Urteilskopf

102 Ia 363

52. Auszug aus dem Urteil vom 7. Dezember 1976 i.S. Burkhalter gegen Erismann und Appellationshof des Kantons Bern
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 363

BGE 102 Ia 363 S. 363

In der Betreibung Nr. 4435 des Betreibungsamtes Bern (Gläubiger: Jules Brand, später an dessen Stelle der Zessionar Hermann Burkhalter; Schuldnerin: Frau Gertrud Erismann) erging am 27. Februar 1976 die Pfändungsankündigung für den Betrag von Fr. 3'560.20. Die Pfändung wurde einstweilen nicht vollzogen, weil Frau Erismann wegen Krankheit Rechtsstillstand bewilligt worden war. Am 17. Mai 1976 stellte diese beim Gerichtspräsidenten IV von Bern ein Gesuch um Aufhebung
BGE 102 Ia 363 S. 364

der Betreibung. Sie machte geltend, die Betreibungsforderung sei durch Verrechnung getilgt. Als Beweismittel hiefür legte sie einen Pfändungsverlustschein gegen Jules Brand über den Betrag von Fr. 4'643.70 vor, der am 27. April 1965 zugunsten der Firma Edilcentro S.A. in Giubiasco ausgestellt wurde und auf der Rückseite eine vom 3. Mai 1976 datierte Zessionserklärung an Frau Erismann aufweist. Der Gerichtspräsident IV von Bern entsprach dem Begehren und hob mit Entscheid vom 24. Juni 1976 die Betreibung auf. Burkhalter erklärte gegen diesen Entscheid Appellation. Die I. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons Bern bestätigte am 23. Juli 1976 den Entscheid des Gerichtspräsidenten. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, auf Grund des vorgelegten Verlustscheines gegenüber Brand sei der Bestand der Gegenforderung, die Frau Erismann zur Verrechnung stelle, erwiesen. Burkhalter führt gegen den Entscheid des Appellationshofes staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Allein streitig ist, ob ohne Willkür angenommen werden durfte, Frau Erismann habe den ihr obliegenden Urkundenbeweis für die Tilgung der in Betreibung gesetzten Forderung durch Vorlegung des an sie zedierten Verlustscheines erbracht. a) Das Bundesgericht hat in BGE 69 III 91 ff. in Abweichung von der früher herrschenden Praxis festgestellt, der Pfändungsverlustschein sei nichts anderes als eine amtliche Bescheinigung darüber, dass in einer Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner keine oder keine vollständige Deckung der Forderung habe erzielt werden können. Der Schuldner gebe bei dessen Ausstellung keine auf das materielle Rechtsverhältnis bezügliche Willenserklärung ab. Der Verlustschein bewirke daher keine Neuerung im Sinne von Art. 116
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 116 - 1 Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet.
1    Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet.
2    Insbesondere bewirkt die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld oder die Ausstellung eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung der bisherigen Schuld.
OR und schaffe auch keinen Schuldgrund, der neben dem ursprünglichen als selbständiger Klagegrund angerufen werden könnte. Weitere Wirkungen könne der Verlustschein nur kraft positiver gesetzlicher Vorschriften haben. Diese erschöpften sich jedoch, wenn man von den betreibungsrechtlichen Folgen absehe,
BGE 102 Ia 363 S. 365

