100 Ib 341
60. Auszug aus dem Urteil vom 26. September 1974 i.S. Käsereigenossenschaften Hinterforst und Kornberg gegen Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
Regeste (de):
- Milchgesetzgebung: Zusammenlegungsprämie in der Käsereiwirtschaft.
- - Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Prämie.
- - Die fehlende Veröffentlichung eines Bundesratsbeschlusses in der amtlichen Sammlung schliesst grundsätzlich nicht aus, dass der bundesrätliche Erlass Rechtswirkungen im Sinne der Begründung von Rechten entfalten kann.
- - Die funktionelle Kompetenz zur Einräumung von Subventionsansprüchen liegt beim Gesetzgeber.
Regeste (fr):
- Législation laitière: prime de regroupement en économie fromagère.
- - Admissibilité du recours de droit administratif contre le refus d'accorder une prime.
- - Le fait qu'un arrêté du Conseil fédéral n'a pas été publié au Recueil officiel des lois fédérales n'empêche pas en principe un tel arrêté de déployer des effets juridiques et de fonder un droit.
- - C'est au législateur qu'appartient la compétence fonctionnelle de créer le droit à des subventions.
Regesto (it):
- Legislazione lattiera: premio di raggruppamento nell'economia casearta.
- - Ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo contro il rifiuto di accordare il premio.
- - Il fatto che un decreto del Consiglio federale non sia stato pubblicato nella Raccolta ufficiale delle leggi federali non impedisce che esso possa esplicare effetti giuridici nel senso di dar luogo ad un diritto.
- - La competenza funzionale d'istituire diritti a sussidi spetta al legislatore.
Erwägungen ab Seite 342
BGE 100 Ib 341 S. 342
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des EVD, in welchem das Begehren der Beschwerdeführerinnen um Ausrichtung einer Preiszulage, auf die sie einen Anspruch nach Bundesrecht zu haben behaupten, abgewiesen wurde. a) Das Bundesgericht beurteilt nach Art. 97 Abs. 1
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b) Nach Art. 99 lit. h
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BGE 100 Ib 341 S. 343
zum Zwecke der gemeinsamen Milchverwertung zu Käse" ausgerichtet werden sollen, sofern ein Zusammenschluss zustande kommt. Der Wortlaut der Bestimmung lässt den rechtsanwendenden Behörden grundsätzlich kein Ermessen, ob sie die Preiszulage ausrichten wollen oder nicht. Wenn die durch Auslegung der Norm zu bestimmenden Voraussetzungen des BRB gegeben sind, muss der Beitrag ausgerichtet werden. Daran vermag nichts zu ändern, dass der BRB von 1971 nicht in die Amtliche Sammlung aufgenommen und somit nicht publiziert worden ist. Nach Art. 4 lit. f des BG vom 12. März 1948 über die Rechtskraft der Bereinigten Sammlung (Rechtskraftsgesetz) sind Bundesratsbeschlüsse in die Amtliche Sammlung aufzunehmen, wenn sie "allgemein verpflichtende Vorschriften aufstellen". Ohne Publikation können deshalb keine zusätzlichen Verpflichtungen der Bürger begründet werden (vgl. Art. 9 Abs. 1 Rechtskraftsgesetz). Das bedeutet nach der Praxis des Bundesgerichtes, dass eine Norm mit allgemein verpflichtendem Inhalt gegenüber dem Bürger nicht durchgesetzt werden kann, bevor sie veröffentlicht ist (BGE 92 I 233; ZBl 75/1974 S. 238). Der hier anwendbare BRB begründet jedoch keine zusätzlichen Verpflichtungen für die Bürger, sondern räumt ihnen - falls die umschriebenen Voraussetzungen erfüllt werden - zusätzliche Rechte ein. Zu dieser Frage sprechen sich die Bestimmungen des Art. 4 lit. f und Art. 9 Abs. 1 des Rechtskraftsgesetzes nicht aus. Wiewohl es einem Gebot des Rechtsstaates entsprechen dürfte, dass der Bürger aus den amtlich publizierten Erlassen nicht nur seine Pflichten, sondern auch seine Rechte soll erkennen können, schliesst die fehlende Publikation des BRB von 1971 (der inzwischen durch eine publizierte Verordnung ersetzt worden ist) nicht aus, dass der BRB Rechtswirkungen im Sinne der Begründung von Rechten entfalten konnte. Entscheidend ist, dass der Erlass sich seinem Sinn und Zweck nach als Rechtsverordnung qualifiziert. Der BRB von 1971 ist - wie sich aus dem Gesagten ergibt - nicht dazu bestimmt, den untern Verwaltungsinstanzen Anweisungen zu erteilen, wie sie im Rahmen ihres Ermessens das Bundesrecht handhaben sollen. Er umschreibt - allgemein verbindlich -, wer bei Erfüllung welcher Voraussetzungen Anspruch auf einen bisher nicht bestehenden Preiszuschlag auf die eingelieferte Milch erhalten soll.
BGE 100 Ib 341 S. 344
Fraglich ist einzig, auf welche gesetzliche Grundlage sich der Bundesrat bei der Schaffung des durch den Beschluss von 1971 begründeten Leistungsanspruchs stützen konnte. Die funktionelle Kompetenz zur Einräumung von Subventionsansprüchen liegt nämlich beim Gesetzgeber und die Verwaltung bedarf bei der Entrichtung einer geldwerten Leistung des Bundes, die einer Vielzahl von Bürgern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erbracht werden sollen, der gesetzlichen Ermächtigung. Dieser grundsätzlichen Frage nach dem Gesetzesvorbehalt für die hier in Frage stehende Preiszulage des Bundes braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, dass die Beschwerdeführerinnen unter den vorliegenden Umständen ohnehin keine Bundesleistungen beanspruchen können.