Urteilskopf

102 Ib 296

50. Auszug aus dem Urteil vom 12. November 1976 i.S. Fatzer gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 296

BGE 102 Ib 296 S. 296

Die Polizeidirektion des Kantons Zürich entzog Adrian Fatzer am 19. Juni 1975 den Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten. Sie ging davon aus, dass er am 13. April 1975 auf der Autobahn bei Kilchberg sein Fahrzeug nicht beherrscht hatte. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hielt auf Beschwerde hin die Massnahme, die er auf Art. 16 Abs. 2
SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR)
LCR Art. 16 - 1 Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées.
1    Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées.
2    Lorsque la procédure prévue par la loi du 18 mars 2016 sur les amendes d'ordre61 n'est pas applicable, une infraction aux prescriptions sur la circulation routière entraîne le retrait du permis d'élève conducteur ou du permis de conduire, ou un avertissement.62
3    Les circonstances doivent être prises en considération pour fixer la durée du retrait du permis d'élève conducteur ou du permis de conduire, notamment l'atteinte à la sécurité routière, la gravité de la faute, les antécédents en tant que conducteur ainsi que la nécessité professionnelle de conduire un véhicule automobile. La durée minimale du retrait ne peut toutefois être réduite, sauf si la peine a été atténuée conformément à l'art. 100, ch. 4, 3e phrase.63 64
4    Le permis de circulation peut être retiré pour une durée adaptée aux circonstances:
a  en cas d'usage abusif du permis ou des plaques de contrôle;
b  lorsque les impôts ou les taxes de circulation de tous les véhicules d'un même détenteur n'ont pas été payés.65
5    Le permis de circulation est retiré dans les cas suivants:
a  lorsque, le cas échéant, la redevance ou les sûretés dues pour le véhicule au sens de la loi du 19 décembre 1997 relative à une redevance sur le trafic des poids lourds66 n'ont pas été payées et que le détenteur a été mis en demeure sans effet;
b  lorsque le véhicule n'est pas équipé de l'instrument de mesure prescrit qui permet la perception de la redevance.67
SVG stützte, aufrecht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt
BGE 102 Ib 296 S. 297

Fatzer, es sei der Entscheid des Regierungsrates aufzuheben, eventuell sei eine Verwarnung auszusprechen. Ferner beantragt er, eventuell sei auf den Vollzug der Massnahme zu verzichten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der Beschwerde. Das EJPD fügt bei, es habe gegen einen Verzicht auf den Vollzug der Massnahme nichts einzuwenden. Das Bundesgericht erachtet den Entzug des Führerausweises als gerechtfertigt und nimmt zur Frage des Vollzugsverzichtes wie folgt Stellung:
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. a) Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, es sei auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges zu verzichten. Er stützt sich dabei auf die Praxis des EJPD, wonach ein fakultativer Warnungsentzug nicht mehr vollzogen wird, wenn seit der ihm zu Grunde liegenden Widerhandlung mehr als ein Jahr verstrichen ist und der Täter durch sein seitheriges Wohlverhalten gezeigt hat, dass er der Warnungsmassnahme nicht mehr bedarf (VPB 39/1975 Nr. 100). Nach dieser Praxis wären im vorliegenden Fall die Voraussetzungen gegeben, um auf einen Vollzug zu verzichten. Das EJPD unterstützt denn auch in seiner Vernehmlassung einen Verzicht auf den Vollzug der Massnahme. b) Das Bundesgericht hat bis jetzt zu dieser Praxis des EJPD nie Stellung nehmen müssen und hat die Frage offen gelassen, ob diese mit dem Gesetz vereinbar sei (BGE 96 I 779, Entscheid des Bundesgerichts vom 24.5.1972 i.S. T., in ZWallRspr. 1972, S. 445). Dabei wurde allerdings ausgeführt, es sei fraglich, ob die Behörden auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges verzichten könnten (BGE 96 I 779). c) Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges ist nicht eine Massnahme oder Modalität der Vollstreckung. Er ändert vielmehr mit einer neuen, selbständigen Verfügung zum Teil die ursprüngliche Entzugsverfügung (BGE 97 I 605 f.). Diese wird zwar formell in Kraft gelassen und belastet damit den automobilistischen Leumund eines fehlbaren Lenkers. Sie erfährt aber eine Änderung, indem sie als nicht mehr vollziehbar erklärt wird. Die Änderung von Entzugsverfügungen durch Verzicht auf die Vollstreckung findet ihre Grundlage nicht im Gesetz. Darauf
BGE 102 Ib 296 S. 298

