101 Ia 116
22. Urteil vom 9. Juli 1975 i.S. X gegen Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und Kanton Aargau.
Regeste (de):
- Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht, Treu und Glauben.
- 1. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag in der Regel nur eine individuell-konkrete Zusicherung der Verwaltung an den Bürger eine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen. Wer sich auf eine dem Steuergesetz widersprechende Vollziehungsvorschrift der Verwaltung verlassen und entsprechende Dispositionen getroffen hat, besitzt daher keinen Anspruch, abweichend vom Gesetz besteuert zu werden (E. 2a).
- 2. Ausnahmsweise kann aber auch in Fällen dieser Art der Vertrauensschutz dem Legalitätsprinzip vorgehen, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2b).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; droit fiscal cantonal, bonne foi.
- 1. En matière de protection de la bonne foi, seule une assurance donnée par l'administration de façon concrète et individuelle à un administré peut en principe justifier une dérogation à la loi. Celui qui se fonde sur une prescription d'exécution édictée par l'administration en contradiction avec la loi fiscale et qui a pris des dispositions en conséquence ne saurait prétendre être taxé de façon contraire à la loi (consid. 2a).
- 2. Exceptionnellement, la protection de la bonne foi peut l'emporter, également dans des cas de ce genre, sur le principe de la légalité, lorsque certaines conditions particulières sont remplies (consid. 2b).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; diritto fiscale cantonale, buona fede.
- 1. In materia di tutela della buona fede, soltanto un'assicurazione concreta fornita individualmente dall'amministrazione a un interessato può, in linea di principio, giustificare una deroga alla legge. Chi, fondandosi su una norma d'esecuzione emanata dall'amministrazione in contraddizione con la legge fiscale, ha preso disposizioni corrispondenti, non può pretendere d'essere tassato in modo contrario alla legge (consid. 2a).
- 2. Eccezionalmente, la tutela della buona fede può prevalere anche in casi di questo genere sul principio della legalità, ove ricorrano determinati presupposti (consid. 2b).
Sachverhalt ab Seite 116
BGE 101 Ia 116 S. 116
A.- Art. 214
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 214 - 1 Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
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1 | Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
2 | Per i beni reintegrati negli acquisti, è determinante il momento in cui furono alienati. |
BGE 101 Ia 116 S. 117
Nach § 1 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die Erbschafts- und Schenkungssteuer vom 16. Februar 1922 (EStG) unterliegt der Besteuerung das Vermögen, das durch gesetzliche Erbfolge, letztwillige Verfügung, Erbvertrag, Schenkung oder "anderweitige Zuwendung" jemandem zu Eigentum anfällt. Nähere Vorschriften über die Steuerpflicht und den Gegenstand der Steuer finden sich in der regierungsrätlichen Vollziehungsverordnung zum EStG vom 16. Februar 1928 (VVEStG). Gemäss § 2 VVEStG unterliegt der Besteuerung der "unentgeltliche Vermögensanfall im Sinne von § 1 des Gesetzes"; als "anderweitige Vermögenszuwendung" (im Sinne von § 1 EStG) gilt jede Zuwendung durch beidseitig verpflichtenden Vertrag, bei dem die Verpflichtungen beider Parteien "nicht annähernd gleichwertig" sind. § 4 Abs. 1-3 VVEStG lautet: "1 Der Anfall des überlebenden Ehegatten aus dem ehelichen Vermögen unterliegt, vorbehältlich der Bestimmung von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes, nur insoweit der Steuerpflicht, als er auf erbrechtlicher und nicht güterrechtlicher Ausscheidung beruht. 2 Im Falle der Güterverbindung ist daher steuerfrei, was dem überlebenden Ehemann über das Frauengut hinaus verbleibt (Art. 212 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches), was die überlebende Ehefrau zurücknehmen und zurückfordern kann (Art. 213 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches), sowie was dem überlebenden Ehegatten als Vorschlag gehört (Art. 214 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches). 3 Im Falle der Gütergemeinschaft unterliegt der Besteuerung, was dem überlebenden Ehegatten mehr zufällt, als ihm bei der Ausscheidung gemäss Art. 225 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches zukommen würde. 4 ..."
(Der in § 4 Abs. 1 VVEStG vorbehaltene § 4 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes gewährt dem Ehegatten einen steuerfreien Abzug in der Höhe seines Pflichtteils.)
B.- Die im Kanton Aargau wohnhaften Ehegatten X. schlossen 1958 einen Ehevertrag mit folgendem Inhalt: "1. Als Güterstand wird die Güterverbindung beibehalten. Dagegen wird die Vorschlagsverteilung gemäss Art. 214 Abs. 3
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 214 - 1 Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
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1 | Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
2 | Per i beni reintegrati negli acquisti, è determinante il momento in cui furono alienati. |
BGE 101 Ia 116 S. 118
..."
