Urteilskopf

102 IV 162

38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juni 1976 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden.
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 162

BGE 102 IV 162 S. 162

A.- X. wurde am 27. November 1974 geschieden und verliess am 10. Dezember 1974 seine Stelle als Werkzeugschleifer bei der Firma M. in Zürich. Seit Januar 1975 will er im Hause seiner Mutter in P. wohnen. Vermutlich im Mai 1975 nahm X. im Estrich des Hauses seiner Mutter zwei dieser gehörende Kupferkessi an sich und verkaufte sie ohne Wissen der Eigentümerin für den Betrag von Fr. 200.-- dem Antiquitätenhändler R. Die Mutter lehnte es indessen ab, gegen ihren Sohn Strafantrag zu stellen.
B.- Y. ist als Pflegesohn bei den Eltern des X. aufgewachsen und wohnte ebenfalls im Hause der Mutter des X., bis er am 10. Juli 1975 wegen eines Unfalles in das Kantonsspital in Chur verbracht wurde. Y. bevollmächtigte X. schriftlich, ihn "während der Dauer seines Unfalles in allen Belangen zu vertreten". Mit dieser Vollmacht sprach X. bei der Arbeitgeberin des Y. vor und bezog dort von dessen Lohnguthaben am 18. August 1975 Fr. 930.15 und am 27. August 1975 weitere Fr. 1'826.95. Das Geld verwendete X. teils zur Zahlung wirklicher, bzw. angeblicher eigener Schulden, teils verwendete er es für persönliche Bedürfnisse. Fr. 415.-- konnten anlässlich seiner Verhaftung sichergestellt werden. Y. hat gegen X. rechtzeitig Strafantrag wegen Veruntreuung gestellt, diesen aber später wieder zurückgezogen.
C.- Mit Urteil vom 20. November 1975 sprach der Kreisgerichtsausschuss Chur X. der fortgesetzten Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
und des Betruges gemäss Art. 148 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB schuldig und verurteilte ihn als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom
BGE 102 IV 162 S. 163

2. September 1975 zu sechs Monaten Gefängnis. Die erstandene Untersuchungshaft von 14 Tagen wurde auf die Strafe angerechnet. Eine hiegegen eingereichte Berufung hat der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 29. März 1976 abgewiesen.
D.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe, eventuell Einstellung des Verfahrens im Anklagepunkt der Veruntreuung.
E.- Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil von R. ist nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich des Urteils der Vorinstanz macht der Beschwerdeführer geltend, er sei Familiengenosse des Geschädigten Y. Dieser habe aber den Strafantrag vor der erstinstanzlichen Verurteilung zurückgezogen, so dass die Verurteilung wegen Veruntreuung zu Unrecht erfolgt sei.
2. Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt erfüllt zweifelsfrei den Tatbestand der Veruntreuung. Zu prüfen ist deshalb lediglich, ob der Beschwerdeführer und Y. Familiengenossen im Sinne von Art. 110 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB waren, so dass die Veruntreuung des Beschwerdeführers zum Nachteil des Y. nur auf Antrag verfolgt werden könnte (Art. 140 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB). a) Familiengenossen sind Personen, die im gemeinsamen Haushalte leben (Art. 110 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB). Grund der Privilegierung ist nach der Rechtsprechung der Hausfrieden (BGE 72 IV 6, BGE 86 IV 159). Das Gesetz will durch das Antragserfordernis den Hausfrieden unter Personen begünstigen, die durch gemeinsames Haushalten eine Hausgemeinschaft bilden, die derjenigen unter den Gliedern ein und derselben Familie nahe kommt. Dazu gehört, dass zwei oder mehr Personen gemeinsam essen und wohnen und unter einem gemeinsamen Dache schlafen (BGE 72 IV 6, BGE 86 IV 158 ff.). b) Der Beschwerdeführer behauptet, er habe seit Januar 1975 und jedenfalls im Zeitpunkt der Tat mit dem Geschädigten
BGE 102 IV 162 S. 164