ist bereits in der Doktrin hingewiesen worden (GYGI, Bundesrechtliche Rechtsmittel beim Entzug von Führerausweisen, in Rechtsprobleme des Strassenverkehrs, 1975, S. 127; STAUFFER, Der Entzug des Führerausweises, Diss. Bern 1966, S. 88 f.). d) Die nachträgliche Änderung oder Aufhebung von Verfügungen durch die Verwaltung ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn das betreffende Gesetz keinen Hinweis darauf enthält. Die Rechtsprechung und Doktrin haben vielmehr Kriterien entwickelt für die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an inzwischen eingetretene Tatsachen, für die Rücknahme von fehlerhaften Verfügungen und schliesslich für die Feststellung der Nichtigkeit. Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges kann keiner dieser Fallgruppen zugeordnet werden. Am ähnlichsten ist er der Anpassung von Verfügungen an inzwischen eingetretene Tatsachen. Die Kriterien für diese Anpassung sind bei Verfügungen entwickelt worden, die dauernde Rechtsverhältnisse begründen und darum durch die zeitliche Entwicklung überholt werden können. Zudem bedeutet eine Anpassung einer Verfügung, wie sie von der Praxis entwickelt worden ist, meistens eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Verfügungsadressaten, die u.U. mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in Konflikt kommen kann. Darum wird in solchen Fällen eine Wertabwägung durchgeführt, auf Grund welcher eine Verfügung den neuen Verhältnissen angepasst wird, wenn das Interesse an der richtigen Anwendung des Rechtes dem Interesse an der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorgeht. Beim Verzicht auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges ist die Problemlage jedoch anders. Erstens ist die Dauer der Massnahme in den meisten Fällen nicht so lang, dass es nötig werden kann, inzwischen eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen. Zweitens handelt es sich beim Verzicht auf den Vollzug um eine Verbesserung der Stellung des Verfügungsadressaten. Aus diesem Grund dürfte die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz keine Rolle spielen. Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges kann somit nicht dem Institut der Anpassung von Verfügungen, wie es von der Praxis entwickelt worden ist, zugeordnet werden.

BGE 102 Ib 296 S. 299

Die Praxis des Vollzugsverzichtes beim Führerausweisentzug ist denn auch nicht als Ausgleich der Prinzipien der Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Legalität zu verstehen, sondern wurde durch die grossen Rückstände, die die Behörden bei der Behandlung von Beschwerden gegen solche Entzüge aufweisen, motiviert. Diese Rückstände entstehen zum Teil dadurch, dass die Administrativbehörden den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, bis sie selber entscheiden. Es ist denkbar, dass infolge dieser langen Rechtsmittelverfahren ein fehlbarer Fahrzeuglenker seinen Führerausweis noch Jahre nach einer Verkehrsregelverletzung zu deponieren hat. Es ist zwar verständlich, dass mit einem Verzicht auf den Vollzug versucht wurde, solche unbefriedigende Situationen für den fehlbaren Fahrzeuglenker zu mildern. Die Verwaltung darf aber auf Grund des Gesetzes verhängte Massnahmen nicht darum abändern, weil die Behandlung von Rechtsmitteln eine lange Zeit beansprucht hat. Bei den erwähnten Fallgruppen der Anpassung, Rücknahme und Feststellung der Nichtigkeit verlangt das Interesse an der Legalität die Änderung von Verfügungen. Im Fall des Verzichtes auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges verbietet aber gerade die Gesetzestreue eine Änderung einer Verfügung, während eine solche durch das Interesse an der Vermeidung der unbefriedigenden Folgen von langen Rechtsmittelverfahren motiviert ist. Ein solches Interesse kann jedoch nicht die Änderung von Massnahmen rechtfertigen, die auf gesetzliche Weise verhängt worden sind. e) Der Vollzugsverzicht ist vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit zu beanstanden (GYGI, a.a.O. S. 127). Fahrzeuglenker, die einen Führerausweisentzug nämlich ohne Ergreifen eines Rechtsmittels akzeptieren, gelangen nie in den Genuss eines Vollzugsverzichtes. Fehlbare Fahrzeuglenker jedoch, die alle ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel bis zur letzten Instanz benützen, werden den Vollzug des Führerausweisentzuges vielfach so lange hinauszögern können, bis ein Vollzugsverzicht bei gleichzeitigem Vorliegen der anderen vom EJPD verlangten Voraussetzungen in Frage kommt. Dies ist um so eher möglich, wenn die Administrativbehörden den Ausgang eines länger dauernden Strafverfahrens in der gleichen Sache abwarten, bevor sie über den Führerausweisentzug entscheiden. Der Vollzugsverzicht bevorzugt mit anderen Worten den

