Urteilskopf

102 V 103

23. Urteil vom 4. Juni 1976 i.S. Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber gegen Jaggi und Versicherungsgericht des Kantons Bern
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 103

BGE 102 V 103 S. 103

A.- Mit öffentlicher Urkunde vom 21. Februar 1975 hat André Jaggi seine Einzelfirma A. Jaggi-Maurer "rückwirkend auf den 1. Januar 1975" in die Aktiengesellschaft Jaggi Treuhand umgewandelt. Die Anmeldung beim Handelsregisteramt Bern erfolgte am 25. Februar 1975. Die Eintragung im Handelsregister datiert vom 4. Juni 1975 und wurde am 16. Juni 1975 im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert. Mit Verfügung vom 30. Juni 1975 teilte die Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber André Jaggi mit, dass sie ihn bis zum 31. Mai 1975 noch als Selbständigerwerbenden erfasse und er demnach gemäss Verfügung vom 20. September 1974 noch persönliche Beiträge von Fr... schulde. Hingegen gelte er "seit dem Tag des HR-Eintrages - also dem 4. bzw. 1. Juni 1975 - als Unselbständigerwerbender".
B.- Beschwerdeweise machte André Jaggi gegenüber dem Versicherungsgericht des Kantons Bern geltend, die kantonale Steuerverwaltung habe den Beginn der Steuerpflicht der rückwirkend
BGE 102 V 103 S. 104

gegründeten Aktiengesellschaften auf den 1. Januar 1975 festgesetzt unter der Voraussetzung, dass die Anmeldung beim zuständigen Handelsregisteramt vor dem 28. Februar 1975 erfolgt sei. Diese Bedingung habe er erfüllt. Demnach beantrage er, seine Pflicht zur Bezahlung persönlicher Beiträge sei auf den 31. Dezember 1974 zu terminieren. Die Vorinstanz hiess die Beschwerde am 6. August 1975 in dem Sinn teilweise gut, dass sie die Beitragspflicht des André Jaggi aus selbständiger Erwerbstätigkeit auf den 24. Februar 1975 enden liess. Sie stützte sich dabei auf die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, wonach bei der Umwandlung von Einzelfirmen in Aktiengesellschaften der bisherige Geschäftsinhaber bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister als Selbständigerwerbender veranlagt werden muss, selbst wenn rückwirkende Übernahme vereinbart worden ist. Eine Gesellschaft gelte in dem Zeitpunkt als im Handelsregister eingetragen und damit als entstanden, da die Anmeldung ins Tagebuch eingeschrieben worden sei. Das kantonale Versicherungsgericht habe daher am 22. Januar 1975 die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts in dem Sinn präzisiert, dass für die Dauer der Beitragspflicht eines Selbständigerwerbenden, der seine Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hat, das Datum der Einschreibung der Gesellschaft im Tagebuch des Handelsregisters massgebend sei. Im Fall Jaggi sei diese Eintragung am 25. Februar 1975 erfolgt.
C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die persönliche Beitragspflicht des André Jaggi sei auf den 31. Mai 1975 zu beenden, weil die Eintragung der Aktiengesellschaft im Handelsregister vom 4. Juni 1975 datiere. André Jaggi beanstandet in seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, dass die Vorinstanz sich nicht an das von ihr selber zitierte Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 1. Mai 1974 i.S. Schneider (ZAK 1974 S. 477) gehalten habe. Zudem werde diese Rechtsprechung in der Praxis ohnehin teilweise missachtet. Es sollte ein neuer, praxisnaher Entscheid gefällt werden. Eine gerechte Lösung bestände darin, dass die persönliche Beitragspflicht auf den Beginn der Steuerpflicht der neu gegründeten Aktiengesellschaft terminiert werde. Einen bestimmten Antrag stellt der Beschwerdegegner nicht.
BGE 102 V 103 S. 105

