103 II 326
53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1977 i.S. Otto Rühles Erben gegen Sumatra Bau AG
Regeste (de):
- Überbau; guter Glaube des Überbauenden (Art. 674
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 674 - 1 Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat.
1 Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. 2 Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. 3 Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. - Der gute Glaube ist auch dann gegeben, wenn der Bauende mindestens ohne grobe Fahrlässigkeit annimmt, der Nachbar sei mit dem Überbau einverstanden.
Regeste (fr):
- Empiètement; bonne foi de l'auteur des constructions (art. 674 CC).
- Il y a bonne foi également quand l'auteur des constructions peut penser sans négligence grave que son voisin consent à l'empiètement.
Regesto (it):
- Opera costruita sul confine; buona fede del costruttore (art. 674 CC).
- La buona fede è data anche allorquando il costruttore possa ritenere, senza incorrere in grave negligenza, che il vicino consente all'edificazione sul confine.
Sachverhalt ab Seite 326
BGE 103 II 326 S. 326
Die Sumatra Bau AG ist Eigentümerin zweier Grundstücke an der Schifflände in der Altstadt in Zürich, die von alters her mit dem Gebäude "Zum Steinernen Schild" überbaut waren. Diese Baute stand allseits auf der Grenze, so auch rückwärts gegenüber dem Grundstück der Erbengemeinschaft Otto Rühle. In der Absicht, an Stelle des alten Gebäudes ein Hotel zu erstellen, reichte die Sumatra Bau AG im Jahre 1970 bei der Baupolizei der Stadt Zürich ein Baugesuch ein. Danach sollte das neue Gebäude wiederum auf die Grenze gegenüber dem Nachbargrundstück der Erben Rühle zu stehen kommen. Diese erhoben keine Baueinsprache gegen das Projekt, das von den zuständigen Behörden bewilligt wurde. Im Oktober 1974 begann die Sumatra Bau AG mit dem Abbruch des alten Gebäudes. Am 18. April 1975 liess sie eine Abänderung ihres Bauprojekts (betreffend die Verschiebung des Kamins am bewilligten Hotelgebäude) ausschreiben. Die Erben Rühle erhoben dagegen privatrechtliche Baueinsprache,
BGE 103 II 326 S. 327
die jedoch von den zürcherischen Gerichten abgewiesen wurde. Auf eine Berufung gegen den entsprechenden Entscheid des Obergerichts trat das Bundesgericht nicht ein, weil es diesem Entscheid den Charakter eines Endentscheids im Sinne von Art. 48
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 674 - 1 Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
In der Folge begann die Sumatra Bau AG mit den Bauarbeiten, und es kam zum ordentlichen Prozess zwischen den Parteien. Streitig ist unter anderem, ob die Bauherrin ihre Baute im Sinne von Art. 674 Abs. 3
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5. Der in Art. 674 Abs. 3
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 674 - 1 Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 674 - 1 Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass das Verhalten des Bauenden nach einem strengeren Massstab zu beurteilen sei, wenn diesem die Nichteinhaltung des Grenzabstandes an sich bewusst gewesen sei, er jedoch angenommen habe, der
BGE 103 II 326 S. 328
Nachbar sei mit der Abstandsverletzung einverstanden. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb an den guten Glauben des Bauenden verschiedene Anforderungen gestellt werden sollten, je nach dem, von welcher irrtümlichen Voraussetzung dieser ausging. Wer sich nicht genügend um den Grenzverlauf oder die Abstandsvorschriften kümmert, verdient keine Besserstellung gegenüber demjenigen, der in entschuldbarer Weise annimmt, der Nachbar sei mit dem Überbau bzw. der Abstandsunterschreitung einverstanden. Insbesondere kann den Beklagten auch nicht zugestimmt werden, wenn sie ausführen, bei der Berufung auf eine Einwilligung des Nachbarn handle es sich nicht mehr um eine Frage des guten Glaubens, sondern um den Nachweis einer die Rechtswidrigkeit ausschliessenden Willenserklärung; eine solche sei aber nur in der Form eines schriftlichen Dienstbarkeitsvertrages denkbar. Art. 674 Abs. 3
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1 | Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstücke auf ein anderes überragen, verbleiben Bestandteil des Grundstückes, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat. |
2 | Das Recht auf den Überbau kann als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. |
3 | Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden. |
BGE 103 II 326 S. 329
darauf hingewiesen, dass sich die Beklagten damals nur gegen die Benützung ihres eigenen Grundstücks und gegen die Gefährdung ihrer Überbauten verwahrten, nicht aber gegen das rückwärtige Bauen auf die gemeinsame Grundstücksgrenze. Wenn die Klägerin unter diesen Umständen anlässlich des Abbruchs der bestehenden Gebäulichkeiten davon ausging, die Beklagten seien mit der Erneuerung des seit Menschengedenken bestehenden Grenzbaus einverstanden, kann ihr mindestens nicht grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, weil sie nähere Abklärungen unterliess. Der gute Glaube kann der Klägerin aber auch nicht unter Hinweis darauf abgesprochen werden, dass der Verwaltungsratspräsident der Klägerin die Gerantin der sich im Altbau befindlichen Schifflände-Bar gebeten hatte, den Abbruch des Gebäudes nicht bekanntzugeben. Diese im angefochtenen Urteil enthaltene Feststellung kann nicht so verstanden werden, dass sich die Bitte um Nichtbekanntgabe des Abbruchs besonders auf die Beklagten bezogen hätte. Eine solche Absicht ist von der Klägerin ausdrücklich bestritten worden. Der allgemeine Wunsch, einen bevorstehenden Gebäudeabbruch nicht vorzeitig publik werden zu lassen, muss keineswegs Ausdruck des bösen Glaubens bilden. Wer in einer Stadt wie Zürich ein altes Haus abbrechen will, hat vielmehr mit Widerständen verschiedenster Art zu rechnen. Das Interesse an der Vermeidung entsprechender Schwierigkeiten vermag das Verhalten des Verwaltungsratspräsidenten der Klägerin genügend zu erklären. Schliesslich sei hier nochmals hervorgehoben, dass die Klägerin auch nach dem Beginn der Abbrucharbeiten keinen Anlass hatte, aus dem Verhalten der Beklagten auf deren fehlendes Einverständnis mit dem Bauen auf die Grenze zu schliessen. Die Beklagten waren im übrigen, wie sie selber einräumen, damals noch der Meinung, sie müssten einen Grenzbau dulden, weil sie keine privatrechtliche Baueinsprache erhoben hätten. Diese irrtümliche Auffassung macht ihr damaliges Verhalten verständlich.