Urteilskopf

100 IV 137

35. Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1974 i.S. Guntli gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 138

BGE 100 IV 137 S. 138

A.- Am 17. September 1973 erklärte das Strafamtsgericht von Thun Albin Guntli des Diebstahls und des Diebstahlsversuchs, der Anstiftung zur Veruntreuung und der fortgesetzten Veruntreuung, der Hehlerei, des Betruges und des fortgesetzten Betrugsversuches sowie des wiederholten Führens eines Motorfahrzeugs als Lernfahrer ohne Begleitperson und ohne Anbringen des "L"-Schildes schuldig und verurteilte ihn zu 18 Monaten Zuchthaus sowie Fr. 100.-- Busse. Anstelle des Strafvollzugs ordnete es die Verwahrung nach Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB an.
Guntli appellierte mit dem Antrag, von der Verwahrung abzusehen. Am 15. Januar 1974 bestätigte das Obergericht des Kantons Bern die Verwahrung.
B.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Guntli, das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Er beanstandet lediglich die Anordnung der Verwahrung.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Hat der Täter schon zahlreiche Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich verübt und wurde ihm deswegen durch Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen oder eine Arbeitserziehungsmassnahme die Freiheit während insgesamt mindestens zwei Jahren entzogen, oder war er an Stelle des Vollzugs von Freiheitsstrafen bereits als Gewohnheitsverbrecher verwahrt, und begeht er innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen, das seinen Hang zu Verbrechen oder Vergehen bekundet, so kann der Richter an Stelle des Vollzugs einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe Verwahrung anordnen (Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB).
2. Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass seine seit der Volljährigkeit verbüssten 10 Gefängnisstrafen insgesamt das gesetzliche Mindestmass von zwei Jahren überschreiten. Hinzu kommt eine Arbeitserziehung von zwei Jahren. Diese Sanktionen wurden wegen zahlreicher vorsätzlicher Verbrechen und Vergehen ausgesprochen. Seither hat er erneut vorsätzlich Verbrechen und Vergehen begangen.
3. Der Beschwerdeführer ist am 29. Januar 1972 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden. Die Probezeit betrug
BGE 100 IV 137 S. 139

2 Jahre. Die Verbrechen, die zu seiner neuen Verurteilung führten, hat er in der Zeit vom Dezember 1972 bis zum 3. März 1973, also während der Probezeit verübt. Er macht geltend, er habe diese Verbrechen nicht "innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung" begangen, wie es das Gesetz für die Anordnung der Verwahrung voraussetze. Es geht also um die Frage, welche Bedeutung der endgültigen Entlassung zukommt. Unbestritten ist, dass ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen, das nach Ablauf der fünfjährigen Frist seit der endgültigen Entlassung verübt wird, nicht mehr zur Verwahrung führen kann. Hat der Täter sich solange vorsätzlicher Verbrechen oder Vergehen enthalten, wird von Gesetzes wegen angenommen, er habe keinen Hang zu Verbrechen oder Vergehen, er sei kein Gewohnheitsverbrecher im Sinne des Gesetzes. Streitig ist, ob der Rückfall in ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen, das während des Straf- oder Massnahmenvollzuges oder während der bedingten, aber vor der endgültigen Entlassung verübt wird, die Einweisung in eine Verwahrungsanstalt im Sinne von Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB ebenfalls ausschliesst. Nach BGE 98 IV 1 kann der Richter in diesem Falle für die neue Tat keine Verwahrung gemäss Art. 42 aussprechen. Diese Praxis wurde angefochten (SCHULTZ, ZBJV 1973 S. 411 f. und Lehrbuch, Allg.T. II S. 143; REHBERG, ZStR 1973 S. 282 f.). Die Frage ist erneut zu prüfen. a) Der Wortlaut des Gesetzes ("und begeht er innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen"; "si ... le délinquant commet, dans les cinq ans qui suivent sa libération définitive, un nouveau crime ou délit intentionnel..."; "e commette, entro cinque anni dalla liberazione definitiva, un nuovo crimine o delitto intenzionale...") spricht eher für die bisherige Praxis. Begeht der Täter vor der endgültigen Entlassung die Tat, begeht er sie eben nicht innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung. Der Gesetzestext gibt Anfang und Ende der kritischen Zeit an, nicht nur das Ende. Der Nachweis, dass der Gesetzgeber sich ungenau und missverständlich ausgedrückt hat und lediglich den Endtermin angeben wollte, nach dem eine neue Tat nicht mehr zur Verwahrung führen kann, ist damit nicht ausgeschlossen. b) Die Entstehungsgeschichte legt die Annahme nahe, dass