Das Bundesamt für Sozialversicherung bemerkt in seiner Vernehmlassung, massgebender Zeitpunkt für die Beendigung der Beitragspflicht aus selbständiger Erwerbstätigkeit sei bei der Umwandlung einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft das Datum der Einschreibung der Anmeldung im Tagebuch. Von diesem Tag an sei die neu gegründete Aktiengesellschaft als Arbeitgeberin zu erfassen. Der Antrag des Bundesamtes lautet auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt als Erwerbseinkommen aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist, beurteilt sich im Rahmen der gesetzlichen Ordnung (Art. 5
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 5 - 1 Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, im folgenden massgebender Lohn genannt, wird ein Beitrag von 4,35 Prozent erhoben.40
1    Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, im folgenden massgebender Lohn genannt, wird ein Beitrag von 4,35 Prozent erhoben.40
2    Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen.
3    Als massgebender Lohn für mitarbeitende Familienglieder gilt nur der Barlohn:
a  bis zum 31. Dezember des Jahres, in welchem sie das 20. Altersjahr vollendet haben; sowie
b  nach dem letzten Tag des Monats, in welchem sie das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 erreicht haben.42
4    Der Bundesrat kann Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausnehmen.
5    ...43
und 9
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 9 2. Begriff und Ermittlung - 1 Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
1    Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
2    Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird ermittelt, indem vom hierdurch erzielten rohen Einkommen abgezogen werden:
a  die zur Erzielung des rohen Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten;
b  die der Entwertung entsprechenden, geschäftsmässig begründeten Abschreibungen und Rückstellungen geschäftlicher Betriebe;
c  die eingetretenen und verbuchten Geschäftsverluste;
d  die vom Geschäftsinhaber in der Berechnungsperiode vorgenommenen Zuwendungen an Vorsorgeeinrichtungen zugunsten des eigenen Personals, sofern jede zweckwidrige Verwendung ausgeschlossen ist, sowie Zuwendungen für ausschliesslich gemeinnützige Zwecke;
e  die persönlichen Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, soweit sie dem üblichen Arbeitgeberanteil entsprechen;
f  der Zins des im Betrieb eingesetzten eigenen Kapitals; der Zinssatz entspricht der jährlichen Durchschnittsrendite der Anleihen der nicht öffentlichen inländischen Schuldner in Schweizer Franken.
3    Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet.54
4    Die steuerrechtlich zulässigen Abzüge der Beiträge nach Artikel 8 des vorliegenden Gesetzes sowie nach Artikel 3 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195955 über die Invalidenversicherung (IVG) und nach Artikel 27 Absatz 2 des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 195256 sind von den Ausgleichskassen zum von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen. Das gemeldete Einkommen ist dabei nach Massgabe der geltenden Beitragssätze auf 100 Prozent aufzurechnen.57
AHVG sowie Art. 6 ff
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 6 Begriff des Erwerbseinkommens - 1 Zum Erwerbseinkommen gehört, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind, das im In- und Ausland erzielte Bar- oder Naturaleinkommen aus einer Tätigkeit einschliesslich der Nebenbezüge.
1    Zum Erwerbseinkommen gehört, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind, das im In- und Ausland erzielte Bar- oder Naturaleinkommen aus einer Tätigkeit einschliesslich der Nebenbezüge.
2    Nicht zum Erwerbseinkommen gehören:
a  der Militärsold, die Funktionsvergütung des Zivilschutzes, das Taschengeld an zivildienstleistende Personen, der nach Artikel 24 Buchstabe fbis des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199034 über die direkte Bundesteuer (DBG) steuerfreie Sold der Milizfeuerwehrleute sowie die soldähnlichen Vergütungen in Jungschützenleiterkursen;
b  Versicherungsleistungen bei Unfall, Krankheit oder Invalidität, ausgenommen die Taggelder nach Artikel 25 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195936 über die Invalidenversicherung (IVG) und nach Artikel 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199237 über die Militärversicherung;
c  ...
d  ...
e  ...
f  Familienzulagen, die als Kinder-, Ausbildungs-, Haushalts-, Heirats- und Geburtszulagen im orts- oder branchenüblichen Rahmen gewährt werden;
g  Zuwendungen für die Aus- und Weiterbildung; werden diese vom Arbeitgeber geleistet, so sind sie nur vom Erwerbseinkommen ausgenommen, falls die Aus- und Weiterbildung in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der begünstigten Person steht;
h  reglementarische Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles oder bei Auflösung der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen persönlich beanspruchen kann;
. AHVV) regelmässig nach der äusseren Erscheinungsform wirtschaftlicher Sachverhalte und nicht nach allfällig davon abweichenden internen Vereinbarungen der Beitragspflichtigen. Daher hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, dass bei der Umwandlung von Einzelfirmen in Aktiengesellschaften der bisherige Geschäftsinhaber bis zu dem Zeitpunkt als Selbständigerwerbender zu veranlagen ist, da die Aktiengesellschaft im Handelsregister eingetragen wird. Die Vereinbarung rückwirkender Übernahme der Aktiven und Passiven von der bisherigen Einzelfirma ist dabei unerheblich, wie es auch auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht der neuen Aktiengesellschaft nicht ankommt. Für die Besteuerung des Erwerbseinkommens kommt nämlich - anders als in der AHV - der Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit keine materiellrechtliche Bedeutung zu (EVGE 1966 S. 163 und 1950 S. 96, ZAK 1974 S. 477 und 1970 S. 70). Das Gericht stützt seine Praxis auf die obligationenrechtliche Regelung, wonach die Aktiengesellschaft das Recht der Persönlichkeit erst mit der Eintragung ins Handelsregister erlangt (Art. 643 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 643 - 1 Die Gesellschaft erlangt das Recht der Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die Gesellschaft erlangt das Recht der Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Das Recht der Persönlichkeit wird durch die Eintragung auch dann erworben, wenn die Voraussetzungen der Eintragung tatsächlich nicht vorhanden waren.
3    Sind jedoch bei der Gründung gesetzliche oder statutarische Vorschriften missachtet und dadurch die Interessen von Gläubigern oder Aktionären in erheblichem Masse gefährdet oder verletzt worden, so kann das Gericht auf Begehren solcher Gläubiger oder Aktionäre die Auflösung der Gesellschaft verfügen. ...347
4    Das Klagerecht erlischt, wenn die Klage nicht spätestens drei Monate nach der Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt angehoben wird.
OR). Vor diesem Zeitpunkt ist es ihr verwehrt, in eigenem Namen Rechtsgeschäfte zu tätigen. Vereinbarungen der an der Gründung einer Aktiengesellschaft beteiligten Personen bezüglich des Übergangs von Aktiven und Passiven einer Einzelfirma kommt daher während der Übergangszeit bis zur Eintragung im Handelsregister nur interne
BGE 102 V 103 S. 106