BGE 102 Ib 296 S. 300

beschwerdefreudigen vor dem einsichtigen fehlbaren Lenker. Eine solche, im Gesetz nicht vorgesehene ungleiche Behandlung verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit. f) Unzulässig ist es schliesslich, die Praxis des Verzichtes auf den Entzug des Führerausweises als Gewohnheitsrecht zu betrachten, wie dies von STAUFFER vorgeschlagen wird (a.a.O. S. 89). Einmal scheint die zeitliche Dauer der Praxis für eine Bildung von Gewohnheitsrecht sehr kurz. Entscheidend ist aber, dass das Bundesgericht mehrmals Vorbehalte zu dieser Praxis angebracht oder die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gesetz zumindest offen gelassen hat. Die Praxis des Entzugsverzichtes kann bei dieser Lage nicht die opinio iuris et necessitatis für sich in Anspruch nehmen, die Voraussetzung für die Bildung von Gewohnheitsrecht wäre. g) Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der Verzicht auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges eine Massnahme ist, die weder vom Gesetz noch durch die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts gerechtfertigt wird. Diese Praxis ist daher rechtswidrig und muss aufgegeben werden (so auch GYGI, a.a.O. S. 127).
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 102 IB 296
Date : 12 novembre 1976
Publié : 31 décembre 1976
Source : Tribunal fédéral
Statut : 102 IB 296
Domaine : ATF - Droit administratif et droit international public
Objet : Retrait du permis de conduire. - La renonciation à l'exécution d'une décision de retrait du permis de conduire est une mesure


Répertoire des lois
LCR: 16
SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR)
LCR Art. 16 - 1 Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées.
1    Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées.
2    Lorsque la procédure prévue par la loi du 18 mars 2016 sur les amendes d'ordre61 n'est pas applicable, une infraction aux prescriptions sur la circulation routière entraîne le retrait du permis d'élève conducteur ou du permis de conduire, ou un avertissement.62
3    Les circonstances doivent être prises en considération pour fixer la durée du retrait du permis d'élève conducteur ou du permis de conduire, notamment l'atteinte à la sécurité routière, la gravité de la faute, les antécédents en tant que conducteur ainsi que la nécessité professionnelle de conduire un véhicule automobile. La durée minimale du retrait ne peut toutefois être réduite, sauf si la peine a été atténuée conformément à l'art. 100, ch. 4, 3e phrase.63 64
4    Le permis de circulation peut être retiré pour une durée adaptée aux circonstances:
a  en cas d'usage abusif du permis ou des plaques de contrôle;
b  lorsque les impôts ou les taxes de circulation de tous les véhicules d'un même détenteur n'ont pas été payés.65
5    Le permis de circulation est retiré dans les cas suivants:
a  lorsque, le cas échéant, la redevance ou les sûretés dues pour le véhicule au sens de la loi du 19 décembre 1997 relative à une redevance sur le trafic des poids lourds66 n'ont pas été payées et que le détenteur a été mis en demeure sans effet;
b  lorsque le véhicule n'est pas équipé de l'instrument de mesure prescrit qui permet la perception de la redevance.67
Répertoire ATF
102-IB-296 • 96-I-766 • 97-I-604
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
amendement • autoroute • conducteur • conseil d'état • constitution d'un droit réel • dernière instance • dfjp • doctrine • durée • décision • exactitude • hameau • illicéité • mois • motivation de la décision • moyen de droit • nullité • organisation de l'état et administration • place de dépôt • pratique judiciaire et administrative • question • retrait d'admonestation • réputation • révocation • sécurité du droit • tribunal fédéral • état de fait
VPB
39.100