Y. im Hause seiner Mutter gelebt und sei in dieser Zeit Familiengenosse des Y. gewesen. Der Kreisgerichtsausschuss hat diese Behauptung jedoch mit der Begründung verneint, der Beschwerdeführer habe bis Ende August 1975 seine Schriften in Zürich eingelegt gehabt und er sei bis zu diesem Zeitpunkt nur unregelmässig nach P. gekommen. Der Ort, wo eine Person ihre Schriften hinterlegt, kann lediglich ein Indiz dafür sein, dass sie auch an diesem Ort ihren Wohnsitz im Sinne von Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB hat. Es schliesst dies nicht aus, dass sie in Wirklichkeit an einem anderen Ort wohnt. Mit Recht hat daher die Vorinstanz dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Schriften in Zürich eingelegt hat, hinsichtlich des Wohnsitzes keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Vorinstanz bemerkt sodann, es möge durchaus der Fall sein, dass der Beschwerdeführer seit Januar 1975 im Hause seiner Mutter gewohnt habe. Damit ist die gegenteilige Annahme der ersten Instanz aufgehoben und die Frage offen gelassen, wo der Beschwerdeführer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz gehabt hat. c) Die Vorinstanz hat den betreffenden Punkt deshalb nicht abgeklärt, weil sie fand, Y. habe sich seit dem 10. Juli 1975 im Kantonsspital befunden. Damit sei eine allfällige Hausgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer bereits anderthalb Monate vor der Tat aufgehoben worden. Es stellt sich somit die Frage, ob ein krankheitsbedingter Spitalaufenthalt die Familiengemeinschaft im Sinne von Art. 110 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB aufhebt. Die Beantwortung der Frage hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ein Spitalaufenthalt kann Anlass dafür sein, dass der Erkrankte die frühere Hausgemeinschaft aufhebt und den Willen bekundet, nicht mehr an den früheren Ort zurückzukehren. Dass dem im vorliegenden Fall so war, geht weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Akten hervor. Sollte Y. im Gegenteil seine Effekten im Hause der Mutter des Beschwerdeführers gelassen und die Absicht gehabt haben, nach einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Spitalentlassung wieder in die dortige Hausgemeinschaft zurückzukehren und wurde auch von den anderen im selben Haushalt lebenden Personen die Hausgemeinschaft nicht aufgehoben, so handelt es sich nur um eine vorübergehende Unterbrechung gemeinsamen
BGE 102 IV 162 S. 165

Wohnens, welche das Band der Familiengenossenschaft zwar während einer bestimmten Zeit lockert, ohne es aber aufzuheben. Das ist anzunehmen, wenn Möbel oder Effekten des kranken Hausgenossen in der Wohnung bleiben mit der Absicht, die Hausgemeinschaft nach der krankheitsbedingten Abwesenheit wenigstens vorübergehend fortzusetzen. In solchen Fällen erscheint es nicht angezeigt, dass eine Strafverfolgung von Amtes wegen eine Hausgemeinschaft gegen den Willen des Verletzten störe und einer allenfalls vom Verletzten gewünschten Fortsetzung der Hausgemeinschaft entgegenwirke. Es verhält sich hier nicht wesentlich anders als mit Militärdienst, Ferien, Geschäftsreisen, beruflichen Kursen, welche das unmittelbare Zusammenleben zwar vorübergehend unterbrechen, ohne aber die Gemeinschaft als solche aufzulösen. d) Die Vorinstanz wird daher prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer und Y. während dessen Spitalaufenthalt Familiengenossen im Sinne der angestellten Erwägungen geblieben sind. Sollte dies zutreffen, wäre die Verurteilung wegen Veruntreuung mangels Strafantrages aufzuheben und die Strafe neu zuzumessen.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 IV 162
Datum : 11. Juni 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 IV 162
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 110 Ziff. 3 StGB. Ob ein vorübergehender Spitalaufenthalt die Hausgemeinschaft aufhebt, hängt von den Umständen des


Gesetzesregister
StGB: 110 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
140 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
ZGB: 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
BGE Register
102-IV-162 • 72-IV-4 • 86-IV-158
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorinstanz • mutter • gemeinsamer haushalt • strafantrag • wille • verurteilung • spitalaufenthalt • sachverhalt • frage • sprache • monat • chur • familie • bundesgericht • betrug • stelle • dauer • entscheid • begründung des entscheids • von amtes wegen
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