Bedeutung zu. Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, entfaltet die Einzelfirma ihre externen Rechtswirkungen weiter. Dementsprechend bleibt auch der beitragsrechtliche Status des Inhabers einer Einzelfirma so lange unverändert, als die Aktiengesellschaft das Recht der Persönlichkeit noch nicht erlangt hat. Hieran ändert nichts, dass der bisherige Geschäftsinhaber in der Übergangszeit unter Umständen eine andere Stellung innerhalb der Firma einnimmt, beispielsweise indem er in ein Anstellungsverhältnis gegenüber der noch nicht im Handelsregister eingetragenen Aktiengesellschaft tritt. Es gilt nämlich zu vermeiden, dass der ordentliche Beitragsbezug nach freiem Parteiwillen auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden kann. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht keine Veranlassung. Dass sie anscheinend nicht von allen Ausgleichskassen befolgt wird, ist an sich kein Grund, sie der steuerlichen Praxis anzugleichen.
2. Fragen kann man sich lediglich, ob die Handelsregistereintragung wie allgemein gegenüber Dritten so auch gegenüber den AHV-Organen, welche die beitragsrechtliche Veranlagung vorzunehmen haben, erst von dem Zeitpunkt hinweg wirksam sein soll, da sie im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert ist (vgl. Art. 932 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 932 - 1 Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
1    Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
2    Institute des öffentlichen Rechts, die nicht zur Eintragung verpflichtet sind, haben das Recht, sich eintragen zu lassen.
OR). In diesem Sinn entschied das Gericht in EVGE 1966 S. 166. Zutreffend weist das Bundesamt heute darauf hin, dass diese Praxis die Gefahr rechtsungleicher Behandlung der Versicherten in sich birgt, indem der beitragsrechtlich massgebende Zeitpunkt für den Wechsel von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit allein davon abhängt, welche Zeit zwischen dem Registereintrag und der Publikation verstreicht. Daher rechtfertigt es sich, den Wechsel des beitragsrechtlichen Status nicht vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der Aktiengesellschaft abhängig zu machen, sondern auf das Datum des Handelsregistereintrages eintreten zu lassen. Stichtag für den Beginn der Beitragspflicht aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ist also der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister. Dieser ist identisch mit der Einschreibung ins Tagebuch (Art. 932 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 932 - 1 Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
1    Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
2    Institute des öffentlichen Rechts, die nicht zur Eintragung verpflichtet sind, haben das Recht, sich eintragen zu lassen.
OR; vgl. dazu ZAK 1975 S. 416). Liesse man die Änderung des Beitragsstatuts auf einen frühern Zeitpunkt eintreten, so würde man einer Aktiengesellschaft öffentlichrechtliche
BGE 102 V 103 S. 107