BGE 100 IV 137 S. 140

das Gesetz mit der fünfjährigen Frist lediglich den Endtermin festlegen wollte. Der Ständerat beschloss zunächst, dass die neue Tat einen Rückfall gemäss Art. 67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
1    Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
2    Hat jemand gegen einen Minderjährigen oder eine andere besonders schutzbedürftige Person ein Verbrechen oder Vergehen begangen und besteht die Gefahr, dass er in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, weitere Straftaten dieser Art begeht, so kann ihm das Gericht die betreffende Tätigkeit für ein Jahr bis zehn Jahre verbieten.
2bis    Das Gericht kann das Verbot nach Absatz 2 lebenslänglich verhängen, wenn zu erwarten ist, dass die Dauer von zehn Jahren nicht ausreicht, damit vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Es kann ein zeitlich befristetes Verbot nach Absatz 2 auf Antrag der Vollzugsbehörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen, wie sie Anlass für das Verbot waren, abzuhalten.95
3    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst:
a  Menschenhandel (Art. 182), sofern er die Straftat zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an einem minderjährigen Opfer begangen hat;
b  sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187), sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) oder sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196);
c  sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192), Ausnützung der Notlage (Art. 193), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat an oder vor einem minderjährigen Opfer begangen hat;
d  Pornografie (Art. 197):
d1  nach Artikel 197 Absatz 1 oder 3,
d2  nach Artikel 197 Absatz 4 oder 5, sofern die Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatten.96
4    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu volljährigen, besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, sowie jede berufliche oder jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt:
a  Menschenhandel (Art. 182) zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192), Ausnützung der Notlage (Art. 193), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat begangen hat an oder vor:
a1  einem volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfer, oder
a2  einem volljährigen nicht besonders schutzbedürftigen Opfer, das zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig war oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zu Wehr setzen konnte;
b  Pornografie (Art. 197 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 oder 5), sofern die Gegenstände oder Vorführungen zum Inhalt hatten:
b1  sexuelle Handlungen mit volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfern, oder
b2  sexuelle Handlungen mit volljährigen, nicht besonders schutzbedürftigen Opfern, die zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig waren oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnten.97
4bis    Das Gericht kann in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach Absatz 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter:
a  verurteilt worden ist wegen Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195); oder
b  gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist.98
5    Wird der Täter im selben Verfahren wegen mehrerer Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird gegen ihn deswegen eine Massnahme angeordnet, so legt das Gericht fest, welcher Anteil der Strafe oder welche Massnahme auf eine Straftat entfällt, die ein Tätigkeitsverbot nach sich zieht. Dieser Strafanteil, die Massnahme sowie die Straftat sind massgebend dafür, ob ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1, 2, 2bis, 3 oder 4 verhängt wird. Die Strafanteile für mehrere einschlägige Straftaten werden addiert. Es können mehrere Tätigkeitsverbote verhängt werden.99
6    Das Gericht kann für die Dauer der Verbote Bewährungshilfe anordnen.100
7    ...101
StGB darstelle ("... und wird er wegen der neuen vorsätzlichen Tat, die seinen Hang zu Verbrechen oder Vergehen bekundet, nach Art. 67 wegen Rückfalls zu einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe verurteilt..."). "Ein Täter, der nach Verbüssung einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe oder nach Vollzug einer sichernden Massnahme 5 Jahre nicht delinquiert hat, hat sich nach der Meinung der Kommission vom Makel des Gewohnheitsverbrechers befreit" (Votum des Referenten Zellweger, Amtl.Bull. StR 1967 S. 58 f.). Man wollte somit lediglich einen Endtermin setzen; denn Rückfall ist schon während des Strafvollzugs und während der bedingten Entlassung möglich, sofern nur ein Teil der Strafe verbüsst worden ist. Der Nationalrat beschloss dann die heutige Fassung, aber einzig, um den Endtermin hinauszuschieben, nicht, um der Erheblichkeit der neuen Tat einen Anfangstermin zu setzen (Amtl. Bull. NR 1969 S. 110 f., Votum des Referenten Schmid). Der Ständerat schloss sich dieser Änderung an (Amtl. Bull. StR 1970 S. 97, Votum des Referenten Guisan).
c) BGE 98 IV 3 E 3 geht von der Überlegung aus, nur wer die volle resozialisierende Wirkung der frühern Strafe oder Massnahme mit Einschluss der bedingten Entlassung an sich erfahren habe, zeige, dass der Vollzug der Strafe an ihm wirkungslos gewesen sei. Die bisher veröffentlichten Urteile befassten sich mit Tätern, die sich in Verwahrung befanden oder aus der Verwahrung bedingt entlassen worden waren. Nur für diese Fälle würde der Einwand zutreffen, die Verwahrung sichere primär die Gesellschaft, bezwecke nur nebenbei die Besserung. Es könne daher nicht darauf abgestellt werden, ob der Täter die volle Wirkung des resozialisierenden Vollzuges an sich erfahren habe. Die praktische Bedeutung der Kontroverse betrifft aber nicht den Täter, der aus der Verwahrung bedingt entlassen wird. Wird ein Verwahrter während der Probezeit rückfällig, wird er in der Regel auf mindestens 5 Jahre in die Verwahrung rückversetzt (Art. 42 Ziff. 4 Abs. 3). In dieser Verwahrung geht die für die neue Tat verwirkte Freiheitsstrafe unter (VStGB 1 Art. 2 Abs. 7). Ob der Täter für die neue Tat verwahrt oder bestraft wird, ist daher ohne grosse Bedeutung.
BGE 100 IV 137 S. 141

