100 IV 17
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juli 1974 i.S. Jugendamt Zürich gegen X.
Regeste (de):
- Art. 98 Abs. 4 StGB.
- Diese Bestimmung ist nicht schematisch anzuwenden, sobald die zeitliche Voraussetzung erfüllt ist.
- Vielmehr prüft der Richter, ob das Verhalten des fehlbaren Jugendlichen während des Jahres nach der Tat den Schluss auf eine innere Umkehr rechtfertige und jener keiner strafrechtlichen Sanktion bedürfe, wobei Art und Schwere der Tat sowie die persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen zu berücksichtigen sind.
Regeste (fr):
- Art. 98 al. 4 CP.
- Cette disposition ne doit pas être appliquée de façon schématique, aussitôt que le temps prévu est écoulé.
- Le juge a au contraire le devoir d'examiner si le comportement de l'adolescent coupable, durant l'année qui a suivi l'infraction, permet de conclure qu'il s'est amendé et ne justifie plus dès lors le prononcé d'une sanction pénale.
- A cette occasion, il faut prendre en considération non seulement la nature et la gravité de l'infraction, mais également la situation personnelle de l'adolescent.
Regesto (it):
- Art. 94 cpv. 4 CP.
- Questa disposizione non deve essere applicata in modo schematico, quando il periodo ivi previsto è trascorso.
- Il giudice ha anzi il dovere di esaminare se il comportamento dell'adolescente colpevole, durante l'anno susseguente al reato, consente di concludere a un suo emendamento e giustifica l'omissione della sanzione.
- In proposito occorre tener conto, non solo della specie e della gravità del reato, ma anche della situazione personale dell'adolescente.
Sachverhalt ab Seite 18
BGE 100 IV 17 S. 18
A.- Der am 25. November 1954 geborene X. beging im Mai und Juni 1972 in drei verschiedenen Geschäften auf dem Platze Zürich Diebstähle, indem er sich Filmapparate und andere Geräte, die er sich hatte vorführen lassen, jeweils während einer kurzen Abwesenheit des Geschäftsinhabers aneignete und mit ihnen verschwand. Im einen Fall stahl er einen Tonhallverstärker im Einstandswert von Fr. 300.--, in zwei anderen Fällen Filmkameras im Wert von Fr. 1250.-- und Fr. 646.--.
B.- Mit Urteil vom 1. November 1973 fand das Jugendgericht des Bezirksgerichtes Zürich X. fehlbar des wiederholten Diebstahls und verurteilte ihn zu einem Monat Einschliessung. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf und setzte eine Probezeit von einem Jahr an. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 14. März 1974 den erstinstanzlichen Entscheid im Schuldpunkt, sah jedoch von einer Bestrafung in Anwendung des revidierten Art. 98 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt: |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
C.- Das Jugendamt des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des X. nach Art. 95 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 95 - 1 Das Gericht und die Strafvollzugsbehörde können vor ihrem Entscheid über Bewährungshilfe und Weisungen einen Bericht der Behörde einholen, die für die Bewährungshilfe, die Kontrolle der Weisungen oder den Vollzug der Tätigkeitsverbote oder der Kontakt- und Rayonverbote zuständig ist.137 Die betroffene Person kann zum Bericht Stellung nehmen. Abweichende Stellungnahmen sind im Bericht festzuhalten. |
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1 | Das Gericht und die Strafvollzugsbehörde können vor ihrem Entscheid über Bewährungshilfe und Weisungen einen Bericht der Behörde einholen, die für die Bewährungshilfe, die Kontrolle der Weisungen oder den Vollzug der Tätigkeitsverbote oder der Kontakt- und Rayonverbote zuständig ist.137 Die betroffene Person kann zum Bericht Stellung nehmen. Abweichende Stellungnahmen sind im Bericht festzuhalten. |
2 | Die Anordnung von Bewährungshilfe und die Weisungen sind im Urteil oder im Entscheid festzuhalten und zu begründen. |
3 | Entzieht sich der Verurteilte der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen oder sind die Bewährungshilfe oder die Weisungen nicht durchführbar oder nicht mehr erforderlich, so erstattet die zuständige Behörde dem Gericht oder den Strafvollzugsbehörden Bericht. |
4 | Das Gericht oder die Strafvollzugsbehörde kann in den Fällen nach Absatz 3: |
a | die Probezeit um die Hälfte verlängern; |