Rückwirkungen beimessen für eine Zeit, da sie noch gar keine juristische Persönlichkeit besass. In diesem Sinn ist die bisherige Rechtsprechung zu ändern.
3. Gemäss Auszug aus dem Handelsregister Bern ist die Jaggi Treuhand AG am 4. Juni 1975 ins Tagebuch des Handelsregisteramtes eingetragen worden. Nach den vorstehenden Erwägungen war daher der Beschwerdegegner bis zum 3. Juni 1975 als Selbständigerwerbender beitragspflichtig, während vom 4. Juni 1975 hinweg als seine Arbeitgeberin die neu gegründete Aktiengesellschaft beitragsrechtlich zu erfassen ist. In diesem Sinn ist der angefochtene Entscheid abzuändern, der auf der irrtümlichen Annahme gründet, der Handelsregistereintrag sei im vorliegenden Fall am 25. Februar 1975 erfolgt. Die Ausgleichskasse wird nun die vom Beschwerdegegner bis zum 3. Juni 1975 aus selbständiger Erwerbstätigkeit geschuldeten persönlichen Beiträge neu berechnen und darüber eine Verfügung erlassen.
Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 6. August 1975 und die Kassenverfügung vom 30. Juni 1975 aufgehoben mit der Feststellung, dass der Beschwerdegegner bis zum 3. Juni 1975 mit der AHV-Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber als Selbständigerwerbender abzurechnen hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 V 103
Datum : 04. Juni 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 V 103
Sachgebiet : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Gegenstand : Art. 8 AHVG. Bei Umwandlung einer Einzelfirma in eine AG dauert die persönliche Beitragspflicht des bisherigen Firmeninhabers