War der Täter aber zur Zeit der Tat aus dem Vollzug einer Strafe oder einer Arbeitserziehungsanstalt bedingt entlassen, war die resozialisierende Wirkung des Vollzugs noch nicht abgeschlossen, die Wirkungslosigkeit des Vollzugs noch nicht manifest. Entscheidend ist hingegen der folgende Einwand: Schliesst man für die neue Tat, die während des Strafvollzugs, während dessen Unterbrechung, auf der Flucht oder während der bedingten Entlassung verübt wird, die Verwahrung schlechtweg aus, so könnte auch der nicht verwahrt werden, der stets schon rückfällig wird, bevor er endgültig entlassen werden konnte. Eine Verwahrung wäre auch dann ausgeschlossen, wenn Art und Zahl der Verbrechen keinen Zweifel mehr darüber aufkommen lassen, dass der Täter ein Gewohnheitsverbrecher ist, den die gewöhnlichen Strafen nicht mehr bessern werden und vor dessen Kriminalität die Gesellschaft dringend geschützt werden muss. Diese Folge wäre aber mit dem Zweck der Verwahrung gemäss Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB nicht mehr vereinbar. Die Vorinstanz hat also Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB richtig dahin ausgelegt, dass auch derjenige verwahrt werden kann, der das neue Verbrechen oder Vergehen während der bedingten Entlassung aus einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe verübt hat. Das gleiche würde gelten, wenn er die neue Tat beginge, nachdem er bedingt aus einer Verwahrung oder Arbeitserziehung entlassen worden wäre. Dem Umstande, dass der noch nicht endgültig Entlassene noch nicht die volle Wirkung des Vollzuges erfahren hat, kann beim Entscheide Rechnung getragen werden, ob für die neue Tat von einer Verwahrung abgesehen werden kann, weil begründete Erwartung besteht, auch der Vollzug einer Freiheitsstrafe werde den Täter bessern.
4. Der Beschwerdeführer bestreitet ferner, dass die subjektiven Voraussetzungen der Verwahrung erfüllt seien. Ob die neuen vorsätzlichen Taten einen "Hang zu Verbrechen oder Vergehen" bekunden, ist eine Tatfrage, die von der Beurteilung des Charakters und der Persönlichkeit des Täters abhängt. Ferner ist es weitgehend Ermessenssache des Sachrichters, ob schon der Vollzug der verwirkten Freiheitsstrafe die Gesellschaft hinreichend vor dem vielfach Rückfälligen zu sichern vermag. Nur wenn der Sachrichter von einem falschen rechtlichen Begriff des Gewohnheitsverbrechers ausgeht, sein
BGE 100 IV 137 S. 142