darin, dass die Forderung unverjährbar und unverzinslich werde. Zwar bezeichne Art. 149 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 149 - 1 Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1    Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1bis    Das Betreibungsamt stellt den Verlustschein aus, sobald die Höhe des Verlustes feststeht.291
2    Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 erwähnten Rechte.
3    Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.
4    Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersatze derselben anhalten.
5    ...292
SchKG den Verlustschein auch als Schuldanerkennung, jedoch mit der ausdrücklichen Einschränkung "im Sinne von Art. 82", d.h. nur als Titel für die Erlangung provisorischer Rechtsöffnung. Eine erhöhte Beweiskraft ausserhalb des Rechtsöffnungsverfahrens werde ihm durch das Gesetz nicht verliehen. Damit sei allerdings nicht gesagt, dass der Pfändungsverlustschein überhaupt keine Beweiskraft besitze. Er verurkunde, dass der Schuldner in einer früheren Betreibung keinen Rechtsvorschlag erhoben habe oder dass dieser durch Rechtsöffnung oder Urteil beseitigt worden sei. In diesem Sinne sei der Verlustschein zwar kein direkter Beweis, wohl aber ein Indiz für den Bestand der Forderung, dem der Richter dann entscheidende Bedeutung beimessen werde, wenn sich der Gläubiger infolge Ablaufs langer Zeit oder aus ähnlichen Gründen in die Unmöglichkeit versetzt sehe, von anderen Beweismitteln Gebrauch zu machen. In solchen Fällen habe der Schuldner, der keinen Rechtsvorschlag erhoben oder keine Aberkennungsklage angestrengt habe, selbst die Folgen dessen zu tragen, dass er nicht rechtzeitig einen gerichtlichen Entscheid über die streitige Forderung erwirkt habe. Im konkreten Falle - es handelte sich um einen Aberkennungsprozess - wurde der Verlustschein nicht berücksichtigt, weil der Schuldner seiner Behauptungspflicht nicht nachgekommen sei, indem er erklärt habe, über die Entstehung der Forderung überhaupt nichts zu wissen; zudem seien aus dem Verlustschein nicht einmal der Forderungstitel und das Datum jener Forderung ersichtlich. Dem Gläubiger, der sich auf einen Verlustschein stütze, müsse zugemutet werden, seine Forderung so zu substantiieren, dass der Schuldner erfahre, aus welchem konkreten Sachverhalt sie hergeleitet werde. Dass der Verlustschein keine Neuerung der ihm zugrundeliegenden Forderung bewirke, wurde bestätigt in BGE 81 III 23, BGE 86 III 80 und neuestens in BGE 98 Ia 355 f., E. 2. Im letztgenannten Falle hatte ein Schuldner im Verfahren betreffend definitive Rechtsöffnung im Sinne von Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG durch Vorlegung eines Verlustscheines gegen die Gläubigerin die Tilgung der Schuld durch Verrechnung darzutun versucht. Das Bundesgericht erklärte dies unter Wiederholung der Erwägungen von BGE 69 III 91 ff. für unzulässig, wobei es
BGE 102 Ia 363 S. 366

zusätzlich bemerkte, es liege nichts dafür vor, dass die Schuld, für die der Verlustschein ausgestellt worden sei, nicht durch andere Beweismittel hätte dargetan werden können; zudem bestünden Zweifel daran, ob der Verlustschein gesetzmässig erwirkt worden sei. b) Weder der Appellationshof noch die Beschwerdegegnerin greifen die dargestellte Praxis des Bundesgerichtes an, und es besteht auch kein Anlass, sie von Amtes wegen in Frage zu stellen. Es geht somit lediglich darum, ob im vorliegenden Falle trotzdem auf den Verlustschein als einziges Beweismittel für den Bestand der zur Verrechnung gestellten Forderung habe abgestellt werden dürfen. Dies war zweifellos nicht deshalb zulässig, weil es sich hier um ein Verfahren betreffend Aufhebung einer Betreibung im Sinne von Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG handelt, während die angeführten Urteile entweder Aberkennungsprozesse oder Verfahren über definitive Rechtsöffnung betrafen. Der Aberkennungsprozess ist ein ordentlicher Zivilprozess, in dem die Möglichkeiten zur Beweisführung bundesrechtlich in keiner Weise beschränkt sind. Dagegen lässt sich die Stellung des Schuldners im Verfahren betreffend definitive Rechtsöffnung (Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG) durchaus mit derjenigen im Verfahren betreffend Aufhebung einer Betreibung (Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG) vergleichen. In beiden Fällen spricht eine Vermutung für den Bestand der Forderung, im Falle von Art. 81 deshalb, weil der Gläubiger ihn durch vollstreckbare gerichtliche Urteile oder eine als gleichwertig anerkannte Urkunde belegt hat, im Falle von Art. 85 entweder aus dem nämlichen Grunde oder deshalb, weil der Schuldner es unterlassen hat, Rechtsvorschlag zu erheben. Auch die Formulierung des Gesetzes ("... durch Urkunden beweist") ist identisch. Es liesse sich daher nicht vertreten, an die Beweisführung des Schuldners für die Tilgung der Forderung im einen Falle geringere Anforderungen zu stellen als im andern. Der Verlustschein kann somit grundsätzlich als Beweismittel im Verfahren gemäss Art. 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG ebensowenig anerkannt werden wie in demjenigen gemäss Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG (BGE 98 Ia 355 f., E. 2). c) Damit kann sich nur noch fragen, ob die kantonalen Instanzen zu Recht annehmen durften, unter aussergewöhnlichen Umständen, so insbesondere bei weit zurückliegenden Ausstellungsdaten, könne ein Verlustschein gleichwohl als Beweismittel für die Tilgung der Schuld anerkannt werden. Die
BGE 102 Ia 363 S. 367

