103 IV 202
59. Urteil des Kassationshofes vom 9. September 1977 i.S. J. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
Regeste (de):
- BG betr. Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht, Art. 2 Abs. 2.
- 1. Die Verwendung ohne Täuschungsabsicht einer Firma, die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt, bleibt straflos, wenn sie nicht geeignet ist, im geschäftlichen Verkehr eine Täuschung über eine erhebliche Tatsache zu bewirken (Erw. 1).
- 2. Die Verwendung der falschen Firma muss vorsätzlich erfolgen; hinsichtlich ihrer Eignung zu erheblicher Täuschung genügt Fahrlässigkeit (Erw. 2c und d).
Regeste (fr):
- Art. 2 al. 2 LF statuant des dispositions pénales en matière de registre du commerce et de raisons de commerce.
- 1. L'emploi sans intention d'induire en erreur d'une raison de commerce différente de celle qui est inscrite au registre du commerce n'est pas punissable si elle n'est pas de nature à provoquer des erreurs sur des éléments importants dans les relations commerciales (consid. 1).
- 2. L'emploi illégal de la raison de commerce doit être intentionnel, mais en ce qui concerne le risque d'induire en erreur, la négligence suffit (consid. 2c et d).
Regesto (it):
- Art. 2 cpv. 2 LF che stabilisce disposizioni penali in materia di registro di commercio e di ditte.
- 1. L'uso, senza intenzione di trarre in errore, di una ditta diversa da quella iscritta nel registro di commercio è esente da pena soltanto ove non possa dar luogo ad errore su Elemente importants nelle relazioni commerciali (consid. 1).
- 2. L'uso della ditta irregolare deve essere intenzionale; per quanto concerne la sua idoneità ad indurre in errore, basta invece la negligenza (consid. 2c e d).
Sachverhalt ab Seite 203
BGE 103 IV 202 S. 203
Die S. AG hat ohne Zusatz der im Handelsregister eingetragenen Firma "S. AG" während Jahren bis ungefähr Mitte April 1975 unter verschiedensten Bezeichnungen intensive Werbung mit Prospekten, Flugblättern, Inseraten und dergl. betrieben. J., Verwaltungsratsmitglied der S. AG, wurde vom Bezirksamt Arbon am 7. Januar 1976 gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht mit Fr. 500.-- gebüsst. Die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon und die Rekurs-Kommission des Obergerichts des Kantons Thurgau haben am 2. September bzw. 20. Dezember 1976 diese Strafverfügung bestätigt. Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt J., das Urteil der Rekurs-Kommission des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Firma dient u.a. der Individualisierung des Unternehmens. Sie muss wahr sein und darf zu keinen Täuschungen über Identität und Natur des Geschäftes und zu keinen Verwechslungen mit andern Unternehmen führen. Der Firmenträger ist daher verpflichtet, die Firma unverändert so, wie er sie angenommen hat und wie sie im Handelsregister eingetragen worden ist, zu verwenden (sog. Firmengebrauchspflicht). Es würde nichts nützen, dass die Firma im Register in einer Form eingetragen ist, die eine Täuschung ausschliesst, wenn es nachher dem Unternehmen erlaubt wäre, eine Firma zu verwenden, die von der eingetragenen abweicht. Die einmal eingetragene Firma ist etwas Bestimmtes und Individuelles. Sie darf nicht von der eingetragenen Form abweichen und bald so, bald anders geschrieben werden. Insbesondere ist es nicht zulässig, den sogenannten Firmenkern wegzulassen und nur den Firmenzusatz zu verwenden. Unter Gebrauch der Firma ist jede Verwendung, die in unmittelbarer Beziehung zum geschäftlichen Verkehr steht, zu verstehen, so die Verwendung auf Geschäftsschildern und Geschäftspapieren wie Katalogen, Preislisten, Prospekten, Empfehlungskarten, der Gebrauch auf Briefköpfen, bei der Zeichnung der Firma und
BGE 103 IV 202 S. 204
in Adressbüchern oder Telefonverzeichnissen (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 1921 III 261 ff.; FRITZ VON STEIGER, Handelsregister- und Firmenstrafrecht, 1942, SJK 249 S. 1/2; PATRY, Die Geschäftsfirmen, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII 1, S. 154 ff.). Art. 2 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht vom 6. Oktober 1923 (SR 221.414; im folgenden "Gesetz" genannt) sanktioniert die Pflicht, die im Handelsregister eingetragene Firma im geschäftlichen Verkehr unverändert zu verwenden. Nach Abs. 1 wird zu Gefängnis bis zu sechs Monaten oder zu Busse bis zu Fr. 20'000.-- oder zu beiden Strafen verurteilt, "wer, um eine Täuschung zu bewirken, für ein im Handelsregister eingetragenes Geschäft eine Firma verwendet, die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt". Abs. 2 lautet:
"Wer ohne Täuschungsabsicht für ein solches Geschäft eine Firma verwendet, die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt, wird mit Busse bis zu 10'000 Franken bestraft. Der Täter bleibt straflos, wenn durch Verwendung dieser Firma eine erhebliche Täuschung nicht bewirkt werden kann." Der Entwurf des Bundesrates ging weiter. Selbst wenn eine Täuschung durch die falsche Firma ausgeschlossen gewesen wäre, hätte eine Polizeibusse verhängt werden müssen. Diese in Art. 2 Abs. 3 des Entwurfes enthaltene Vorschrift wurde aber vom Ständerat gestrichen und durch einen zweiten Satz in Absatz 2 ersetzt, der wie folgt lautete: "Der Täter bleibt straflos, wenn durch Verwendung dieser Firma eine Täuschung nicht bewirkt werden kann." Im Nationalrat fand Huber, auch diese Fassung des Ständerates gehe noch zu weit. Irgendeine Täuschung sei stets denkbar. Wer solle den Beweis leisten, dass eine Täuschungsmöglichkeit stets ausgeschlossen sei? Die unbeabsichtigte Täuschung "über ganz unerhebliche Dinge" solle straflos bleiben. Gedacht wurde in beiden Räten vorab an den Fall, dass der in der Firma ausgeschriebene Vorname im geschäftlichen Verkehr abgekürzt werde, ohne dass dadurch über die Identität des Unternehmens Zweifel entstünden. In diesem Sinne wurde dann im definitiven Text gesagt, der Täter bleibe straflos, wenn durch die Verwendung dieser (falschen) Firma eine "erhebliche" Täuschung nicht bewirkt werden könne (Sten.Bull. 1923, N S. 346). Straflos soll
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also bleiben, und das ergibt den richtigen Sinn des Gesetzes, die Verwendung der falschen Firma, die nicht geeignet ist, im geschäftlichen Verkehr eine Täuschung über eine erhebliche Tatsache zu bewirken.
2. a) Die S. AG hat im Rahmen einer intensiven Werbung verschiedenste Firmen verwendet, welche mit der eingetragenen Firma nicht übereinstimmten. Diese Bezeichnungen waren beim Publikum, an das sich diese Reklame richtete, geeignet, erhebliche Täuschungen in geschäftlichen Belangen, insbesondere über die Identität der Firma, die hinter dieser Werbung stand, zu bewirken. Sie führten denn auch zu Beanstandungen und zu einem Zivilprozess wegen unlauteren Wettbewerbs. b) Das alles steht fest und ist unbestritten. Der Beschwerdeführer will hingegen nicht gewusst haben, dass die Verwendung einer andern als der im Handelsregister eingetragenen Firma im geschäftlichen Verkehr verboten ist. Damit kann er aber nicht gehört werden, stellt doch die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP) fest, der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Zivilprozesses eindrücklich zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Firma im Rahmen der Werbung keinen andern Namen als den eingetragenen verwenden dürfe.
Ein Irrtum hierüber schlösse im übrigen den Vorsatz nicht aus. Er würde sich als Rechtsirrtum im Sinne von Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |
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1 | Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |
2 | In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt: |
a | Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr; |
b | Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe; |
c | Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen. |
3 | Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974509 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt. |
4 | Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge. |
5 | Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze. |
6 | ...510 |
6bis | Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.511 |
7 | Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist. |
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der strengeren in Absatz 1 enthaltenen Vorschrift befasst ist, kann die Frage offen bleiben. d) Hingegen stellt sich die Frage, ob es zum subjektiven Tatbestand des Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes gehört, dass der Täter im Sinne des Vorsatzes von der Verwendung falscher Firmen wusste. Sie ist zu bejahen. Gemäss Art. 333 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |
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1 | Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |
2 | In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt: |
a | Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr; |
b | Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe; |
c | Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen. |
3 | Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974509 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt. |
4 | Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge. |
5 | Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze. |
6 | ...510 |
6bis | Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.511 |
7 | Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen. |
BGE 103 IV 202 S. 207
Geschäftsführung in dem Sinne stattgefunden, dass die Werbung dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten T. übertragen wurde. Sie trifft jedoch keine Feststellungen darüber, ob der Beschwerdeführer wusste, dass auch nach diesem Delegationsbeschluss falsche (mit dem Handelsregister nicht übereinstimmende) Firmen verwendet wurden. Sie hat sich deshalb darüber auszusprechen und entsprechend neu zu urteilen. In diesem Sinne ist die Sache zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Rekurs-Kommission des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 20. Dezember 1976 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.