Der Ehemann starb am 31. Januar 1974. Die aargauische Steuerverwaltung veranlagte mit Einspracheentscheid vom 13. September 1974 Frau X. zu einer Erbschafts- und Schenkungssteuer von Fr. 131'461.10. Sie brachte von den vorhandenen Aktiven von rund Fr. 2'010'000.-- ausser der Frauengutsforderung von rund Fr. 187'000.-- und Schulden von rund Fr. 15'000.-- als Vorschlagsanteil der Ehefrau lediglich den gesetzlichen Drittel gemäss Art. 214 Abs. 1
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 214 - 1 Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
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2 | Per i beni reintegrati negli acquisti, è determinante il momento in cui furono alienati. |
C.- Mit Urteil vom 14. März 1975 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, im wesentlichen mit der Begründung, dass als "anderweitige Zuwendung" im Sinne von § 1 EStG auch güterrechtliche Zuwendungen zu behandeln seien, wenn sie schenkungsähnlichen Charakter hätten, was hier anzunehmen sei. Der abweichende Wortlaut von § 4 der Vollziehungsverordnung widerspreche dem Gesetz und sei daher unbeachtlich. Dies habe das aargauische Obergericht schon in zwei früheren Urteilen in den Jahren 1946 und 1955 festgestellt.
D.- Frau X. führt hiegegen wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die kantonalen Behörden nehmen an, nach Wortlaut und Sinn von § 1 EStG unterliege jeglicher Vermögensanfall der Besteuerung, sofern er unentgeltlich sei. Steuerbar seien gegebenenfalls auch güterrechtliche Zuwendungen, soweit sie schenkungsähnlichen Charakter hätten und daher als unentgeltlich bezeichnet werden könnten.
BGE 101 Ia 116 S. 119
Was die Beschwerdeführerin gegen diese Gesetzesauslegung vorbringt, schlägt unter dem Gesichtswinkel der Willkür nicht durch. Wie das Bundesgericht bereits in einem Entscheid vom 11. Februar 1959 (ASA 28, S. 348 ff.) festgestellt und begründet hat, beruht die von den kantonalen Behörden geübte Praxis auf einer haltbaren Auslegung von § 1 EStG; es ist nach Sinn und Wortlaut dieser Gesetzesvorschrift zulässig, gegebenenfalls auch die ehevertraglich vereinbarte Zuweisung einer über den gesetzlichen Teil hinausgehenden Vorschlagsquote an den überlebenden Ehegatten der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn dies nach den konkreten Umständen einer unentgeltlichen Vermögenszuwendung gleichkommt.
2. Damit sind jedoch die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Vorgehen der aargauischen Behörden noch nicht beseitigt. Die Beschwerdeführerin weist mit Grund darauf hin, dass die Auslegung, welche die Steuerbehörden § 1 EStG geben, mit dem Wortlaut von § 4 VVEStG im Widerspruch steht. Dieser erklärt in Absatz 1 den Anfall des überlebenden Ehegatten nur insoweit als steuerpflichtig, "als er auf erbrechtlicher und nicht güterrechtlicher Ausscheidung beruht". In Absatz 2 wird diese Regel für den Fall der Güterverbindung präzisiert: danach ist u.a. auch steuerfrei, "was dem überlebenden Ehegatten als Vorschlag gehört (Art. 214 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches)". Dass beim Erlass der Verordnung an die Möglichkeit einer von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Güterausscheidung gedacht wurde, geht aus dem nachfolgenden Absatz 3 hervor, wo für den Fall der Gütergemeinschaft ein diesbezüglicher Vorbehalt gemacht wird. Absatz 2 enthält keinen entsprechenden Vorbehalt. Nach Wortlaut und Sinn dieser Verordnungsbestimmung ist der dem überlebenden Ehegatten zukommende Vorschlag auch dann von der Steuer befreit, wenn gemäss Art. 214 Abs. 3
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 214 - 1 Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
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1 | Per il valore degli acquisti esistenti allo scioglimento del regime dei beni, è determinante il momento della liquidazione. |
2 | Per i beni reintegrati negli acquisti, è determinante il momento in cui furono alienati. |
BGE 101 Ia 116 S. 120
über den gesetzlichen Anteil hinausgehenden Vorschlagsquote sei nur dann von der Steuer befreit, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten, was hier nicht dargetan sei. a) Diese Auslegung hält, soweit sie sich auf § 1 EStG stützt, vor Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
BGE 101 Ia 116 S. 121
