in caso di successo, ad una mercede per la mediazione (consid. 1a). Gli stessi criteri sono determinanti allorché si tratti di decidere se il collocamento per lavoro temporaneo in senso proprio o secondo il sistema "Try and hire" abbia luogo a scopo lucrativo (consid. 1b e consid. 1c, consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 208
BGE 103 IV 208 S. 208
A.- Die Firma X. befasst sich gewerbsmässig mit der temporären Überlassung von Arbeitskräften an ihre Kunden. In neuerer Zeit wendet sie auch das sogenannte "Try and hire"-System an. Dieses besteht darin, dass die Firma X. von
BGE 103 IV 208 S. 209
ihr angestellte und entlöhnte Arbeitskräfte fest für drei Monate zur Verfügung stellt, den Kunden und Arbeitnehmer aber nicht hindert, für die Zeit nach Ablauf der Vertragsdauer direkt miteinander einen Arbeitsvertrag abzuschliessen. Am 12. Juni 1975 erschienen im "Tages-Anzeiger" verschiedene Inserate mit dem Text "Firma X., überall wo es um Arbeit geht, auch Dauerstellen". Nach Intervention des Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Zürich wurde das Erscheinen dieser Inserate vorläufig eingestellt. Am 3. und 8. Juli 1975 erschienen jedoch auf Anordnung von Frau M., Direktorin der Firma X., erneut Inserate in der gleichen Aufmachung mit dem Zusatz "Try and hire".
B.- Das Statthalteramt des Bezirkes Zürich büsste Frau M. am 12. Dezember 1975 wegen Verletzung von Art. 7 des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung vom 22. Juni 1951 mit Fr. 300.--, weil sie ohne Bewilligung gewerbsmässig Arbeitsvermittlung betrieben habe. Nachdem Frau M. gerichtliche Beurteilung verlangt hatte, verurteilte sie der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich am 25. August 1975 ebenfalls zu Fr. 300.-- Busse. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach sie dagegen am 24. Februar 1977 frei.
C.- Das Statthalteramt des Bezirks Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die gewerbsmässige Arbeitsvermittlung ist nach Art. 7 Abs. 1

SR 823.11 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG) - Arbeitsvermittlungsgesetz AVG Art. 7 Besondere Pflichten des Vermittlers - 1 Bei der öffentlichen Ausschreibung von Arbeitsangeboten und Stellengesuchen muss der Vermittler seinen Namen und seine genaue Adresse angeben. Die Ausschreibungen müssen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. |
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1 | Bei der öffentlichen Ausschreibung von Arbeitsangeboten und Stellengesuchen muss der Vermittler seinen Namen und seine genaue Adresse angeben. Die Ausschreibungen müssen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. |
2 | Zur Beobachtung des Arbeitsmarktes kann die Bewilligungsbehörde den Vermittler verpflichten, ihr anonymisierte statistische Angaben über seine Tätigkeit zu liefern. |
3 | Der Vermittler darf Daten über Stellensuchende und offene Stellen nur bearbeiten, soweit und solange sie für die Vermittlung erforderlich sind. Er hat diese Daten geheim zu halten. |

SR 823.11 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG) - Arbeitsvermittlungsgesetz AVG Art. 9 Einschreibegebühr und Vermittlungsprovision - 1 Der Vermittler darf vom Stellensuchenden eine Einschreibegebühr und eine Vermittlungsprovision verlangen. Für Dienstleistungen, die besonders vereinbart werden, kann der Vermittler eine zusätzliche Entschädigung verlangen. |
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1 | Der Vermittler darf vom Stellensuchenden eine Einschreibegebühr und eine Vermittlungsprovision verlangen. Für Dienstleistungen, die besonders vereinbart werden, kann der Vermittler eine zusätzliche Entschädigung verlangen. |
2 | Der Stellensuchende schuldet die Provision erst, wenn die Vermittlung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages geführt hat. |
3 | Bei der Auslandsvermittlung schuldet der Stellensuchende die Provision erst, wenn er von den Behörden des Landes, in das er vermittelt wird, die Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erhalten hat. Der Vermittler darf jedoch eine angemessene Entschädigung für die tatsächlichen Auslagen und Aufwendungen verlangen, sobald der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. |
4 | Der Bundesrat setzt die Einschreibegebühren und die Vermittlungsprovisionen fest. |
BGE 103 IV 208 S. 210
wie Stellenanzeigern, der Vermittlung von Adressen oder ähnlicher Vorkehren ausgeübt wird. a) Im Schrifttum besteht insoweit Übereinstimmung, dass Die Arbeitsvermittlung, wie sie in Art. 9 Abs. 1

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 9 - 1 Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten. |
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1 | Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem andern zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten. |
2 | Dasselbe gilt für den Widerruf der Annahme. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 412 - 1 Durch den Mäklervertrag erhält der Mäkler den Auftrag, gegen eine Vergütung, Gelegenheit zum Abschlusse eines Vertrages nachzuweisen oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln. |
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1 | Durch den Mäklervertrag erhält der Mäkler den Auftrag, gegen eine Vergütung, Gelegenheit zum Abschlusse eines Vertrages nachzuweisen oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln. |
2 | Der Mäklervertrag steht im Allgemeinen unter den Vorschriften über den einfachen Auftrag. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 413 - 1 Der Mäklerlohn ist verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist. |
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1 | Der Mäklerlohn ist verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist. |
2 | Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist. |
3 | Soweit dem Mäkler im Vertrage für Aufwendungen Ersatz zugesichert ist, kann er diesen auch dann verlangen, wenn das Geschäft nicht zustande kommt. |

