101 Ia 281
46. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Willener gegen Begnadigungskommission des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt und Justizdepartement des Kantons Luzern.
Regeste (de):
- Art. 84 Abs. 1 lit. d
OG; interkantonale Zuständigkeit zur Begnadigung.
- 1. Unter der "Begnadigungsbehörde des Kantons" im Sinne von Art. 394 lit. b
StGB ist die Behörde desjenigen Kantons zu verstehen, dessen Richter die durch Begnadigung zu erlassende Strafe durch rechtskräftiges Urteil auferlegt hat (E. 3a).
- 2. Auch im Falle des Widerrufs des bedingten Strafvollzuges gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: a eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder b eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. 2 Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. 3 Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
Regeste (fr):
- Art. 84 al. 1 lettre d OJ; canton compétent pour exercer le droit de grâce.
- 1. L'autorité compétente du canton, au sens de l'art. 394 lettre b CP, est celle du canton dont le juge a prononcé, par jugement passé en force, la peine dont la remise est demandée (consid. 3a).
- 2. La compétence d'exercer le droit de grâce appartient également à l'autorité compétente du canton dont les autorités judiciaires ont prononcé la peine avec sursis, lorsque ce dernier est révoqué en application de l'art. 41 chiffre 3 al. 3 première phrase CP (consid. 3b et c).
Regesto (it):
- Art. 84 cpv. 1 lett. d
OG; cantone competente ad esercitare il diritto di grazia.
- 1. Per "autorità competente dei Cantoni" ai sensi dell'art. 394 lett. b CP è da intendersi l'autorità del cantone il cui giudice ha pronunciato con sentenza cresciuta in giudicato la pena per la quale è chiesta la grazia (consid. 3a).
- 2. Anche in caso di revoca della sospensione condizionale della pena ai sensi dell'art. 41 n. 3 cpv. 3 prima frase CP, competente ad esercitare il diritto di grazia è l'autorità del cantone in cui è stata pronunciata la pena sospesa condizionalmente (consid. 3b, c).
Sachverhalt ab Seite 282
BGE 101 Ia 281 S. 282
Beat Willener wurde vom Strafgericht Basel-Stadt am 18. September 1970 wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das BG über die Betäubungsmittel zu 7 Monaten Gefängnis und am 29. September 1971 vom Polizeigericht Basel-Stadt wegen des gleichen Vergehens zu 7 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Vollzug beider Strafen wurde bedingt aufgeschoben. Mit Urteil vom 15. Februar 1974 fällte das Obergericht des Kantons Luzern gegen Willener erneut wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Gefängnisstrafe von 5 Monaten aus. Für diese Strafe gewährte es ihm den bedingten Strafvollzug, ordnete aber den Vollzug der beiden im Kanton Basel-Stadt ausgesprochenen Gefängnisstrafen an. Am 14. Juni 1974 reichte Willener im Kanton Basel-Stadt ein Begnadigungsgesuch ein, auf welches die Begnadigungskommission des Grossen Rates nicht eintrat mit der Begründung, es sei der Kanton Luzern zuständig, dessen Obergericht gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

BGE 101 Ia 281 S. 283
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Es ist zu prüfen, welchem Kanton im Falle des Widerrufs des bedingten Strafvollzuges nach Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |


SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
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1 | Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. |
2 | Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. |
3 | Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
BGE 101 Ia 281 S. 284
keine weitergehenden Folgerungen, auch nicht bezüglich der Begnadigungskompetenz, gezogen werden. Zwar würde es eine Vereinfachung bedeuten, wenn im Falle eines auswärts erfolgten Widerrufs des bedingten Strafvollzugs der Verurteilte am gleichen Ort die Begnadigung für alle, möglicherweise in verschiedenen Kantonen ausgesprochenen Strafen, die neue Strafe eingeschlossen, verlangen könnte. Dieses Ziel liesse sich aber auch mit der vom Kanton Basel-Stadt vorgeschlagenen Lösung nicht vollständig erreichen. Die Zuständigkeit der Begnadigungsbehörden verschiedener Kantone bliebe in vielen Fällen gleichwohl bestehen, so bei Strafen, die in verschiedenen Kantonen unbedingt ausgesprochen oder bei Strafen für Taten, welche nicht während der Probezeit verübt worden sind. Hinzu kommt, dass es mehr oder weniger von Zufälligkeiten abhinge, bei welcher Begnadigungsbehörde die Gesuche vereinigt würden. Bleibt es hingegen bei der Zuständigkeit des Kantons, der das Haupturteil gefällt hat, so ist es in der Regel der Kanton, wo der Täter die betreffende Tat oder wenigstens eine mit der Strafe zusammenhängende Tat verübt hat. Zwischen dem Gemeinwesen, dessen Ordnung durch die Tat gestört wurde, und dem Gemeinwesen, das die Strafe erlassen soll, ist damit ein sachlicher Zusammenhang gewahrt.
c) Die vom Kanton Basel-Stadt vorgeschlagene Zuständigkeitsordnung hätte sodann eine Verschiebung der Begnadigungskompetenz zwischen der Bundesversammlung und den kantonalen Begnadigungsbehörden zur Folge, könnte doch unter Umständen eine kantonale Behörde eine durch das Bundesstrafgericht bedingt ausgesprochene Strafe erlassen und umgekehrt. Das stünde im Widerspruch zu Art. 394

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
BGE 101 Ia 281 S. 285
Würde man entsprechend der Auffassung des Kantons Basel-Stadt annehmen, die Behörde des Widerrufskantons sei zur Begnadigung zuständig, so könnte diese Behörde eine Strafe aufheben, die das Gericht eines andern Kantons ausgesprochen hat. Damit würde dem Widerrufskanton eine Kompetenz übertragen, die weiter ginge als die Widerrufskompetenz. Die Übertragung der Widerrufskompetenz gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |

Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Kanton Basel-Stadt richtet, gutgeheissen und der Kanton Basel-Stadt als zuständig erklärt, über das Begnadigungsgesuch zu befinden.