Ermessen überschreitet oder den geistigen Zustand des Täters nicht untersuchen lässt, verletzt er Bundesrecht. Die längste bisher verbüsste Freiheitsstrafe betrug zwar lediglich 9 Monate Gefängnis. Immerhin musste der Beschwerdeführer seit 1967 viermal zu gesamthaft einem Jahr Gefängnis verurteilt werden; zweimal wurde ihm die Verwahrung angedroht. Innerhalb ungefähr 14 Monaten seit der am 29. Januar 1972 erfolgten bedingten Entlassung beging er zahlreiche neue Verbrechen und entfaltete damit trotz Schutzaufsicht eine aktive Kriminalität. Das Gutachten kommt zum Schluss, die Gefahr weiterer Betrügereien sei recht erheblich. Die Anordnung der Verwahrung verstiess demnach nicht gegen Bundesrecht. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen nicht überschritten.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 100 IV 137
Datum : 10. Mai 1974
Publiziert : 31. Dezember 1975
Quelle : Bundesgericht
Status : 100 IV 137
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Auch derjenige kann verwahrt werden, der das neue Verbrechen oder Vergehen während des Straf-
Einordnung : Änderung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
StGB: 42 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
67
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
1    Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94
2    Hat jemand gegen einen Minderjährigen oder eine andere besonders schutzbedürftige Person ein Verbrechen oder Vergehen begangen und besteht die Gefahr, dass er in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, weitere Straftaten dieser Art begeht, so kann ihm das Gericht die betreffende Tätigkeit für ein Jahr bis zehn Jahre verbieten.
2bis    Das Gericht kann das Verbot nach Absatz 2 lebenslänglich verhängen, wenn zu erwarten ist, dass die Dauer von zehn Jahren nicht ausreicht, damit vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Es kann ein zeitlich befristetes Verbot nach Absatz 2 auf Antrag der Vollzugsbehörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen, wie sie Anlass für das Verbot waren, abzuhalten.95
3    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst:
a  Menschenhandel (Art. 182), sofern er die Straftat zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an einem minderjährigen Opfer begangen hat;
b  sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187), sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) oder sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196);
c  sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192), Ausnützung der Notlage (Art. 193), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat an oder vor einem minderjährigen Opfer begangen hat;
d  Pornografie (Art. 197):
d1  nach Artikel 197 Absatz 1 oder 3,
d2  nach Artikel 197 Absatz 4 oder 5, sofern die Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatten.96
4    Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu volljährigen, besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, sowie jede berufliche oder jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt:
a  Menschenhandel (Art. 182) zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192), Ausnützung der Notlage (Art. 193), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat begangen hat an oder vor:
a1  einem volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfer, oder
a2  einem volljährigen nicht besonders schutzbedürftigen Opfer, das zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig war oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zu Wehr setzen konnte;
b  Pornografie (Art. 197 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 oder 5), sofern die Gegenstände oder Vorführungen zum Inhalt hatten:
b1  sexuelle Handlungen mit volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfern, oder
b2  sexuelle Handlungen mit volljährigen, nicht besonders schutzbedürftigen Opfern, die zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig waren oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnten.97
4bis    Das Gericht kann in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach Absatz 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter:
a  verurteilt worden ist wegen Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195); oder
b  gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist.98
5    Wird der Täter im selben Verfahren wegen mehrerer Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird gegen ihn deswegen eine Massnahme angeordnet, so legt das Gericht fest, welcher Anteil der Strafe oder welche Massnahme auf eine Straftat entfällt, die ein Tätigkeitsverbot nach sich zieht. Dieser Strafanteil, die Massnahme sowie die Straftat sind massgebend dafür, ob ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1, 2, 2bis, 3 oder 4 verhängt wird. Die Strafanteile für mehrere einschlägige Straftaten werden addiert. Es können mehrere Tätigkeitsverbote verhängt werden.99
6    Das Gericht kann für die Dauer der Verbote Bewährungshilfe anordnen.100
7    ...101
BGE Register
100-IV-137 • 98-IV-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bedingte entlassung • freiheitsstrafe • gewohnheitsverbrecher • straf- und massnahmenvollzug • referent • resozialisierung • verurteilter • arbeitserziehung • monat • betrug • probezeit • vorinstanz • ermessen • frage • bundesgericht • frist • stelle • sachrichter • sachverhalt • entscheid
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ZBJV
1973 S.411