SR 823.11 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG) - Arbeitsvermittlungsgesetz AVG Art. 9 Einschreibegebühr und Vermittlungsprovision - 1 Der Vermittler darf vom Stellensuchenden eine Einschreibegebühr und eine Vermittlungsprovision verlangen. Für Dienstleistungen, die besonders vereinbart werden, kann der Vermittler eine zusätzliche Entschädigung verlangen. |
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1 | Der Vermittler darf vom Stellensuchenden eine Einschreibegebühr und eine Vermittlungsprovision verlangen. Für Dienstleistungen, die besonders vereinbart werden, kann der Vermittler eine zusätzliche Entschädigung verlangen. |
2 | Der Stellensuchende schuldet die Provision erst, wenn die Vermittlung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages geführt hat. |
3 | Bei der Auslandsvermittlung schuldet der Stellensuchende die Provision erst, wenn er von den Behörden des Landes, in das er vermittelt wird, die Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erhalten hat. Der Vermittler darf jedoch eine angemessene Entschädigung für die tatsächlichen Auslagen und Aufwendungen verlangen, sobald der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. |
4 | Der Bundesrat setzt die Einschreibegebühren und die Vermittlungsprovisionen fest. |
BGE 103 IV 208 S. 211
die Organisation jedoch zu, dass zwischen dem Kunden und dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf der Temporärarbeit ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Dass eine solche Geschäftstätigkeit, je nach ihrer konkreten Ausgestaltung, Arbeitsvermittlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 VO I zum AVG sein kann, ist deshalb nicht ausgeschlossen. Es muss demzufolge im Einzelfall näher geprüft werden, ob die Merkmale des Mäklervertrages wirklich gegeben seien oder nicht.
2. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz betreibt die Firma X. keine Dauerstellenvermittlung im üblichen Sinn. Sie wendet das erwähnte "Try and hire"-System so an, dass es Kunden und Arbeitnehmer nach Ablauf einer dreimonatigen Vertragsdauer anheimgestellt wird, miteinander direkt einen auf Dauer ausgerichteten Arbeitsvertrag abzuschliessen, ohne dass die Firma X. hiefür eine Konventionalstrafe, Entschädigung oder Vergütung verlangen könnte. Zwar ergibt sich daraus, dass die Firma X. über den Weg der temporären Arbeitsvermittlung oft Arbeitnehmern, die eine Dauerstelle suchen, und Arbeitgebern, die eine solche Stelle zu besetzen haben, die Möglichkeit zum Abschluss eines Arbeitsvertrages verschafft und insoweit Arbeit vermittelt. Diese Vermittlung von Dauerstellen fiele aber nur dann unter den Begriff der gewerbsmässigen Arbeitsvermittlung im Sinne des AVG, wenn sie entgeltlich wäre. Der Nachweis einer Entlöhnung ist indessen im vorliegenden Fall nicht erbracht. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Kunde, der den Arbeitnehmer nach Ablauf der drei Monate fest übernimmt, der Firma X. dafür keine besondere Entschädigung zu bezahlen; er muss ihr nur das für die dreimonatige Überlassung vereinbarte Entgelt entrichten, gleichgültig, ob ein Arbeitsvertrag zwischen ihm und dem Arbeitnehmer zustandekommt oder nicht. Auch steht fest, dass die Firma X. sowohl die Entlöhnung des Arbeitnehmers während der dreimonatigen Vertragsdauer als auch das vom Kunden für die Überlassung geschuldete Entgelt nach den gleichen Grundsätzen bemisst, die sie bei den Arbeitseinsätzen nach dem System der temporären Arbeit im eigentlichen Sinn anwendet. Es kann somit nicht gesagt werden, sie verlange eine Sonderentschädigung für die Vermittlung einer Dauerstelle, auch nicht in versteckter Form. Der Auffassung der Vorinstanz, dass die "Try and hire"-Anstellung keine gewerbsmässige Arbeitsvermittlung
BGE 103 IV 208 S. 212
ist, wenn die Minimaldauer des temporären Einsatzes zum voraus festgelegt ist und für den allfälligen Übergang von der Temporär- zur Dauerarbeit keine zusätzliche Entschädigung bezahlt wird, ist daher beizupflichten. Der vorliegende Fall bietet keinen zwingenden Anlass, den Begriff der Arbeitsvermittlung anders als nach den Kriterien des Mäklervertrages auszulegen, um das "Try and hire"-System der Bewilligungspflicht zu unterstellen. Die im AVG geschaffene Ordnung soll vor allem dem Schutz des Arbeitnehmers gegen Ausbeutung dienen (Botschaft des Bundesrates, BBl 1950 II 341, 345, 360). Diese Gefahr besteht hier nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht. Auch gegen die Festlegung einer zeitlichen Mindestdauer von drei Monaten bestehen unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes keine Bedenken.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.