b | die Bewährungshilfe aufheben oder neu anordnen; |
c | die Weisungen ändern, aufheben oder neue Weisungen erteilen. |
5 | Das Gericht kann in den Fällen nach Absatz 3 die bedingte Strafe widerrufen oder die Rückversetzung in den Straf- oder Massnahmenvollzug anordnen, wenn ernsthaft zu erwarten ist, dass der Verurteilte neue Straftaten begeht. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. 2. - Nach Art. 98 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt: |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
BGE 100 IV 17 S. 19
in den allg. Teil des Strafrechts, II S. 178 in Verbindung mit S. 170). Die zuständige Behörde ist freilich in Ausübung jener Befugnis nicht absolut frei. Ihr Ermessen muss vielmehr ein pflichtgemässes sein; sie muss sich, mit anderen Worten, nach den im Gesetz liegenden Wertungen ausrichten und ihren Entscheid auf sachlich vertretbare Gründe stützen (GERMANN, Kommentar zum StGB, Bd. I N. 15 ff. zu Art. 1; SCHULTZ, a.a.O. I S. 78 oben). a) Wie sich aus den Vorarbeiten zum heutigen Gesetz ergibt, wollten mit dem revidierten Art. 98
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt: |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 88 - Hat sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so ist er endgültig entlassen. |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 88 - Hat sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Probezeit bewährt, so ist er endgültig entlassen. |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
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BGE 100 IV 17 S. 20
haben, in deren Zusammenhang denn auch Absatz 4 verstanden werden muss. Danach soll vermieden werden, dass eine sich abzeichnende günstige Entwicklung des fehlbaren Jugendlichen irgendwie durch strafrechtliche Massnahmen oder Strafen gestört werde, die zu dessen Besserung nichts mehr beitragen können (BGE 94 IV 58), sei es, dass bereits anderweitig, z.B. durch die Eltern usw. das Nötige vorgekehrt wurde, sei es, dass der Jugendliche durch sein eigenes aktives Verhalten seit der Tat eine innere Umkehr (z.B. tätige Reue) oder durch sein Wohlverhalten während einer längeren Zeit ernsthaft seinen Besserungswillen bekundet hat. Wenn der Gesetzgeber diese Zeit auf ein Jahr bemessen hat, so offenbar aus der Überlegung heraus, dass beim noch ungereiften Jugendlichen ein Wohlverhalten während einer solchen Zeitdauer bereits ein gewichtiges Indiz für eine Besserung sein kann, deren Fortdauer nicht durch unnötige strafrechtliche Sanktionen in Frage gestellt werden soll, zumal namentlich die Bedeutung von Strafen für den fehlbaren Jugendlichen mit zunehmender Entfernung ihres Vollzuges von der Tat auch rasch abnimmt. Der Umstand, dass die ursprüngliche Fassung des Art. 98
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt: |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
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c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
BGE 100 IV 17 S. 21
Anforderungen an die Gewähr zu stellen sind, die der Jugendliche für seine Besserung bieten muss. Wo der Richter nach pflichtgemässer Würdigung des Falles zur Überzeugung gelangt, dass eine strafrechtliche Sanktion nicht mehr notwendig ist, kann er von ihr absehen. Mehr verlangt das Gesetz nicht. Insbesondere folgt weder aus den Materialien noch dem Wortlaut und dem Sinn des Art. 98 Abs. 4
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |
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b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
BGE 100 IV 17 S. 22
für sein späteres Leben zu geben. Von Strafen und Massnahmen könne auch deswegen abgesehen werden, weil die Eltern des Beschwerdegegners in der Lage und fähig seien, ihrem Sohn die notwendige Führung zu bieten. Daraus erhellt, dass das Obergericht Art. 98 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 98 - Die Verjährung beginnt: |
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a | mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt; |
b | wenn der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt; |
c | wenn das strafbare Verhalten dauert, mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.