über die gesetzliche Ordnung hinausgehen" (BGE 91 I 133 ff.). Der Vertrauensschutz kann in gewissen Fällen somit selbst dann, wenn keine individuell-konkrete Zusicherung der Verwaltung vorliegt, gegenüber dem Gebot der Legalität den Vorzug verdienen (GUENG, a.a.O. S. 478; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. A. Bd. 1 Nr. 343 V, S. 225). Eine derartige Ausnahme drängt sich auch im vorliegenden Fall auf: aa) Es entspricht einem legitimen Bedürfnis, dass sich der Bürger bei Abschluss eines güterrechtlichen Vertrages aufgrund der einschlägigen Normen über die steuerlichen Folgen seines Vorgehens Aufschluss verschaffen kann, und es ist auch durchaus zulässig und verständlich, dass er bei der Gestaltung seiner güterrechtlichen Verhältnisse im Rahmen des angestrebten Zweckes und des gesetzlich Möglichen nach einer Lösung sucht, die steuerlich für ihn günstig ist. Das EStG umschreibt in § 1 den Gegenstand der Steuer insoweit in sehr allgemeiner Weise, als es neben dem Vermögensanfall durch gesetzliche Erbfolge, letztwillige Verfügung, Erbvertrag und Schenkung generell auch "anderweitige Vermögenszuwendungen" als steuerpflichtig erklärt, ohne für diesen letzteren Fall die Voraussetzungen näher zu umschreiben. Dass in sämtlichen in § 1 EStG genannten Tatbeständen die Vermögenszuwendung unentgeltlich erfolgt sein muss, wird beispielsweise erst durch § 2 der Vollziehungsverordnung klargestellt, und auch der in § 1 EStG verwendete Begriff der "anderweitigen Vermögenszuwendung" - als welche das hier streitige Geschäft qualifiziert wurde - wird einzig in der VVEStG näher umschrieben. Der durch eine derartige "anderweitige Vermögenszuwendung" Begünstigte kann sich daher zum vornherein nur an die diesbezüglichen Bestimmungen der Verordnung halten, wenn er sich über die Frage der Steuerpflicht Aufschluss verschaffen will. Es besteht somit ein erhöhtes Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit der ausführenden Vorschriften der VVEStG. Anderseits ist die behauptete Gesetzwidrigkeit der fraglichen Verordnungsvorschrift nicht offensichtlich erkennbar und auch nicht völlig klar und eindeutig nachweisbar. Der Gesetzgeber verzichtete auf eine detaillierte Umschreibung der Steuertatbestände und überliess es offenbar bewusst der zu erlassenden Vollziehungsverordnung, insbesondere auch die
BGE 101 Ia 116 S. 122
möglichen Fälle "anderweitiger Vermögenszuwendung" im Sinne von § 1 EStG zu konkretisieren und abzugrenzen. Mangels einer klaren Norm des Gesetzes hatte der Regierungsrat bei der präzisierenden Umschreibung der Steuertatbestände zum vornherein einen gewissen Spielraum. Die in der Praxis entwickelten, von § 4 VVEStG abweichenden Grundsätze über die steuerliche Behandlung der güterrechtlichen Vorschlagszuweisung dürften zwar dem Sinn des EStG, wie ausgeführt, eher entsprechen, doch ist die vom Wortlaut der Verordnung abweichende Auslegung des Gesetzes nicht überhaupt die einzig vertretbare; auch für die in § 4 VVEStG getroffene Regelung liessen sich einige beachtenswerte Gründe anführen. Jedenfalls hatte der mit der aargauischen Steuerpraxis nicht vertraute Bürger keinen Anlass, an der Gesetzmässigkeit von VVEStG zu zweifeln und sich vor Abschluss eines Gütervertrages nach dem Bestehen einer etwaigen abweichenden Praxis zu erkundigen. bb) Dessenungeachtet müsste die Beschwerdeführerin die vom Wortlaut der Verordnung abweichende Besteuerung wohl hinnehmen, wenn die Gesetzwidrigkeit von § 4 VVEStG eben erst entdeckt worden wäre und mit einer Änderung dieser Ausführungsbestimmung innert tunlicher Frist gerechnet werden könnte. Es liesse sich allenfalls ohne Verletzung von Art. 4
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BGE 101 Ia 116 S. 123
Unterlassung seitens der verantwortlichen Organe unbeabsichtigt war, so handelt es sich objektiv doch um ein widersprüchliches Verhalten der aargauischen Behörde, das mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wie auch mit dem Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar ist und gegen Art. 4
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BGE 101 Ia 116 S. 124
cc) Da die Beschwerde schon aus den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen gutzuheissen ist, brauchen die übrigen Rügen und Einwände, mit denen die Beschwerdeführerin eine Befreiung von der Steuer bzw. eine Herabsetzung derselben herbeiführen will, nicht mehr geprüft zu werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Kantons Aargau vom 14. März 1975 aufgehoben.