Gesetzesregister
AHVG: 5 
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 5 - 1 Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, im folgenden massgebender Lohn genannt, wird ein Beitrag von 4,35 Prozent erhoben.40
1    Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, im folgenden massgebender Lohn genannt, wird ein Beitrag von 4,35 Prozent erhoben.40
2    Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen.
3    Als massgebender Lohn für mitarbeitende Familienglieder gilt nur der Barlohn:
a  bis zum 31. Dezember des Jahres, in welchem sie das 20. Altersjahr vollendet haben; sowie
b  nach dem letzten Tag des Monats, in welchem sie das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 erreicht haben.42
4    Der Bundesrat kann Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausnehmen.
5    ...43
8 
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 8 - 1 Vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit wird ein Beitrag von 8,1 Prozent erhoben. Das Einkommen wird für die Berechnung des Beitrages auf die nächsten 100 Franken abgerundet. Beträgt es weniger als 58 80047, aber mindestens 9 800 Franken48 im Jahr, so vermindert sich der Beitragssatz nach einer vom Bundesrat aufzustellenden sinkenden Skala bis auf 4,35 Prozent.
1    Vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit wird ein Beitrag von 8,1 Prozent erhoben. Das Einkommen wird für die Berechnung des Beitrages auf die nächsten 100 Franken abgerundet. Beträgt es weniger als 58 80047, aber mindestens 9 800 Franken48 im Jahr, so vermindert sich der Beitragssatz nach einer vom Bundesrat aufzustellenden sinkenden Skala bis auf 4,35 Prozent.
2    Beträgt das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit 9 700 Franken49 oder weniger im Jahr, so hat der Versicherte den Mindestbeitrag von 422 Franken50 im Jahr zu entrichten, es sei denn, dieser Betrag sei bereits auf seinem massgebenden Lohn entrichtet worden. In diesem Fall kann er verlangen, dass der Beitrag für die selbstständige Erwerbstätigkeit zum untersten Satz der sinkenden Skala erhoben wird.
9
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 9 2. Begriff und Ermittlung - 1 Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
1    Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
2    Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird ermittelt, indem vom hierdurch erzielten rohen Einkommen abgezogen werden:
a  die zur Erzielung des rohen Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten;
b  die der Entwertung entsprechenden, geschäftsmässig begründeten Abschreibungen und Rückstellungen geschäftlicher Betriebe;
c  die eingetretenen und verbuchten Geschäftsverluste;
d  die vom Geschäftsinhaber in der Berechnungsperiode vorgenommenen Zuwendungen an Vorsorgeeinrichtungen zugunsten des eigenen Personals, sofern jede zweckwidrige Verwendung ausgeschlossen ist, sowie Zuwendungen für ausschliesslich gemeinnützige Zwecke;
e  die persönlichen Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, soweit sie dem üblichen Arbeitgeberanteil entsprechen;
f  der Zins des im Betrieb eingesetzten eigenen Kapitals; der Zinssatz entspricht der jährlichen Durchschnittsrendite der Anleihen der nicht öffentlichen inländischen Schuldner in Schweizer Franken.
3    Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet.54
4    Die steuerrechtlich zulässigen Abzüge der Beiträge nach Artikel 8 des vorliegenden Gesetzes sowie nach Artikel 3 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195955 über die Invalidenversicherung (IVG) und nach Artikel 27 Absatz 2 des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 195256 sind von den Ausgleichskassen zum von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen. Das gemeldete Einkommen ist dabei nach Massgabe der geltenden Beitragssätze auf 100 Prozent aufzurechnen.57
AHVV: 6
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 6 Begriff des Erwerbseinkommens - 1 Zum Erwerbseinkommen gehört, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind, das im In- und Ausland erzielte Bar- oder Naturaleinkommen aus einer Tätigkeit einschliesslich der Nebenbezüge.
1    Zum Erwerbseinkommen gehört, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind, das im In- und Ausland erzielte Bar- oder Naturaleinkommen aus einer Tätigkeit einschliesslich der Nebenbezüge.
2    Nicht zum Erwerbseinkommen gehören:
a  der Militärsold, die Funktionsvergütung des Zivilschutzes, das Taschengeld an zivildienstleistende Personen, der nach Artikel 24 Buchstabe fbis des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199034 über die direkte Bundesteuer (DBG) steuerfreie Sold der Milizfeuerwehrleute sowie die soldähnlichen Vergütungen in Jungschützenleiterkursen;
b  Versicherungsleistungen bei Unfall, Krankheit oder Invalidität, ausgenommen die Taggelder nach Artikel 25 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195936 über die Invalidenversicherung (IVG) und nach Artikel 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199237 über die Militärversicherung;
c  ...
d  ...
e  ...
f  Familienzulagen, die als Kinder-, Ausbildungs-, Haushalts-, Heirats- und Geburtszulagen im orts- oder branchenüblichen Rahmen gewährt werden;
g  Zuwendungen für die Aus- und Weiterbildung; werden diese vom Arbeitgeber geleistet, so sind sie nur vom Erwerbseinkommen ausgenommen, falls die Aus- und Weiterbildung in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der begünstigten Person steht;
h  reglementarische Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles oder bei Auflösung der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen persönlich beanspruchen kann;
OR: 643 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 643 - 1 Die Gesellschaft erlangt das Recht der Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die Gesellschaft erlangt das Recht der Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Das Recht der Persönlichkeit wird durch die Eintragung auch dann erworben, wenn die Voraussetzungen der Eintragung tatsächlich nicht vorhanden waren.
3    Sind jedoch bei der Gründung gesetzliche oder statutarische Vorschriften missachtet und dadurch die Interessen von Gläubigern oder Aktionären in erheblichem Masse gefährdet oder verletzt worden, so kann das Gericht auf Begehren solcher Gläubiger oder Aktionäre die Auflösung der Gesellschaft verfügen. ...347
4    Das Klagerecht erlischt, wenn die Klage nicht spätestens drei Monate nach der Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt angehoben wird.
932
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 932 - 1 Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
1    Institute des öffentlichen Rechts müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen, wenn sie überwiegend eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben oder wenn das Recht des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde eine Eintragung vorsieht. Sie lassen sich am Ort eintragen, an dem sie ihren Sitz haben.
2    Institute des öffentlichen Rechts, die nicht zur Eintragung verpflichtet sind, haben das Recht, sich eintragen zu lassen.
BGE Register
102-V-103
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aktiengesellschaft • einzelfirma • unselbständige erwerbstätigkeit • beschwerdegegner • beginn • versicherungsgericht • selbständige erwerbstätigkeit • stichtag • arbeitgeber • erwerbseinkommen • eintragung • schweizerisches handelsamtsblatt • tag • sachverhalt • vorinstanz • entscheid • dauer • bilanz • eidgenössisches versicherungsgericht • lohn
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