Erwägungen des Bundesgerichtes, auf die sich das angefochtene Urteil stützt, finden sich erstmals im vorstehend einlässlich wiedergegebenen BGE 69 III 91 f., der sich auf einen Aberkennungsprozess bezieht. Sie haben dort ihren guten Sinn: es handelt sich um einen ordentlichen Zivilprozess, in dem beide Parteien für den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung beliebige Beweismittel bezeichnen können und dem Richter das Recht der freien Beweiswürdigung zusteht. In einem solchen Prozess kann sich die Notwendigkeit ergeben, auf Grund der besseren Indizien zu entscheiden, um das Risiko einer materiell rechtskräftig werdenden Fehlentscheidung möglichst einzuschränken. Diese Überlegung lässt sich indessen nicht auf die betreibungsrechtlichen Zwischenverfahren im Sinne der Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
und 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG übertragen. Einerseits ist hier der Schuldner aus triftigen Gründen von Gesetzes wegen auf den Urkundenbeweis beschränkt, so dass sich die Frage des Beweisnotstandes nicht im nämlichen Sinne stellen kann wie im ordentlichen Prozess; andererseits ergeht der richterliche Entscheid in diesen Verfahren nicht mit materieller Rechtskraft, sondern nur mit Wirkung für die betreffende Betreibung, und es steht dem Schuldner bei Unterliegen immer noch die Rückforderungsklage im Sinne von Art. 86
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
SchKG offen. Diese Überlegungen führen dazu, dass ein Verlustschein aus Pfändung in den erwähnten Verfahren überhaupt nicht als zum Beweis für den Bestand einer Gegenforderung taugliche Urkunde anerkannt werden kann, auch dann nicht, wenn der Schuldner keine andere Möglichkeit hat, diesen Bestand zu beweisen. Es ist dies die Folge einerseits der dargestellten Rechtsnatur des Verlustscheines und andererseits der besonderen Natur der Verfahren gemäss Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
und 85
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
SchKG, in denen die zugunsten des Gläubigers sprechende Vermutung nur mit völlig eindeutigen Urkunden widerlegt werden kann. Soweit das Bundesgericht in BGE 98 Ia 356 die Erwägungen von BGE 69 III 92 über die Möglichkeit, den Verlustschein ausnahmsweise als Beweismittel anzuerkennen, auch auf das Verfahren gemäss Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG übertragen hat (allerdings ohne daraus konkrete Schlüsse zu ziehen), kann daran nicht festgehalten werden. Die hier von den kantonalen Instanzen vertretene Lösung, wonach ein Verlustschein dann als ausreichender Urkundenbeweis für die Tilgung einer Betreibungsforderung anerkannt
BGE 102 Ia 363 S. 368

werden müsse, wenn dem Schuldner keine Möglichkeit zur Verfügung stehe, den Beweis für das Grundschuldverhältnis zu erbringen, ist übrigens im Ergebnis durchaus unbillig. Sie führt, konsequent zu Ende gedacht, dazu, dass der Schuldner umso bessere Aussichten hat, mit einem Begehren um Aufhebung der Betreibung durchzudringen, je älter der zur Verrechnung gestellte Verlustschein ist und je mehr Personen ihn allenfalls in der Zwischenzeit besessen haben. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, umso weniger, als sowohl die absolute Unverjährbarkeit der durch den Verlustschein verurkundeten Forderung als auch der uneingeschränkte Handel mit Verlustscheinforderungen in der Literatur auf Kritik gestossen sind (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. I, S. 320 und 321, Fussnote 473).
3. Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Entscheid als mit sachlichen Gründen nicht vertretbar. Er ist in Anwendung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufzuheben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 IA 363
Datum : 07. Dezember 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 IA 363
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 4 BV, Art. 85 SchKG; Verlustschein als Beweismittel für den Bestand einer Forderung, welche der Betreibungsforderung


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OR: 116
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 116 - 1 Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet.
1    Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen wird nicht vermutet.
2    Insbesondere bewirkt die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld oder die Ausstellung eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung der bisherigen Schuld.
SchKG: 81 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
85 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 85 - Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen.
86 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
149
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 149 - 1 Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1    Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1bis    Das Betreibungsamt stellt den Verlustschein aus, sobald die Höhe des Verlustes feststeht.291
2    Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 erwähnten Rechte.
3    Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.
4    Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersatze derselben anhalten.
5    ...292
BGE Register
102-IA-363 • 69-III-89 • 81-III-20 • 86-III-77 • 98-IA-353 • 98-IA-356
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aberkennungsklage • ausserhalb • begründung des entscheids • bescheinigung • betreibungsamt • beweiskraft • beweismittel • biene • bundesgericht • deckung • definitive rechtsöffnung • entscheid • errichtung eines dinglichen rechts • frage • gleichwertigkeit • indiz • klagegrund • literatur • materielle rechtskraft • neuerung • obliegenheit • provisorische rechtsöffnung • rechtsnatur • rechtsvorschlag • richterliche behörde • sachverhalt • schuldanerkennung • schuldbetreibungs- und konkursrecht • schuldner • staatsrechtliche beschwerde • stelle • urkunde • verlustschein • vermutung • von amtes wegen • vorlegung • weiler • wiederholung • wissen • zahl • zessionar • zivilprozess • zwangsvollstreckung • zweifel